Bei den Parlamentswahlen kam das Forum voor Democratie (dt. Forum für Demokratie), die Partei von Thierry Baudet, als eine der neuen Parteien in die zweite Kammer. Sie stellt sich als eine nette Partei, die ein Befürworter von direkter Demokratie ist, dar. In Wirklichkeit ist die politische Ideologie dieser Partei neofaschistisch.
In den letzten fünfzehn Jahren wurde Muslimhass stetig weiter normalisiert. Gefestigte Politiker gebrauchen ihn um ihren Krieg mit dem nahen Osten zu rechtfertigen und die Aufmerksamkeit von ihrer Abbau- und Austeritätspolitik weg zu lenken. Wilders baute eine Wahlbewegung auf die allein auf Rassismus und Hass basiert.
Währenddessen haben Rechtsextreme , aber auch seriöse Medien, geholfen rassistische Ideen wie die “Islamisierung” zum guten Ton zu machen : Die AD (dt.: Allgemeines Tagesblatt) gibt dem rechtsextremen Propagandisten Wierd Duk jeden Raum um diese Verschwörungstheorie zu verbreiten, aber auch jemand wie Rosanne Hetzberger übernimmt diese Aussagen unkritisch.
Wilders will mit seiner PVV (dt.: Partei für die Freiheit) durch direkte Wahlen – ohne einen Parteiapparat aufzubauen oder eine schwierig zu kontrollierende Bewegung – ins Torentje (Büro des Premierministers, Anm. d. Red.) um der Größte zu werden. Es stellte sich heraus, dass diese Strategie seine Achillesferse sein sollte : VVD (dt.: Volkspartei für Freiheit & Demokratie) und CDA (dt.: Christlich-demokratischer Appell) übernahmen große Teile des PVV-Programms, aber hielten Wilders draussen. Auf diese Weise kommt es zu einem “Premierstreit” zwischen Rutte (Anführer der VDD, Anm. d. Red.) und Wilders.
Baudet
Baudet beabsichtigt eine Partei oder sogar eine Bewegung aufzubauen. Er assoziiert sich öffentlich mit Faschisten von der Vlaams Belang (dt. Flämische Interessen) und der österreichischen FPÖ und sprach einige Jahre zuvor auf der IJzerwake – einer Zusammenkunft von Rechtsextremen in Flandern. Sein Ziel ist es den Erfolg der Alt-Right-Bewegung in den Niederlanden zu kopieren.
Man kann alles über Baudet sagen, aber ein origineller Denker ist er sicher nicht. Seine politischen Ideen gehen, via der Alt-Right, auf den Massenmörder Anders Breivik und die klassische Nazi-Ideologie zurück. Dieser Neofaschismus unterscheidet sich von anderen faschistischen Strömungen dadurch, dass er versucht eine Erneuerung des Faschismus zu sein.
Anders als Neonazigruppen gehen diese Neofaschisten der Symbolik des Faschismus und offenem Antisemitismus aus dem Weg, da sie verstehen, dass dies dem Aufbau einer Bewegung im Weg steht. Das ändert nichts daran, dass Baudets wichtigsten politischen Ideen durch die Nazis entstanden sind – die Unterschiede sind minimal und rein kosmetisch.
Seine politische Ideologie besteht aus 3 Kernelementen : eine essentialistische Ansicht auf “das Volk”, die Idee , dass es eine linke Verschwörung gibt das Volk zu “verdünnen” und die Idee, dass Muslime eine geheime Agenda haben um die Weltherrschaft zu übernehmen.
Blut und Boden
Baudet nimmt den Mund über das niederländische Volk voll. Das Volk sei eins und ungeteilt, unveränderlich und ist untrennbar verbunden mit einer Kultur, einer Nation und – zwischen den Zeilen – einer ethnischen Gruppe. Dies zeigt zum Beispiel seine Auffassung, dass “keine einzige andere Kultur auf der Erde jemals so offen und pluralistisch gewesen [ist] wie es unsere Kultur immer gewesen ist.” Oder seine Ansicht, dass moderne Architektur eine “Tat der Aggression gegen die Gemeinschaft” sein soll.
Dieser Volksessentialismus legt den Fokus weniger auf Rasse als die nazistische Idee der Volksgemeinschaft, aber sie unterscheidet sich nicht wesentlich von ihr. Baudet bezieht sich hier auf seinen “Lieblingsautor”, der unter den Anhängern der Alt-Right beliebte Denker Oswald Spengler. Spengler ist ein Vorläufer der Nazis, die eine eher “kulturalistische” Rassenlehre pflegten und der Namensgeber der Blut und Boden-Theorie.
Der wahre nationale Charakter der “Niederländer” stimmt zufälligerweise mit den Ideen von Thierry Baudet überein: “Es gibt so viele Menschen die unvermindert wichtig sind und die einfach die nationale Kultur schützen wollen”
Dass Baudet weniger Fokus auf Rasse legt – kein sehr populäres Konzept- bedeutet natürlich noch nicht, dass der Begriff in seiner Politik keine Rolle spielt. Im Gegenteil : in einem Interview (ab 21.25) mit Filemon Wesselink gibt er zu, dass Rasse und Kultur “natürlich nicht wirklich so verschieden sind” Und in einem informativen Artikel in de Groene Amsterdammer (dt. “der grüne Amsterdammer”) glaubt Baudet, dass Rassenvermengung die Ursache für das Zusammenbrechen des weströmischen Reichs sei: zu einem gewissen Zeitpunkt war “kein ethnischer Römer mehr übrig”.
Kulturmarxismus
Das ach so wichtige niederländische Volk wird laut Baudet jedoch “von Innen heraus angegriffen” von einer linken Elite. Diese Elite umfasst die modernen Künste (die er übrigens genau so beschreibt wie die Nazis entartete Kunst definierten), fast alle politischen Parteien, die meisten Medien, die multinationalen Konzerne (die anscheinend auch links sind), die Wissenschaft – kurzum : alles und jeder der Baudet nicht zustimmt.
Diese umfassende geheime Verschwörung von Volksverrätern hat nur ein Ziel : die Zerstörung des niederländischen Volkes durch “Verdünnung” und “Vermischung”. Es ist nicht übertrieben dies eine Verschwörungstheorie zu nennen: “Ich kann es mir nicht anders vorstellen, als dass unsere Eliten hinter den Kulissen schwatzen was für Probleme sie uns nun wieder vorsetzen” sagt Baudet.
Warum tut diese Elite das? Weil es Kulturmarxismus ist. Die Theorie des Kulturmarxismus hat Baudet vermutlich dem Naziterroristen Breivik gestohlen. Diese Rechtsextreme Verschwörungstheorie ist tatsächlich eine erneuerte Form der nazistischen Theorie des Kulturbolschewismus. Die (überwiegend jüdischen) Philosophen der Frankfurter Schule hätten nach ihrer Flucht in die Vereinigten Staaten in den 30er-Jahren durch Hollywood die ganze westliche Welt übernommen.
“Nur wenn wir eine vollkommene Verfremdung erzwingen , kann die Weltrevolution noch realisiert werden. Daher die atonale Musik, die beängstigenden Konstruktionen, die unsere Stadtsilhouetten entstellen, aber auch der Enthusiasmus für Massenimmigration und politische Megaprojekte wie die EU” , so fasst Baudet die Theorie zusammen.
Muslimhass
Schließlich wird das Volk auch von außen von Muslimen und der “Islamisierung” angegriffen: der Glaube, dass Muslime eine geheime Verschwörung formen um die Welt zu übernehmen und die Scharia einzuführen. Wie Karim Bettache bemerkte , ist “Islamisierung” vor allem eine Übersetzen der deutschen “Verjudung” ( oder: “Semitisierung”) : die Idee, dass Juden die deutsche Gesellschaft übernehmen, welche ab dem Ende des 19. Jahrhunderts die Basis für den Nationalsozialismus war.
Dass FvD-Berater (dt.: Forum für Demokratie) De Haze Winkelmann der rassistischen “Plan von Kalegri”-Theorie anhängt ist darum kein Zufall, sondern einfach ein Teil der FvD-Politik. Baudet selbst ist ein “Freund” des International Center for Western Values (dt. internationales Center für westliche Werte ) – dem Club von Bat Ye’or (Gisele Littman), der sich die “Theorie” höchstpersönlich aus den Fingern sog.
Der Vergleich mit dem Nationalsozialismus drängt sich erneut auf. Die wenigen echten Unterschiede zwischen dem Weltbild von Baudet und der internationalen politischen Strömung die er vertritt einerseits und dem [Weltbild] von Hitler und seinen Anhängern andererseits ist, dass die Nazis das “Weltjudentum” für alles verantwortlich machten : Sie hätten sowohl hinter der sozialistischen Bewegung als auch hinter dem Großkapital gesteckt und spielten schließlich noch die Rolle von ausländischen Eindringlingen.
Die neue faschistische Ideologie macht “links” für die ersten beiden Dinge verantwortlich und die Muslime für das Letztere. Der Antisemitismus wird auf diese Weise in den Hintergrund verschoben.
Säuberung
Das Ziel von Baudet ist in diesem Licht sehr deutlich : Säuberung des” gesellschaftlichen Körpers” von der Auto-Immunkrankheit (Linke) und des Feindes von außerhalb ( Muslime). Er selbst drückt sich lieber kryptisch aus, aber die Erholung des “Abendlandes” – “eine Welt ohne Islam”, in Baudets Worten – ist sehr deutlich das Ziel.
Die Tatsache, dass er Referenden verwenden will ist nicht verwunderlich. Rechtsextreme in der Schweiz setzen Referenden ständig ein um zu probieren die Rechte von Minderheiten einzuengen und so Grundrechte und internationale Menschenrechtsverträge zu umgehen. Darüber hinaus weiss Baudet aus eigener Erfahrung, dass Rechtsextreme Referenden – mit “jurisitischer” Fragestellung – ausgezeichnet dazu gebrauchen können um sich selbst stärker aufzubauen.
Aber es ist falsch zu glauben, dass das FvD sich auf friedsame Mittel beschränken wird. Baudet spricht ausdrücklich von einem drohenden Bürgerkrieg: durch die “Masseneinwanderung” und die “natürlichen politischen Aspirationen von Muslimen” sollen wir einen “pan-europäischen Bürgerkrieg” erwarten.
Dabei ist gewalttätiger Widerstand gegen “die Aggression gegen das Volk” für Baudet vollkommen gerechtfertigt: die Unruhen in Geldermalsen waren zum Beispiel eine Frage der “Notwehr”, gegen eine “enorme Injektion von Kriminalität in unser Zusammenleben” – wie er die Ankunft eines Asylsucherzentrums beschreibt. Auch an diesem Punkt erweist sich Baudet als loyaler Schüler Breiviks, der die selbe Rechtfertigung für seinen Terroranschlag gebrauchte.
Strategie und Taktik
Laut einem kürzlich erschienenen Artikel in de Volkskrant (dt.: die Volkszeitung) ist die FvD keine rechtsextreme Partei, weil die Abschaffung der parlamentarischen kein Teil ihres politischen Programms ist. Aber dies missachtet die diktatorischen Implikationen von Baudets Weltanschauung. Er beruft sich auf den “Volkswillen”, aber die Mehrheit der Niederländer – Muslime, Linke , Wissenschaftler, Künstler, die “Kartellparteien” und ihr Anhang – sind für ihn kein Teil des Volkes, sondern ein Krebsgeschwür, das entfernt werden muss. Darüber hinaus findet er, dass sein Volk das Recht habe sich mit Gewalt gegen völlig imaginäre Drohungen zu “verteidigen” und so seinen Willen durchzusetzen.
Bedeutet das, dass Baudet plant eine gewaltige Straßenbewegung aufzubauen, so wie Mussolinis Faschisten und Hitlers Nazis es taten? Das scheint nicht sein unmittelbares Ziel zu sein,obwohl die Zusammenarbeit mit lokalen rechtsextremen Parteien wie Leefbaar Rotterdam (dt.: lebenswert Rotterdam) zu einer Beschleunigung dieses Prozesses führen kann. In Kürze will Baudet seine Partei weiter aufbauen und daran arbeiten (Teile) seiner politischen Ideologie weiter zu normalisieren. Er wird dabei von dem braunen Medienkartell unter anderem von GeenStijl (dt.: KeinStil), TPO( The Post Online, Anm. d. Red.), De Dagelijks Standaard (dt.: der tägliche Standard) und Propagandisten wie Wierd Duk unterstützt.
In dieser Hinsicht hat Baudet es nicht eilig und er versteht, dass der Einsatz faschistischer Methoden – der Aufbau von Banden zur Einschüchterung und Terrorisierung von Gegnern und Minderheiten – nur gegen ihn arbeiten würde.
Aber das ändert nichts daran, dass diese Methoden eine logische Konsequenz seiner apokalyptischen und alarmierenden Rhetorik sind. Die Figuren, die an die Ideologie von Baudet glauben, werden früher oder später bereit sein, gegen die allgegenwärtigen Verschwörungen vorzugehen.
Es ist offensichtlich, dass ein Teil der FvD-Unterstützer jetzt mit einer Art Do-it-yourself-Faschismus begonnen hat. Kritiker des Forums, wie Anne Fleur Dekker, haben schon länger mit ernsten Bedrohungen und anderen Einschüchterungsversuchen zu kämpfen.
Aktuell können wir trotzdem nicht sagen, dass das FvD eine faschistische Bewegung ist. Jetzt ist es eine parlamentarische Partei mit einer faschistischen Ideologie, welche die Basis für eine Bewegung solcher Art formt. Aber je länger das FvD es schafft den Charakter ihrer Politik zu verbergen, desto besser gelingt es ihm. Es ist daher von größter Wichtigkeit die Partei zu demaskieren und sie zu zwingen ihr wahres Gesicht zu zeigen. Je früher erkenntlich wird, was sich in dem “respektablen” Kopf von Baudet versteckt, desto effektiver können wir es wieder in den Abwasserkanal drängen.
Der Artikel erschien auf socialisme.nu und wurde von Jeroen van der Starre geschrieben, übersetzt wurde er von Kathy Gebel