Die Situation in Palästina mit Israels brutaler Kriegsführung löst auch in Deutschland heftige Debatten aus. Trotz erhöhter Repression hat sich jenseits des traditionellen Parteienspektrums eine starke palästinasolidarische Bewegung formiert. Am 30.05 fand auch in Halle an der Saale eine palästinasolidarische Demonstration statt, organisiert von der lokalen Gruppe Students for Palestine Halle.
Wie auch woanders in Deutschland ist in Halle noch ein anderer Teil der Linken stark, solche, die sich einst unter dem Label „antideutsch“ zusammenfanden und über die Jahre immer extremere zionistische Positionen vertreten. In der aktuellen Situation verharmlosen sie die Lage in Gaza, feuern die israelische Armee an oder verfolgen und diffamieren, oft auch in Zusammenarbeit mit der Polizei und konservativen Medien, palästinasolidarische Aktivist*innen.
Gegen die Demonstration in Halle fanden sich diese antideutschen, selbst ernannten Antifaschisten zusammen mit dem Ziel die palästinasolidarische Demo zu stören, als ob es sich um einen Nazi-Aufmarsch handle. Mit dabei und ganz vorne: Die Landtagsabgeordnete der Linken Henriette Quade, zu sehen auf einer Kundgebung, an der die Flagge der israelischen Armee IDF gezeigt wurde.
Dass die Partei Die Linke und ihr Jugendverband ein Problem mit antimuslimischen und antipalästinensischen Rassismus haben, wurde nicht zuletzt an dieser Stelle überdeutlich. Gegen diese Zustände hat sich jetzt jedoch Widerstand gegründet.
Der Bundesarbeitskreis (BAK) Klassenkampf hat sich aus verschiedenen Genoss*innen der linksjugend [’solid] gegründet, um den Jugendverband auf einen linken, klassenkämpferischen Kurs zu bringen. Auch möchten wir auf die Mutterpartei einwirken. Mittlerweile sind wir mit über 2.600 Follower*innen auf Instagram weit über den Jugendverband hinaus bekannt. In diesem Beitrag möchten wir den Leser*innen einen kleinen Einblick in unsere Grundsätze, unsere Ziele und in die derzeitige Lage des Jugendverbands geben.
Als antiimperialistischer Zusammenschluss ist es unser Ziel, den Imperialismus als höchste Form des Kapitalismus anzuprangern und zu bekämpfen. Wir machen in dem Zusammenhang deutlich, dass unser Kampf über die Grenzen der BRD hinweg zu führen ist. Mittlerweile sind rund 110 Genoss*innen in unserer Aktivengruppe, in der neben Organision oder Bildung auch ein konstruktiver Austausch über die aktuellen politischen Themen im und außerhalb des Jugendverbands stattfindet. In unserer Onboardinggruppe sind mittlerweile über 340 Interessierte, die wir mit Informationen über unsere Aktivitäten stets auf dem Laufenden halten.
Bedauerlicherweise gefällt das nicht allen. Sowohl aus dem eigenen Jugendverband als auch aus unserer „Mutterpartei“ Die Linke werden wir oft mit harscher Kritik überzogen. So wurde beispielsweise auf dem letzten Bundeskongress des Jugendverbands eine Rede gehalten, in der davon gesprochen wurde, dass der Antisemitismus in linken Kreisen immer weiter anstiege und es förmlich eine „Eintrittswelle in die Hisbollahjugend“ im Jugendverband gäbe. Dies ist nur eines der Beispiele, an denen unsere Genoss*innen diskreditiert und eingeschüchtert werden sollen. Wenn wir die Verbrechen Israels in Gaza als Genozid bezeichnen oder die Politik Israels als Apartheid, wird dies oft mit pauschalen und unbegründeten Antisemitismusvorwürfen beantwortet.
Unser Ziel im Jugendverband ist es deshalb, den antideutschen „Konsens“ – der über Jahrzehnte hinweg hegemonial war – zu brechen und ihn durch ein klares Bekenntnis zu Antiimperialismus und Antirassismus zu ersetzen. Es ist unsere Pflicht als größter sozialistischer Jugendverband in der BRD, klar die Ursachen für Kriege zu benennen und den wahren Feind zu erkennen; Karl Liebknechts Losung „Der Hauptfeind steht im eigenen Land“ hat nichts an Aktualität eingebüßt.
In diesem Zuge müssen wir uns eindeutig und unmissverständlich für Antimilitarismus, Abrüstung und Frieden einsetzen, etwas, was Die Linke im Moment sträflich vernachlässigt. Krieg ist immer eine Endlosspirale und geht mit einem erhöhten Maß an Unterdrückung einher. Bereits jetzt sehen wir, wie zu Gunsten der Aufrüstung soziale Kürzungen durchgesetzt werden und der Chauvinismus alter Tage wieder bedient wird. Auch Rassismus, Antisemitismus, Queerfeindlichkeit und Behindertenfeindlichkeit werden durch dieses Klima begünstigt.
Einer unserer größten Erfolge gegen die Hegemonie im Verband war die Ablösung des alten Beschlusses zu Antisemitismus auf der 2. Tagung des 16. Bundeskongresses der linksjugend [’solid].
Enthielt der alte Beschluss noch den vom antikommunistischen Likud-Politiker Natan Scharanski entwickelten 3D-Test, nutzt der jetzige Beschluss die deutlich differenziertere Jerusalemer Erklärung des Antisemitismus.
Mit welchen Mitteln Teile des Verbandes die antideutsche Ideologie bewahren wollen, zeigen die in unsere Richtung geäußerten Vorwürfe, wir seien „Antisemit*innen wie vor 1945“. Diese den deutschen Faschismus und deren Verbrechen verharmlosende Beleidigung zielte allein darauf internationalistische Genoss*innen zu diskreditieren, zeugt aber gleichzeitig von einem ahistorischen und an die „Deutsche Staatsräson“ angelehnten Verständnis des „Nahost-Konflikts“.
Bis zur Anerkennung der JDA-Definition wurde selbst das Betiteln des israelischen Regierungssystems als „Apartheidssystem“ skandalisiert und dadurch die Aufmerksamkeit weggelenkt von dem echten Antisemitismus, dem Jüdinnen und Juden – sowohl in Deutschland als auch in der ganzen Welt – ausgesetzt sind.
Häufig sind auch Aussagen wie „Dann geh doch nach Palästina als queere* Person und schau, wie lange du überlebst.“ Hier wird erneut das rassistische Bild bedient, welches Palästina als eine Gesellschaft der Barbaren darstellt, die durch Israel „befreit“ werden muss. Ein offensichtlicher Fall von Pinkwashing zugunsten Israels und ein Verkennen, dass queere* Menschen in Palästina wohl eher durch israelische (oder US-amerikanische, deutsche, britische… eine gesamte Aufzählung würde an dieser Stelle den Rahmen sprengen) Bomben sterben würden, als durch queerfeindlich motivierte Gewalt.
Starke Verfechter dieses antideutschen „Konsens“ sind einzelne Landesverbände, aber auch innerverbandliche Arbeitskreise wie der BAK Shalom oder der LAK Sisyphos Thüringen, von denen wir uns – wenn das noch nicht klar genug geworden ist – entschieden distanzieren.
Parallelen sehen wir aber auch zu unserem Kampf um dem „Konsens“ der Partei Die Linke bezüglich Friedenspolitik und Antimilitarismus. Stellungnahmen sind inzwischen nur noch „weichgewaschen“, wohl um enttäuschten Grünen und Bauchlinken zu gefallen. Durch den Rücktritt des Bundesvorstands sowie einzelner Landesvorstände der Grünen Jugend kann damit gerechnet werden, dass sowohl Partei als auch Jugendverband sich auf dieses Personenspektrum stürzen und versuchen werden, die liberalen Positionen anzunehmen, weil man sich damit erhofft wieder an Relevanz und Zustimmung zu gewinnen.
Diese Entwicklungen erachten wir als sehr problematisch. Mit welcher Inbrunst Teile der Partei sich zu Waffenlieferungen und einer weiteren Eskalation des Ukrainekriegs oder zur Unterstützung Israels bekennen, erschreckt uns.
Wir vermissen jegliche Solidarität mit den unterdrückten Völkern dieser Erde. Völkerfreundschaft und Internationalismus sind zu Fremdwörtern in dieser Partei geworden. Hoffnung geben uns einige Abgeordnete sowie Stadt- und Kreisverbände, die sich nicht beirren lassen und weiterhin am Kampf für Frieden beteiligen.
Als BAK Klassenkampf stellten wir so auch einen Antrag an den Parteivorstand sowie die Bundestagsgruppe Die Linke, Palästina als souveränen Staat anzuerkennen und sich als Partei geschlossen dafür auf allen Ebenen einzusetzen. Noch ist öffentlichkeitswirksam seitens der Partei nicht viel passiert, was wir sehr schade, aber auch wiederum sehr aussagekräftig finden.
Zum Schluss ist es uns wichtig gegen die innerhalb von Deutschland um sich greifenden Repressionen zusammenzustehen.
Wir stehen solidarisch mit allen, die Polizeigewalt, willkürlichen Strafverfahren, Hetzkampagnen und ähnlichem ausgesetzt sind, nur weil sie öffentlich den Genozid und die israelische Apartheid anprangern. Wir wollen selbstverständlich diejenigen im Verband abholen, die das ähnlich wie wir sehen, aber auch über Verbandsgrenzen hinaus agieren möchten. Innerhalb der letzten Monate ist unser Netzwerk stark gewachsen und wir sind in zahlreiche Bündnisse eingegliedert.
Wir als BAK Klassenkampf sind jederzeit bereit, unsere Reichweite zu nutzen, um organisiert zusammen zu kämpfen.
Für Solidarität mit allen Unterdrückten. Freundschaft!