Die EU ist Privatisierungen, Sozialabbau und Niedriglöhnen verpflichtet – Im Gespräch mit Inge Höger

Die EU und der EURO sind in Deutschland immmer wieder ein heiß diskutiertes Thema, meist wird eine Kritik an beiden dabei als nationalistisch abgetan. Nun organisiert eine Strömung der Linkspartei, die Antikapitalistische Linke, eine Konferenz unter dem Titel „Welche Alternative zum €uro und zur neoliberalen EU brauchen wir?“. Wir haben mit der Bundestagsabgeordneten und Bundessprecherin der AKL, Inge Höger, über die Konferenz und die Gründe für die Debatte gesprochen.

Die Freiheitsliebe: Am 28.1 findet die Konferenz „Welche Alternative zum €uro und zur neoliberalen EU brauchen wir?“ statt, aber brauchen wir überhaupt eine Alternative?

Inge Höger: Die Versprechen der EU von Wohlstand und Frieden für alle haben sich schon lange ins Gegenteil verkehrt. Ziel der EU war von Anfang an die Förderung von Freihandel innerhalb eines großen Wirtschaftraums zu Gunsten von großer Konzerne. Vor allem die Zeit der größten Wirtschaftskrise 2006-2008 hat gezeigt, wie rücksichtlos Banken und Konzerne gerettet werden, da sie angeblich systemrelevant sind. Und das alles auf Kosten der Menschen insbesondere in den Ländern an der Peripherie der EU. Die Austeritätspolitik hat zu Deindustrialisierung, Privatisierung, Sozialabbau und massiver Erwerbslosigkeit geführt. Der Versuch von Syriza, einen anderen Weg zu gehen, wurde mit neuen Spardiktaten unterdrückt. Selbst der Präsident der EU, Jean-Claude Junker, stellte nach dem Brexit fest, „dass wir es in Teilen mit einer existenziellen Krise der Europäischen Union zu tun haben.“ Zu der trotz oder gerade wegen aller Spardiktate nicht beendeten Krise in Griechenland kommt der Brexit. Eine andere als imperialistische Politik ist mit der EU offensichtlich nicht zu machen. Deshalb wollen wir über Alternativen diskutieren.

Die Freiheitsliebe: Gysi und andere Politiker der Linkspartei meinen man könnte die EU durch ein paar Gesetzesänderung zum positiven Wandeln, wie siehst du das?

Inge Höger

Inge Höger: Die Verträge von Lissabon können ja nicht durch einfache Gesetzänderungen verändert werden, sondern nur wenn alle Mitgliedsländer zustimmen. Und bisher ist jeder Versuch, die EU demokratisch und sozial zu gestalten von den wirtschaftlich starken Mitgliedsländern, insbesondere vom Exportweltmeister Deutschland unterbunden worden. Die griechischen Erfahrungen haben gezeigt, dass ein Ende der aufgezwungenen Sparpolitik gegen die Regeln der EU und des Euro verstoßen und nicht hingenommen werden. Nun ist das Zentralprojekt des europäischen und da vor allem des deutschen Kapitals in eine tiefe Krise gekommen ist. Die Spaltungslinien verschärfen sich. Die Mehrheit der Bevölkerungen lehnt die EU ab, das zeigen alle bisherigen Abstimmungen und Umfragen. Ebenso eine Mehrheit der Eliten in Frankreich, Italien und Polen.

Die Freiheitsliebe: Siehst du das Hauptproblem in der Währung oder den grundlegenden Mechanismen der Union?

Inge Höger: Das Hauptproblem liegt sicher wie die Folgen der Finanzkrise gezeigt haben, in der Währung. Gerade mit dem Euro entwickelte die deutsche Wirtschaft einen massiven Druck auf schwächere Volkswirtschaften. Schon diese Politik hat zu Deindustrialisierung in vielen Ländern geführt. Die Agenda 2010 und der damit verbundene Sozialabbau und die Ausweitung des Niedriglohnsektors in Deutschland haben den Druck auf den Euro noch mal verschärft. Im Grunde hat die unsolidarische deutsche Politik den Euro im Kern zerstört. Da das deutsche Kapital und ihre Regierung sich nicht auf eine Begrenzung des Kapitalexports einlassen und von allen anderen Euro-Ländern weiteren Sozialabbau und innere Abwertung fordern, kann der Euro nicht funktionieren.
Aber auch die EU-Verträge und die Mechanismen stehen einem sozialen und friedlichen Europa entgegen. Die EU ist Privatisierungen, Sozialabbau und Niedriglöhnen verpflichtet, sie schafft durch Freihandel und Krieg massenhaft Fluchtursachen und schottet die Grenzen gegen die Folgen ihrer Politik ab. Mit immer weiteren Freihandelsabkommen wie TTIP, CETA und TISA soll die Macht der großen Banken und Konzerne gefestigt, ihre Investitionen gegenüber Ansprüchen von Beschäftigten und Verbraucher*innen gesichert werden.

Die Freiheitsliebe: Bei der Konferenz wird unter anderem auch ein Mitglied der griechischen Volkseinheit sprechen, die sich klar für einen Austritt aus dem Euro ausspricht, wie ist die Position der anderen Teilnehmerinnen und Teilnehmer?

Inge Höger: Die Referentinnen und Referenten sollen über Erfahrungen mit der Austeritätspolitik der EU und das Auseinanderdriften der Eurozone in verschiedenen EU-Ländern berichten, damit wir Alternativen entwickeln können. In Italien gibt es eine breite Diskussion über einen Austritt aus dem Euro, der auch von Teilen der Eliten unterstützt wird. Darüber wird Prof. Sergio Cesaratto von der Universität in Siena berichten. Paul Steinhardt als Mitherausgeber der kritischen Analysen zu Politik und Wirtschaft in Makroskop wird der Frage nachgehen, ob der Euro alternativlos ist. Und auch der Politikwissenschaftler Martin Höpner vom Max-Planck-Institut spricht sich für eine Debatte über demokratische Souveränität aus. Peter Wahl von der NGO WEED hat vor kurzem einen Artikel veröffentlicht mit dem Titel: „Zwischen Eurofetischismus und Nationalismus“. Wir haben zu dieser Tagung kritische linke Wissenschaftler*innen und Politiker*innen eingeladen, um über Alternativen zum Euro und der EU zu diskutieren.

Die Freiheitsliebe: Danke dir für das Gespräch.

Infos zur Tagung: 28. Januar 2017 in Düsseldorf (Bürgerhaus im Stadtteilzentrum Bilk, Bachstr. 145). Mit: Janine Wissler (DIE LINKE), Franziska Lindner (SDS), Peter Wahl (WEED), Alexis Passadakis (attac), Panagiotis Sotiris (LAE – Volkseinheit, Griechenland), Costas Lapavitsas (ehemals SYRIZA), Frank Futselaar (Sozialischische Partei der Niederlande), Sergio Cesaratto (Universität Siena), Paul Steinhardt (Makroskop) u.a.

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