Der Imperialismus wird die Qual der Kurden nicht beenden

In einem Nahen Osten, der gepeinigt ist durch die Dominanz des westlichen Imperialismus, war die kurdische Bevölkerung unter den größten Opfern. Als Großbritannien und Frankreich das Osmanische Reich vor fast einem Jahrhundert aufteilten, wurde den Kurden ihr Selbstbestimmungsrecht verwehrt. Stattdessen wurden sie zwischen verschiedenen Staaten – Türkei, Syrien, Irak und Iran- aufgeteilt, die sie für gewöhnlich unterdrückt haben. Diese Schikane dauert bis heute an. Letzte Woche attackierten türkische Streitkräfte Afrin in der kurdisch kontrollierten Region Syriens, die als Rojava bekannt ist. Aber das Problem sind nicht nur die Unterdrückerstaaten, sondern auch die Entscheidung, sich mit imperialistischen Mächten, insbesondere den USA, zu verbünden, die kurdische Anführer manchmal getroffen haben.

Das war lange die Strategie der beiden kurdisch-nationalistischen Parteien im Nordirak, der Kurdischen Demokratischen Partei (KDP) und der Patriotischen Union Kurdistans (PUK) gewesen. Sie nutzten den Golfkrieg von 1991 gegen Saddam Husseins Irak, der von den USA geführt wurde, um eine Enklave herauszulösen, indem sie von dem Schutz durch die Schlagkraft der amerikanischen Luftwaffe profitierten.
Die Invasion in den Irak durch die USA und Großbritannien erlaubte der kurdischen Enklave, sich zu konsolidieren. Sie schien als eine Insel relativer Ruhe inmitten des Chaos, in das der Rest des Irak stürzte.

Der Aufstieg von ISIS und seine Einnahme von Mossul 2014 schien mehr Möglichkeiten zu eröffnen. Die kurdischen Streitkräfte nutzten die Verwirrung in Bagdad aus, um umstrittene Gebiete einzunehmen, hauptsächlich die Ölfelder um Kirkuk. Und sie bekamen massive US-Unterstützung, da sie auf der Seite irakischer Regierungstruppen kämpften, um ISIS aus seinen Stützpunkten zu vertreiben.
Letzten September, als sich der Griff der US-Koalition um Mossul verstärkte, schrieb Masud Barzani, Präsident von Irakisch-Kurdistan und KDP-Chef, ein Unabhängigkeitsreferendum aus. Obwohl er eine überwältigende Mehrheit gewann, hatte er den Bogen stark überspannt.
Die irakische Regierung konnte dank der Hilfe nicht nur der USA, sondern auch der Irans Mossul zurückerobern. Durch den Iran unterstützte schiitische Milizen spielten eine entscheidende Rolle bei der Niederlage von ISIS. Im Oktober, nach dem Fall von Mossul, setzte der irakische Premierminister Haider Al-Abadi einige von ihnen ein, um die Gebiete zurückzuerobern, die die Kurden 2014 eingenommen hatten. Sie fielen schnell, möglicherweise wegen einem Deal zwischen dem Iran und Barzanis Rivalen von der PUK.

Jetzt könnte es eine Wiederholung in Syrien geben. Rojava wurde von der kurdischen YPG (Volksverteidigungseinheiten) herausgelöst, als das Regime von Baschar Al-Assad, das nach dem Aufstand von 2011 um sein Überleben kämpfte, sie zurückließ. Die YPG ist eng verbunden mit der Kurdischen Arbeiterpartei (PKK) verbunden, die einen generationenlangen Krieg gegen den türkischen Staat geführt hat.
Wie im Falle des Irak fanden die USA Gefallen an der YPG als Verbündeten. Die kurdisch geführten Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF), unterstützt durch 2000 US-Soldaten, spielten eine wichtige Rolle in der Offensive, die ISIS schließlich aus seiner Hauptstadt Rakka vertrieb. Sie kontrollieren jetzt 25 Prozent von Syrien.
Das Problem für die USA ist, dass die Niederlage von ISIS den Iran stärkte, der sowohl Assad als auch Al-Abadi unterstützt. So kündigte Washington nächste Woche an, dass es Soldaten in Syrien behalten würde. Das angebliche Ziel war, die SDF zu einer 30000 Soldaten starken Grenztruppe im nordöstlichen Syrien auszubilden.
Tatsächlich war dieser Schritt auf den Iran abgezielt, dem gegenüber Donald Trump eine zunehmend konfrontative Herangehensweise annimmt. Aber in dem komplexen, multidimensionalen Schachspiel, das die Politik des Nahen Ostens ist, machte er sich unvermeidbar die Türkei zum Feind. Die Regierung Recep Tayyip Erdogans hat den Krieg gegen die PKK in den letzten paar Jahren eskaliert, und sie möchte nicht erleben, dass ihr Feind in Syrien stärker wird.
Ein anderer Faktor in der Gleichung ist Russland, das im September 2016 maßgeblich intervenierte, um das Gleichgewicht im Syrischen Bürgerkrieg zugunsten von Assad zu kippen. Russland hat ebenfalls die YPG unterstützt. Aber nach den Verhandlungen mit Moskau in der letzten Woche wurde die in Nafrin stationierte russische Militärpolizei abgezogen.

Effektiv gab Vladimir Putin Erdogan das grüne Licht um zu attackieren, und das tat er. Die USA schauten zu, als ihre kurdischen Schützlinge im Irak erniedrigt wurden. Werden sie das gleiche in Syrien tun?
Was auch immer die Antwort auf diese Frage ist, es ist die kurdische Bevölkerung, die leidet. Lass uns hoffen, dass ihre politischen Führer lernen, dass es nichts bringt, sich mit imperialistischen Monstern wie Trump und Putin zu verbünden.

Ein Beitrag von Alex Callinicos. Alex Callinicos ist führendes Mitglied der Socialist Workers Party (SWP) und Professor für Europäische Studien am King’s College London. Der Artikel erschien zuerst in der Zeitung Socialist Worker. Übersetzt wurde er von Angelo Treichel.

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