Finnland: Zwischen Sozialdemokratie und Rechtsruck

Gestern hat Finnland sein Parlament gewählt und die Wahlen werfen ihren Schatten auf die kommenden Europawahlen im Land. Insgesamt gab es einen leichten Linksruck, wobei die rechte Partei, trotz deutlichem Rechtsruck in den Positionen und einer Spaltung, stabil blieb.

Vor wenigen Monaten zerbrach die finnische Regierung an der Frage der Reformierung des Gesundheitssystems, doch schon vorher gab es in der Regierung vermehrt Streit. So spaltete sich ein Teil der „wahren Finnen“ ab, nachdem der faschistische Flügel die Macht in der Partei übernommen hatte und aus der Regierung ausgetreten war. Zu Beginn der Regierungskoalition gab es größere gewerkschaftliche Auseinandersetzung, da die Regierung die Arbeitsrechte einschränkte. Dies führte dazu, dass der finnische Premierminister und Multimillionär Juha Sipilä vor wenigen Wochen Neuwahlen ankündigte.

Linker Aufbruch?

In vielen Medien ist nach den Wahlen zu lesen, dass es einen linken Aufbruch in Finnland gegeben hatte, da die Sozialdemokratie erstmals seit Jahrzehnten die Wahlen gewonnen hatte. Doch ihr Sieg, der nur einen Zuwachs von 1,2 Prozentpunkten entsprach, war vor allem der Schwäche der anderen geschuldet, so verloren sowohl die nationale Sammlungspartei 1,2% und die Zentrumspartei des vorherigen Premiers Juha Sipilä sogar 7,3 %. Deutliche Gewinne konnten nur die Grünen mit 3 Prozentpunkten mehr einfahren, doch auch die Linke gewann 1,2% hinzu und auch die oppositionelle christdemokratische Partei gewann marginale 0,5 Prozentpunkte hinzu. Insgesamt verloren alle Regierungsparteien an Stimmen, wobei es das vorher regierende Zentrum am deutlichsten traf. Die Folge dieser Entwicklung ist eine starke Polarisierung zwischen den noch weiter nach rechtsgerückten „wahren Finnen“ und dem sozialdemokratisch-grünen Block.

Für die kommenden Europawahlen stehen dabei vor allem drei Fragen im Zentrum der Debatte. Zum einen die Frage wie das Gesundheitssystem des Landes reformiert werden kann, wobei sowohl Sozialdemokratie als auch Linke und partiell die Grünen eine Stärkung der Grundrechte fordern, während fast alle anderen Parteien für irgendeine Form der Neoliberalisierung sind. Die zweite Auseinandersetzung, von der vor allem die Grünen profitiert haben, ist die Frage des Klimaschutzes. Drittens findet, wie in vielen anderen europäischen Ländern auch, eine Debatte um Migration statt, während die Zentrumsparteien eine Migration nach Nützlichkeitskriterien befürworten, lehnen die „wahren Finnen“ Migration in Gänze ab. Grüne und Linke dagegen fordern eine stärkere humanistische Migrations- und Fluchtpolitik.

Ausblick auf die Europawahl
Für die kommenden Europawahlen dürfte, bei annähernd ähnlichen Wahlergebnissen, die Sozialdemokratie, die wahren Finnen und Grünen einen Sitz hinzugewinnen, während die nationale Sammlungspartei und das Zentrum wohl Verluste hinnehmen müssten. Insgesamt ist aber nicht von starken Verschiebungen innerhalb der finnischen Abgeordneten zu rechnen, spannender dürfte dagegen die Frage werden, wie die Sozialdemokratie eine Regierung bilden will und ob die Linke sich nach ihren bisherigen schlechten Erfahrungen mit Regierungsbeteiligung wieder für eine Regierung hergibt.


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2 Antworten

  1. Der realistischste Kommentar, den ich zur Finnland-Wahl gelesen habe. Faktisch hat rot-rot-grün um 5,4% zugelegt, kein Ruck, aber immerhin merkliche Gewinne. Und die rechten Parteien PS und KOK haben zusammen 1,4% verloren, ebenfalls kein Drama, aber jedenfalls kein Gewinn.

    Wenn sich nun Medien wie die BILD hinstellen und von „Rechtsruck“ schreiben, hat das nichts mit den Fakten der Wahl zu tun.

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