Gegen Rechts! Aber wie?

Wenn es um die Bekämpfung rechten Denkens geht, kursieren verschiedenste Ansätze. Ein Überblick von Dorian Tigges.

Wenn man sich die heutigen Debatten um die Bekämpfung der Rechten ansieht, so fällt einerseits auf, dass viele Ansätze und Auseinandersetzungen darum keineswegs neu sind, sondern sich vielmehr innerhalb der letzten 80 Jahre in den wiederkehrenden Wellen rechter Wahlerfolge und des Terrorismus immer wiederholten. Darauf werden wir noch zu sprechen kommen.

Staatliche Repression

Andererseits ist es wichtig zu unterscheiden, aus welchem Blickwinkel man sich dieses Problems annimmt. So nimmt etwa die SPD, wenn sie sich in ihrem Strategiepapier zur Bekämpfung der Rechten vor allem auf repressive Maßnahmen, das heißt Parteiverbote, Waffenrechtsverschärfungen oder Internetüberwachung, bezieht, eine staatszentrierte Perspektive ein. Ihr geht es dabei im Wesentlichen darum, die Rechte durch die Mittel staatlicher Gewalt kleinzuhalten. Eine Lösungsstrategie für die tieferliegenden Probleme unserer Gesellschaft ist damit wohl kaum verbunden. Nichtsdestotrotz können derartige Strategien kurzfristig dabei erfolgreich sein, rechte Bewegungen zu zerschlagen. Dies zeigen etwa Parteiverbote gegen Nachfolgeparteien der NSDAP in der frühen Bundesrepublik, wie etwa die „Sozialistische Reichspartei“. Allerdings können und konnten solche Strategien natürlich nicht dafür sorgen, dass die Nazis verschwinden oder sich wieder – stärker als zuvor – reorganisieren. So zog etwa die neugegründete NPD, trotz aller Verbote des vorangegangenen Jahrzehnts, 1967 mit 7 Prozent aus dem Stand in den niedersächsischen Landtag ein. Ihr Einzug in den Bundestag konnte damals nur mit breitem zivilgesellschaftlichem Engagement verhindert werden. Und nicht zuletzt wurde, gerade weil sie die Fünfprozenthürde verpasste, eine Mehrheit für die spätere sozialliberale Koalition unter Willy Brandt möglich.

Zivilgesellschaftliche Aufklärung

Andere Ansätze stellen die Zivilgesellschaft in den Fokus des gesellschaftlichen Kampfes gegen Rechts. So soll mit der Förderung von Initiativen und Vereinen, welche sich aktiv gegen rechte Ungleichheitsideologien engagieren, über das Bundesprogramm „Demokratie leben!“ die gesellschaftliche Anschlussfähigkeit von Faschistinnen und Faschisten geschwächt werden. Oder es soll durch die Unterstützung politischer Bildung in der Schule und darüber hinausgehend in den Bundes- und Landesämtern für politische Bildung Ähnliches erreicht werden.

Ohne Zweifel ist die politische Aufklärung ein wichtiger Eckpfeiler gegen Rechts, solche Versuche haben jedoch auch einige strukturelle Schwächen. Zunächst fruchten sie besonders da gut, wo gesellschaftliche Vielfalt konkret im Alltag erlebbar ist oder erlebbar gemacht werden kann. In ländlichen, häufig durch eine homogene Bevölkerungsstruktur geprägten Regionen kommen solche Projekte weit weniger an. Zudem blendet derartiges Engagement häufig real existierende Ungleichheiten aus. Wenn sich etwa eine Hauptschule zur „Schule ohne Rassismus“ ausruft, ist damit keineswegs Ungleichheitsideologien vorgebeugt, müssen doch viele der Schülerinnen und Schüler aufgrund ihrer soziokulturellen Stellung in der Gesellschaft tagtäglich mit Diskriminierungen und Ungleichheit umgehen. 

Zuletzt bleiben viele der Initiativen in diesem Bereich, aufgrund ihrer finanziellen Abhängigkeit, ein Spielball in den Händen der Mächtigen. Sie können langfristig kaum stabil und zuverlässig arbeiten, wenn Sie mit Treueverpflichtungen zur „freiheitlich demokratischen Grundordnung“ (FDGO, auch für alle ihre zivilgesellschaftlichen Partner, wie etwa Antifagruppen) oder der latenten Gefahr des Entzuges der steuerrechtlichen Gemeinnützigkeit belastet sind.

Einheitsfront der „Demokraten“ oder Entlarvung der Steigbügelhalter

Auch eine parteipolitische Sicht auf das Thema ist lohnenswert. Hier gibt es zwei grundsätzlich verschiedene Ansätze.

So gibt es einerseits diejenigen, die versuchen, möglichst breite parteipolitische und zivilgesellschaftliche Bündnisse gegen Rechts zu schmieden. Solche Bündnisse, wie etwa „Aufstehen gegen Rassismus“, versuchen vor allem im sogenannten rot-rot-grünen Lager, gesellschaftliche Gegenmacht zu entwickeln, sei es im Großen mit Demos gegen Rechts oder im Kleinen durch das Empowerment Einzelner, im Alltag Widerspruch gegen rechte Parolen zu üben.

Die Breite dieser Bündnisse, die sich gerade aus aktuellen Anlässen in fast jeder Stadt gegründet haben, ist natürlich einerseits eine Stärke, da es so ermöglicht wird, viele Menschen einzubinden. Andererseits erschwert es diese Breite aber auch, die rechte Bedrohung an ihrer Wurzel zu bekämpfen. So ist es in und für solche Organisationen nur sehr schwer möglich, über die Ursachen der Rechtsentwicklung zu reden und sie anzugehen. Diese liegen zentral in der zunehmenden Entsolidarisierung der Gesellschaft und einer Verschärfung der sozialen Ungleichheiten.

Da aber ein großer Teil der sogenannten politischen Linken über die Hartz-Reformen mit dieser Politik des Sozialabbaus verstrickt ist, lässt sich an dieser Stelle kaum ein gemeinsames, geschweige denn zukunftsweisendes Projekt formulieren, das nicht nur auf rechte Aufmärsche reagiert, sondern ihre Ursachen nachhaltig bekämpft.

Gegensätzlich zu diesem auf Breite angelegten Ansatz stehen diejenigen, die im Kampf gegen Rechts nicht nur einen Kampf gegen rechte Parteien und Bewegungen verstehen, sondern auch gegen ihre Türöffner in den Regierungen der letzten Jahrzehnte.

Ziel dieser Strategie ist es, durch klare Benennung der Ursachen rechten Denkens in der Öffentlichkeit aufzuklären. Dies kann als eine Politik des reinen Gewissens verstanden werden, welche sich, neben dem Engagement gegen Rechts, darauf fokussiert, die Verantwortung von SPD, Grünen, CDU/CSU und FDP an deren Stärke herauszustellen. Freilich lassen sich so keine breiten Bündnisse organisieren. Jedoch besteht darin eine Möglichkeit, Menschen anhand einer glaubwürdigen antifaschistischen Linie zu organisieren. Solange noch keine Machtübernahme von Rechts droht, scheint dieser Ansatz legitim, danach jedoch kaum mehr.

Verbindende Klassenpolitik

In der Linken wird derzeit, anschließend daran, über das Konzept der sogenannten „Verbindenden Klassenpolitik“ diskutiert. Hierbei ist der tragende Gedanke, Menschen, die in unserer Gesellschaft unter den verschiedensten Ungleichheitsformen leiden, zusammenzuführen und mit ihnen zusammen gegen Rechts zu kämpfen.

Dem liegt die Analyse zugrunde, dass der Aufschwung der Rechten maßgeblich mit der sich vertiefenden Verzahnung gesellschaftlicher Ungleichheiten einhergeht und diese wiederum untrennbar mit der kapitalistischen Wirtschaftsform verwoben sind. Rechtes Denken gründet in Ungleichheit – der erlebten, wie der gewollten. Gerade diese Ungleichheiten liegen wiederum aber unserem Wirtschaftssystem zugrunde, seien es ökonomische Ungleichheiten, Geschlechterungleichheiten oder Ungleichheiten, die durch Staatsbürgerschaft, Religion und/oder Hautfarbe begründet werden. Eine Bekämpfung all dieser Ungleichheit ist damit nicht nur ein linkes Projekt, sondern vielmehr auch nachhaltige Bekämpfung rechten Denkens.

Da sich solche Diskriminierungen aber immer nur schwerlich für andere gesellschaftliche Gruppen, deren reale Lebensumstände man vielleicht gar nicht genau kennt, bekämpfen lassen, ist es wichtig, dass all diese verschiedenen Personengruppen im Engagement gegen ihre spezifische, aber auch alle anderen Diskriminierungen in dieser Gesellschaft zusammenfinden.

Die Botschaft lautet also: Nur wir alle gemeinsam können Ungerechtigkeiten beenden und rechtem Denken einen Riegel vorschieben!

Der Beitrag erschien in gedruckter Form in der neuen Critica.

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