Auf Initiative von Sahra Wagenknecht und Alice Schwarzer ruft für kommenden Samstag (25. Februar) ein breites Bündnis zu einer Kundgebung für ein schnelles Ende des Krieges in der Ukraine auf. Anlass ist der Jahrestag des Kriegsbeginns. Völlig zu Recht weisen die Initiatorinnen darauf hin, dass seit Kriegsbeginn mehr als 200.000 Soldaten und über 50.000 Zivilisten getötet wurden und dieses sinnlose Töten so schnell wie möglich ein Ende haben muss.
Nur wenn beide Seiten sich an einen Tisch setzen und Verhandlungen aufnehmen, kann dieser Krieg beendet werden. Andernfalls, so die Einschätzung von Wagenknecht und Schwarzer, besteht die Gefahr, dass wir „unaufhaltsam auf die Rutschbahn Richtung Weltkrieg“ geraten. Fast 600.000 Menschen haben das „Manifest für Frieden“ bereits unterzeichnet.
Dieses Manifest ist politisch richtig. Richtig ist auch, dass der Online-Petition eine Kundgebung folgt, um der Bundesregierung gegenüber deutlich zu machen, dass eine größer werdende Zahl von Menschen diesen Krieg nicht möchte. Und richtig ist zudem, dass Wagenknecht und auch der Politikwissenschaftler Hajo Funke, der ebenfalls zu den Unterzeichnern des Aufrufs gehört, sich klar von rechts abgegrenzt haben. Gegenüber dem Spiegel sagte Wagenknecht, die AfD versuche gezielt, die Kundgebung zu vereinnahmen. „…dieser Versuch, unsere Friedensinitiative zu diffamieren, ist leicht durchschaubar. Wir haben mit der Auswahl unserer Erstunterzeichner deutlich gemacht, mit wem wir zusammenarbeiten und von wem wir uns Unterstützung erhoffen – und wem eben auch nicht.“ Und Funke wies auf die autoritären Ansichten der extremen Rechten hin und sagte: „Zum Manifest für Frieden brauchen wir die Rechtsextremen um Höcke, Chrupalla und Elsässer nicht. Sie hetzen und wollen den Bürgerkrieg im eigenen Land.“
Viel Streit
Dennoch ist der Streit in der LINKEN, wie sie sich zu dieser Initiative verhalten soll, groß. Während es der Parteivorstand ablehnt, zu einer Teilnahme an der Kundgebung aufzurufen, mobilisieren inzwischen viele Parteigliederungen nach Berlin, unter ihnen der Landesverband Bayern, die KPF, die BAG Selbstbestimmte Behindertenpolitik, die Sozialistische Linke oder der Studierendenverband SDS. Während Gregor Gysi den Aufruf unterschrieben hat, distanziert sich Bodo Ramelow von der Initiative. Kern des Streits ist die Behauptung, der Protest sei nach rechts offen und es gehöre zum antifaschistischen Selbstverständnis der Partei, nicht gemeinsam mit AfD-Funktionären, Reichsbürgern und der Identitäten Bewegung für Frieden demonstrieren zu wollen.
Richtig ist, die AfD ist keine Friedenspartei. Alexander Gauland schrieb bereits 2012: „Die großen Fragen der Zeit werden nicht durch Reden und Majoritätsbeschlüsse entschieden, sondern durch Eisen und Blut.“ Programmatisch stellt sich die AfD bewusst in die Tradition des deutschen Militarismus und bekennt sich zum Zwei-Prozent-Ziel der NATO. Sie ist für die Wiedereinführung der Wehrpflicht und befürwortet die deutsche Atombombe zur „Verteidigung nationaler Interessen“. Und nach der Zeitenwenden-Rede von Olaf Scholz zeigte sie sich stolz darüber, dass die Bundesregierung nun endlich die Politik der AfD umsetze.
Und trotzdem wirbt Tino Chrupalla schon seit längerem mit dem Ursymbol der Friedensbewegung, der Friedenstaube. Björn Höcke hat in seine Reden den Slogan „Frieden schaffen ohne Waffen“ übernommen. Und die Bundestagsfraktion organisierte ein Friedenskonzert mit Stücken von Tschaikowski. Nicht erst also seit Chrupalla den Aufruf öffentlichkeitswirksam unterzeichnete und dabei sagte, in Kriegszeiten müsse man über Parteigrenzen hinweg zusammenstehen, wurde deutlich: Die AfD versucht sich als Friedenspartei zu generieren. Wenn sie aber kein Interesse an einem schnellen Ende des Krieges und einer Abkehr von der eskalierenden Außenpolitik haben, stellt sich die Frage, worin genau ihr Interesse an der Friedenskundgebung besteht. Die Antwort darauf ist: Spaltung! Die außenpolitischen Positionen der AfD stehen nicht nur diametral zum Parteiprogramm der LINKEN, sondern auch zu den im Aufruf „Manifest für Frieden“ vertretenen Positionen. Wenn die AfD also nach Berlin mobilisiert, dann nicht, weil sie die Friedensbewegung stärken, sondern weil sie diese schwächen möchte.
Kein Interesse an Frieden
Ebensowenig wie die AfD haben auch die übrigen Parteien im Bundestag kein Interesse an einem machtvollen Friedensstatement am kommenden Samstag, denn sie befürworten mehrheitlich diesen Krieg. Was die AfD mit ihrer Anwesenheit versucht, tuen die Vertreterinnen und Vertreter der anderen Parteien, indem sie die Legende vom Hufeisen bemühen. Demnach liegen ganz rechts und ganz links politisch eng beieinander. Dieses Rechts-Links-Framing soll den Protest diskreditieren und das bürgerliche Lager abspalten. Nicht grundlos also bezeichnen Politikerinnen wie Kathrin Göring-Eckardt das „Manifest“ als „naiv“ und „unehrlich“. Der Politologe Herfried Münkler nannte es ein „verlogenes, kenntnisloses Dahergerede“. Diese Erzählung wird begleitet von Szenarien, wie der Spiegel sie aufmachte, die Kundgebung würde am Samstag von Zehntausenden Rechten überrannt werden. Diese Reaktionen auf den Aufruf üben einen enormen Druck vor allem auf die Erstunterzeichner aus und sollen zugleich die Menschen verunsichern, sich dem Protest anzuschließen. Die ehemalige Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche, Margot Käßmann, die noch vor wenigen Tagen den Aufruf öffentlich verteidigte und den einseitig geführten politischen Diskurs kritisiert hatte, hat ihre Unterschrift inzwischen zurückgezogen. Dieser Rückzug ist kein Ausdruck von Schwäche, sondern zeigt, wie groß der Druck auf die Erstunterzeichner ist.
Der Umgang der LINKEN mit dem Aufruf müsste von zwei Fragen geleitet sein: Trägt er erstens dazu bei, der Position für Friedensverhandlungen eine öffentlich wahrnehmbare Stimme zu geben. Und zweitens, wem nutzt es, wenn der Protest klein und überschaubar bleibt. Die Stärke des Aufrufes ist es, dass er sich in seiner Ansprache nicht auf ein linkes Spektrum reduziert, sondern bis weit ins bürgerliche Milieu unserer Gesellschaft hineinreicht. Er spricht Menschen an, die vielleicht noch nie in ihrem Leben auf einer Friedensdemonstration waren, jetzt aber Angst vor einer Ausweitung des Krieges haben. Die 600.000 Unterschriften innerhalb weniger Tage spiegeln das wachsende Unbehagen in der Bevölkerung wider und geben ihm einen sichtbaren Ausdruck. Und genau das ist es, was die Bundesregierung in ihrem Eskalationskurs am allerwenigsten gebrauchen kann. Deshalb ist es kein Zufall, dass der CDU-Politiker Roderich Kiesewetter eine Petition mit dem Titel „Die Ukraine jetzt aufgeben? Nicht in unserem Namen“ gestartet hat, der sich als Gegenaufruf zu Wagenknecht und Schwarzer versteht. Im Kern geht es nicht um Wagenknecht, Schwarzer oder Lafontaine, sondern um die Stärkung des deutschen Militarismus. Die Kriegstreiber in diesem Land wollen Krieg, und sie ziehen dafür alle Register.
Fehler der Linken
Wenn DIE LINKE sich der Mobilisierung für die wohl wichtigste friedenspolitische Initiative seit 20 Jahren verweigert, begeht sie gleich zwei Fehler: Sie trägt zum einen dazu bei, dass ein starkes Friedenssignal möglicherweise ausbleibt und außenpolitisch mindestens ein „Weiter so“ zur Folge hätte. Gleichzeitig aber bleibt sie in der Auseinandersetzung mit der AfD um die Deutungshoheit in der Friedensfrage passiv. Die AfD unterstützt den deutschen Militarismus mit den am weitestgehenden Positionen. Deshalb versteht sie sich als Rammbock gegen die Friedensbewegung und bemüht sich nach Kräften, diese handlungsunfähig zu machen. „Geschichte wiederholt sich nicht, aber sie reimt sich“, soll Mark Twain einmal gesagt haben. Deshalb ist es wichtig zu verstehen, dass faschistische Parteien sowohl aufgrund ihrer Programmatik abzulehnen sind, als auch weil sie eine Funktion haben: Sie spalten. In den 1930er Jahren war das die Arbeiterbewegung, aktuell spalten sie die Friedensbewegung.
Vor diesem Hintergrund ist es ein richtiger Impuls in der LINKEN, an die antifaschistischen Kernpositionen der Partei zu erinnern: Mit Faschisten kann man nicht für den Frieden demonstrieren. Das galt immer und das gilt auch heute. Aber die wirksamste Bekämpfung faschistischer Bewegungen ist nicht nur eine Frage der Beschlusslage, sondern erfordert eine entschlossene und breite Mobilisierung. Wer den Initiatorinnen des Aufrufs vorwirft, die Gefahr der AfD zu unterschätzen und deshalb nicht zur Kundgebung mobilisiert, muss sich die Frage der Unterschätzung ebenso gefallen lassen. „Man darf nicht warten, bis aus dem Schneeball eine Lawine geworden ist. Man muss den rollenden Schneeball zertreten. Die Lawine hält keiner mehr auf. Sie ruht erst, wenn sie alles unter sich begraben hat“, hat Erich Kästner über die wachsende faschistische Gefahr in den 1930er Jahren gesagt. Auch aus historischen Gründen ist die LINKE gut beraten, ihrem Handeln eine sorgfältige Analyse gesellschaftlicher Kräfteverhältnisse zugrunde zu legen. Der Krieg in der Ukraine ist längst zum Spielfeld geopolitischer Interessen geworden. Nur ein schnelles Ende des Krieges, herbeigeführt über Verhandlungen, hilft den Menschen in der Ukraine und rettet Leben. Hinter der Erzählung, Verhandlungen seien nicht möglich, verbirgt sich der Wunsch, den Krieg weiterzuführen. An den antifaschistischen Kernpositionen der Partei festzuhalten, müsste also bedeuten, die Friedensbewegung gesellschaftlich so stark zu machen, dass die Positionen von Chrupalla und Elsässer keinen Auftrieb mehr haben und jede ihre Mobilisierung zum politischen Fiasko wird.
Die Erzählung, das Bündnis von Schwarzer und Wagenknecht sei ein Querfrontbündnis, ist eine bürgerliche Erzählung, die das Lager der Kriegstreiber stärken soll. Dieses Framing richtet sich gegen die gesellschaftliche Linke und es kommt von denjenigen, die ohne mit der Wimper zu zucken, gemeinsame Sache mit der extremen Rechten machen, wie jüngst im Europäischen Parlament geschehen. In einem fraktionsübergreifenden Antrag forderten Konservative, Sozialdemokraten, Liberale und Grüne gemeinsam mit den Faschisten die 27 EU Mitgliedsstaaten dazu auf, die militärische Unterstützung der Ukraine „erheblich zu verstärken“ und die Entsendung von Kampfjets in die Ukraine „ernsthaft in Erwägung zu ziehen“. Diejenigen also, die der LINKEN vorwerfen, gemeinsame Sache mit der AfD zu machen, scheuen sich nicht, gemeinsame Anträge mit Faschisten einzubringen, wenn es um noch mehr Waffen, noch mehr Sanktionen und noch mehr Eskalation im Ukrainekrieg geht.
DIE LINKE darf diesen Positionen nicht auf den Leim gehen, sondern muss sich klar positionieren: Unterstützung der Friedensbewegung bei gleichzeitiger Positionierung gegen rechts.
Eine Antwort
Ich lese immer wieder, dass die AfD gefährlich ist. Und das stimmt. Es wird aber zu wenig beachtet, dass die AfD ein Ablenkungsmanöver des bürgerlichen Blocks ist. Die linken Kräfte sollen sich mit der extrermen Rechten zerraufen, damit die bürgerlichen Kriegstreiber in Ruhe in „der Mitte der Gesellschaft“ ihre Politik in Ruhe organisieren. Während die AfD vorgibt, für den Frieden zu sein, organisieren die bürgerlichen Parteien, gegen den Willen ihrer eigenen Mitglieder, mit scheinheiligen und perfiden Argumenten ihre friedensverhindernden Aktivitäten.
Es ist tragisch, dass ein Großteil der friedliebenden Bürger nicht erkennt, zu wessen Vorteil der Krieg geführt wird.
Geostrategie der USA: USA oben, Russland draußen, Deutschland unten.
Wer das nicht begreift, begreift den Krieg nicht.