Während die große Aufmerksamkeit auf den Ukraine-Konflikt gerichtet ist, fliegt der NATO-Partner Türkei erneut völkerrechtswidrige Angriffe in seinen Nachbarländern: Die Türkische Luftwaffe bombardiert seit letzter Woche wieder kurdische Stellungen in Nordsyrien (Rojava) und im Nordirak (Südkurdistan).
Einige Tage zuvor hatte der sogenannte „Islamische Staat“ (IS) in einer großangelegten Offensive versucht, gefangene IS-Kämpfer in Nordsyrien zu befreien. Bei beiden Angriffen kamen Duzende Menschen ums Leben, zudem gab es viele Verletzte. Ob es nur Zufall ist, dass beide Angriffe zeitlich fast zusammenfielen, darf bezweifelt werden. Die Kollaboration zwischen Erdoğans Türkei mit diversen dschihadistischen Terrororganisationen wie dem IS ist jedenfalls kein Geheimnis.
Das Schweigen der Bundesregierung
An vielen Orten in Deutschland gab es Protestaktionen. Ich habe mich an einer Kundgebung in Mannheim beteiligt. Trotz der vielen Proteste und der alarmierenden Berichte aus der Region schweigt die Bundesregierung zu diesen Angriffen.
Dabei sind die kurdischen Strukturen ein wichtiger Faktor im Kampf gegen den IS und andere dschihadistische Terrororganisationen. Mehr Stabilität in dieser Region bedeutet auch mehr Sicherheit in Europa.
Warum aber gibt es keine Reaktion der Bundesregierung in dieser Frage, wie es sie etwa beim aktuellen Ukraine-Konflikt gibt? Warum wird es toleriert, wenn die angegriffenen Menschen Kurden sind, und weshalb werden völkerrechtswidrige Verstöße der Türkei derart ignoriert?
Neue Koalition, alte Türkei-Politik?
Die Regierungskonstellation und die Besetzung des Außenministeriums mögen sich geändert haben, aber die Politik gegenüber der Türkei und den Kurden hat es bislang nicht. Die Bundesregierung wahrt weiterhin ihre Treue zum NATO-Partner Türkei, und auch jüngste Verlautbarungen aus dem Bundesinnenministerium lassen darauf schließen, dass es auch in Deutschland keine Änderung in der Haltung gegenüber kurdischen Organisationen geben wird.
Ich fordere die Bundesregierung auf, endlich die völkerrechtswidrigen Angriffe der Türkei klar und deutlich zu verurteilen! Es wird endlich Zeit, dass die deutsche Außenpolitik in Bezug auf Erdoğan zu einer werteorientierten Politik findet!
Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages hatten bei den militärischen Angriffen der Türkei zwischen dem 14. und dem 17. Juni 2020 im Nordirak Verstöße gegen das Völkerrecht bestätigt (Quelle). Doch schon damals schwieg die Bundesregierung zu den Übergriffen ihres Bündnispartners, so wie sie es heute wieder tut. Deutschland unterstützt das Erdoğan-Regime – politisch, wirtschaftlich und militärisch. Die Bundesregierung lässt Völkerrechtsbrüche durch die Türkei unkommentiert geschehen.
Zugleich nehmen die Repressionen in der Türkei gegen Oppositionelle und Medienschaffende weiter zu. So hat die türkische Medienaufsichtsbehörde RTÜK es nun auch auf ausländische Medien abgesehen. Sie verpflichtete diese Woche ausländische Medienhäuser, darunter die Deutsche Welle und euronews, kurzfristig eine Sendelizenz zu beantragen. Kommen sie der Aufforderung nicht nach, werden sie gesperrt.
Durch diese neuerliche Einschränkung der Presse- und Medienfreiheit wird die freie und demokratische Willensbildung in der Türkei weiter eingeschränkt. Ich finde das alarmierend und frage mich: Wie lange will die Bundesregierung noch wegschauen, anstatt deutlich Position zu beziehen für Demokratie und Frieden in der Türkei und der Region?