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COP27, neuer Gipfel von Greenwashing, grünem Kapitalismus und Repression

Die 27. UN-Klimakonferenz in Sharm-el-Sheikh, Ägypten vom 6. bis zum 8 November 2022 wird massiv von multinationalen Konzernen gesponsert und wird von der Diktatur des Generals Al-Sisi organisiert. Die Glaubwürdigkeit dieses COP ist gleich Null. Es ist eine völlige Illusion zu glauben, dass dort die radikalen Entscheidungen getroffen werden, die notwendig sind, um die Katastrophe ernsthaft auch nur zu begrenzen – geschweige denn, sie auf eine Weise zu stoppen, die in Einklang mit Kriterien von sozialer Gerechtigkeit wäre. In Wirklichkeit geht von COP zu COP der Marsch Richtung Abgrund weiter. Und dieser höllische Mechanismus wird so lange weitergehen, wie nicht eine Vielzahl von Revolten den besitzenden Klassen den Schrecken in die Glieder fahren lässt.

Wie bei den vorherigen Gipfeln geht es auch bei COP27 im Kern um vier Herausforderungen: Reduzierung der Treibhausgasemissionen („Mitigation“), Anpassung an den jetzt nicht mehr umkehrbaren Stand der globalen Erwärmung, Finanzierung der notwendigen politischen Maßnahmen, wobei das Prinzip der gemeinsamen, aber differenzierten Verantwortung respektiert wird. Kurz gesagt: Sowohl im Hinblick auf Minderung der Emissionen und Vorbereitungen zur bestmöglichen Eingrenzung der Folgen kommender Katastrophen wie auch in Bezug auf die Finanzierung der zu treffenden Maßnahmen müssen die reichen Länder, die die historische Hauptverantwortung für die Anhäufung von CO2 in der Atmosphäre tragen, ihrer Verantwortung gegenüber den armen Ländern gerecht werden.

Schlechtes Wetter für das Klima

Was diese vier Herausforderungen im Laufe der jährlichen COPs betrifft, blieb es trotz immer eindringlicher Warnungen von Wissenschaftlern bei folgenlosen Absichtserklärungen. Paris (COP21) und Glasgow (COP26) brachten zwar Ziele zu Papier, unter 1,5 Grad zu bleiben oder die Überschreitung so weit wie möglich zu begrenzen, so dass sie zumindest „deutlich unter 2 Grad Celsius“ bleibt, haben aber nicht die notwendigen Schritte unternommen, um dies in praktisches Handeln umzusetzen. Es wäre ein Wunder, wenn das im Falle von Sharm-el-Sheikh anders wäre.

Tatsächlich findet der Gipfel in einem Klima wachsender interkapitalistischer Konkurrenz und geostrategischer Konfrontation statt. Die Widersprüche verschärfen sich auf allen Ebenen: Zwischen den Mächten, zwischen den Machtblöcken, zwischen Nord und Süd, zwischen den Gruppen. Seit dem Ende der Pandemie, die von Phänomenen wirtschaftlicher Desynchronisation geprägt war – was sich durch die russische imperialistische Aggression gegen die Ukraine noch verstärkte ­­– haben die Spannungen in der Frage der Energieversorgung widersprüchliche Auswirkungen hervorgebracht: einerseits erhöhte Investitionen in langfristige erneuerbare Energien und andererseits eine Wiederbelebung fossiler Brennstoffe [1]. Infolgedessen explodieren die Gewinne im Öl-, Kohle-, Gas- und Rüstungssektor. Weit davon entfernt, sich von den fossilen Industrien zu lösen, startet die Finanzwelt neue Investitionen, durch die die bestehenden Abhängigkeiten sogar noch verstärkt werden. Da gibt es die Phänomene des „technologischen Lock-in-Effekts“ [2], der Treibstofflecks zu und einer verstärkten Tendenz zu bewaffneten Konflikten führt. Kein Wunder, dass die CO2-Emissionen aus der Verbrennung fossiler Brennstoffe und die Methanemissionen im Jahr 2021 Rekordhöhen erreichen [3].

Gleichzeitig häufen sich die Anzeichen dafür, dass die Katastrophe nicht mehr zu vermeiden ist: In Pakistan, in Niger, in Sibirien, in Europa, am Horn von Afrika, in Mittelamerika – überall ist die wachsende Gewalt extremer meteorologischer Phänomene spürbar und erlebbar, und dementsprechend steigt die Zahl der Opfer [4]. Es häufen sich die schrillen Alarmschreie, wie jene, die kürzlich vom IPCC ausgestoßen wurden. Überall sind die einfachen Leute hart getroffen. Wir müssen sofort handeln, und zwar im Sinne sozialer Gerechtigkeit. Aber diese Botschaft findet immer seltener Gehör. Am Ende von Debatten, die schwieriger denn je sind, wäre noch das beste Ergebnis, das von diesem COP zu erwarten ist, wenn die Protagonisten, die ein gemeinsames Interesse daran haben, den Anschein zu erwecken, als ob sie die Situation unter Kontrolle haben, sich am Ende der Konferenz für ein gemeinsames Familienfoto versammeln und schwören, dass sie wieder „einen Schritt nach vorne“ gemacht haben. Das glaubt ihnen ohnehin niemand.

Milderung: Ambitionen auf Halbmast

Zum Zeitpunkt des COP21 (Paris) kamen die Regierungen nicht umhin, die tiefe Kluft zur Kenntnis zu nehmen zwischen den von ihnen geäußerten Klimaplänen (oder „national festgelegte Beiträge“) und dem Ziel, „deutlich unter 2 °C zu bleiben und gleichzeitig die Bemühungen fortzusetzen, 1,5 °C nicht zu überschreiten“ unter Wahrung „differenzierter Verantwortlichkeiten und Kapazitäten“. Daher wurde beschlossen, die Klimapläne alle fünf Jahre zu überarbeiten, um die „Ambitionen zu erhöhen“ – auf allen Ebenen (Minderung, Anpassung, Finanzierung). COP26 (Glasgow) ist bei dieser Aufgabe gescheitert. Da man hinsichtlich der Überprüfung des Stands der Zielerreichung für 2030 (45-prozentige Reduzierung der globalen Emissionen, um auf dem Weg zu maximal 1,5 °C zu bleiben) im Verzug war, einigten sich die Teilnehmer darauf, die „Mitigations“-Komponente ihrer Klimapläne jedes Jahr bis zum Ende des Jahrzehnts zu überarbeiten.

Jede Regierung musste daher den Vereinten Nationen vor dem COP27 eine aktualisierte Version ihrer Absenkungsziele für den CO2-Ausstoß übermitteln. Das UNEP (Umweltprogramm der Vereinten Nationen) hat in seinem jährlichen Bericht über die Lücke zwischen dem, was real getan wird, und dem, was eigentlich in Bezug auf die Reduzierung der Emissionen getan werden sollte, zu bilanzieren. Das Ergebnis dieser Überprüfung ist eine Beleidigung für alle Menschen, die Opfer des Klimawandels sind. Tatsächlich machen die Zusagen für die Durchführung von Maßnahmen weniger als ein (!) Prozent dessen aus, was tatsächlich an Anstrengungen erforderlich ist, um das für 2030 vorgesehene und vereinbarte Ziel der 45-Prozent-Reduzierung der Treibhausgase zu erreichen! Dazu ein paar Beispiele: Die angekündigte Verringerung der Emissionen um 0,7 Gigatonnen wurde lediglich durch eine Aufholjagd der „schlechten Schüler“ (Australien und Brasilien), die vor Glasgow „ihre Ambitionen nicht gesteigert“ hatten, erreicht. Ansonsten gibt es auch in diesem Jahr „schlechte Schüler“: Die Türkei hat überhaupt keine neuen Zusagen vorgelegt, Großbritannien hat eine ähnliche Zusage wie im Vorjahr vorgelegt, Indien und Russland haben Ziele vorgelegt, die mehr Emissionen als ihre früheren Verpflichtungen vorsehen! [5]

Quantität ist nicht das einzige Problem. Eine Gruppe von Wissenschaftlern hat die Qualität der Reduktionszusagen untersucht und festgestellt, dass ein überproportional hoher Anteil aus Baumpflanzungs- und Bodensanierungsprojekten stammt. Insgesamt sollen die Pläne der Regierungen in diesem Bereich angeblich zusätzliche 1,2 Milliarden Hektar erbringen. Das wäre fast ein Zehntel des beispielsweise durch Überschwemmung oder Rodung verlorenen Landes (abzüglich der mit Eis oder Gestein bedeckten Flächen!). Die Bepflanzung dieser Flächen würde zwangsläufig im Widerspruch stehen zu den Erfordernissen der Lebensmittelproduktion. Der größte Teil dieser Fläche (623 Millionen Hektar) würde in Baummonokulturen umgewandelt (sehr schädlich für die Biodiversität). Die tatsächlichen Auswirkungen dieser Plantagen auf Kohlenstoffemissionen und -absorptionen sind nur schwer zu erkennen und stellen sich, wenn überhaupt, dann nur langsam ein. In bestimmten Ökosystemen – zum Beispiel in Savannen – so stellt das IPCC fest, hat diese Technik sogar negative Auswirkungen auf die Absorption von CO2. Bäume pflanzen ist da einfacher – und für die betroffenen Branchen billiger! – als den Verbrauch fossiler Brennstoffe zu reduzieren, Lebensmittelsysteme zu dekarbonisieren oder endlich mit der Entwaldung Schluss zu machen. Dies gilt umso mehr, als diese „Wald-Emissions-Kompensations“-Mechanismen in sehr vielen Fällen weder Gegenstand einer ernsthaften Regulierung noch einer strengen wissenschaftlichen Kontrolle sind. [6]

Das Urteil von UNEP ist eindeutig: „Das 1,5°C-‚Fenster‘ schließt sich.“ Wegen der Untätigkeit der Regierungen, kommentierte der UN-Generalsekretär. Der Grund dafür wird in dem Bericht benannt: „Die meisten Finanzakteure haben entgegen ihrer erklärten Absichten aufgrund ihrer kurzfristigen Interessen gegensätzlichen Ziele („Zielkonflikte“) und nehmen die bestehenden Risiken für das Klima nicht so ernst, wie es eigentlich erforderlich wäre.“ [7] Um es klar auszudrücken: Es geht hier um die eigentliche Grundlage des Kapitalismus: den Wettlauf um Profit zwischen privaten Gruppen, denen die Produktionsmittel gehören. Aufgrund dieser absurden kapitalistischen Logik wird nicht nur die 1,5-Grad-Obergrenze gefährdet. Es besteht auch die Gefahr, dass selbst das Ziel, unter 2 Grad Erwärmung zu bleiben, pulverisiert wird. Laut UNEP würden die derzeitige Politik und die ergänzenden Versprechen (selbst wenn sie eingehalten werden!) tatsächlich zu einer Erwärmung von 2,4 bis 2,6 Grad in diesem Jahrhundert führen. [8]

Anpassung, wie weit?

Da die Erderwärmung teilweise nicht aufgehalten werden kann, stellt sich die Frage der Anpassung immer akuter. Kapitalistische Regierungen greifen das Thema umso bereitwilliger auf, weil sie darin die Möglichkeit sehen, sich neue Märkte in den Bereichen Bauwesen, öffentliche Arbeiten, Regionalplanung usw. zu erschließen. Viele vergessen die sehr deutlichen Warnungen, die vom IPCC ausgesprochen wurden: Milderung und Anpassung sind zwei Seiten derselben Medaille; je stärker die Erwärmung zunimmt, desto mehr nehmen die Anpassungsmöglichkeiten ab.

Es ist möglicherweise nicht mehr möglich, sich an die extremsten Wetterereignisse anzupassen, wie die schrecklichen Überschwemmungen, die diesen Sommer Pakistan heimgesucht haben. Diese Extremwetterereignisse sind das Ergebnis einer Erwärmung von nur 1,1 bis 1,2 Grad im Vergleich zur vorindustriellen Zeit. Es muss klar gesagt werden: Jede Überschreitung der 1,5-Grad-Schwelle erhöht die Gefahr von Zerstörung, Krankheit und Tod für die ärmste Hälfte der Weltbevölkerung, deren Verantwortung für den Klimawandel unbedeutend ist, denen es aber am Lebensnotwendigen mangelt und die vom Standpunkt der Klimagerechtigkeit her eigentlich das Recht haben, deutlich dreimal mehr Energie zu verbrauchen, als sie es im Moment tun. Was die Aussicht einer Erwärmung um 2,4 bis 2,6 Grad betrifft, so gilt ohne Wenn und Aber: Die damit verbundenen Gefahren herunterzuspielen, hieße, Massenmassaker in Kauf zu nehmen, die womöglich ein Ausmaß annehmen, das schlimmer ist als alle völkermörderischen Gräuel, die im zwanzigsten Jahrhundert begangen wurden.

Es ist daher sehr besorgniserregend, gewisse Gerüchte zu hören, die manche Regierungen dazu verleiten, das in Glasgow beschlossene Ziel von 1,5 Grad in Frage zu stellen. Die Mitgliedsländer der G7 wagten es bisher nicht, dieses Ziel anzutasten. Auf ihrem Gipfeltreffen vom 26. bis 28. Juni 2022 unter deutscher Ratspräsidentschaft bekräftigten sie ihren Wunsch, bis 2050 Netto-Null zu erreichen und bis 2030 die CO2-Emissionen um 45 Prozent zu reduzieren. Aber einige G20-Staaten (darunter auch welche aus dem Kreis der G7) sind weniger eindeutig. Das Treffen der G20-Finanzminister am 15./16. Juli 2022 auf Bali war nicht in der Lage, eine eindeutige, unmissverständliche Position zu beziehen. Vor allem beim Treffen der Energie- und Umweltminister der G20-Staaten im August drängten offenbar die Vertreter Chinas und Indiens darauf, den Akzent eher auf die 2 Grad zu legen. Der chinesische Vertreter soll sogar erklärt haben, dass dieses Ziel „wissenschaftlich realistischer“ sei. [9]

Es ist noch zu früh, aus solch fragmentierten Informationen Schlussfolgerungen zu ziehen. Aber eines ist sicher: In allen Ländern ist wohl insgeheim eine bestimmte Anzahl von politischen Führern der Meinung, dass 1,5 Grad unerreichbar sind. Sie warten heuchlerisch darauf, dass infolge der Unzulänglichkeiten der eigenen Politik dann genau das auch so geschieht. Während eines kürzlich geführten Interviews erzählte Greta Thunberg eine vielsagende Anekdote: „Einer der ‚mächtigsten Menschen der Welt‘, mit dem sie ausführlich unter vier Augen sprach, gestand ihr: ‚Wenn wir gewusst hätten, was die Pariser Abkommen wirklich beinhalteten, hätten wir sie niemals unterschrieben!‘“ [10]

Wer wird bezahlen?

Die Einhaltung des 1,5-Grad-Ziels ist nur im Rahmen einer Politik möglich, die dem Prinzip der „differenzierten Verantwortlichkeiten und Kapazitäten“ der Länder strikt Rechnung trägt. Diese 1992 eingegangene Verpflichtung wird allerdings ebenso wenig in die Tat umgesetzt wie die Versprechen, die Emissionen zu reduzieren, in die Praxis umgesetzt werden. Es sind die entwickelten kapitalistischen Länder, die auf die Bremse treten. Der COP von Cancun (2010) beschloss, einen „Green Climate Fund“ einzurichten. Seine Funktion bestand darin, den Ländern des Südens bei der Bewältigung der Klimaherausforderungen in Bezug auf Schadensminderung und Vorbereitung von Städten und Regionen auf die Bewältigung der Folgen von Extremwetterlagen zu helfen. Reiche Länder hatten zugesagt, ab 2020 jährlich hundert Milliarden Dollar einzuzahlen. Dieses Versprechen wurde nicht gehalten. In Glasgow erfuhren wir, dass nur 80 Milliarden zusammen kamen. Der COP26 hat daher beschlossen, eine Debatte über ein neues Ziel für die Zeit ab 2025 zu führen. Diese Diskussion soll 2024 zum Abschluss kommen. Es sieht so aus, als ob man sich 2023 auf 100 Milliarden pro Jahr einigen könnte. Aber die Zahlungen gäbe es hauptsächlich in Form von Krediten, nicht von Spenden. Hingegen ist es, so dass das Prinzip der „getrennten Verantwortlichkeiten“ davon ausgeht, dass die Zahlungen in der Form von Spenden erfolgen!

Ein noch wichtigerer Aspekt der Finanzierungsfrage ist „Loss and Damage“. Die vom Klimawandel am stärksten betroffenen Länder fordern von den reichen Ländern im Katastrophenfall eine Entschädigung. In Glasgow hatten die Entwicklungsländer („G77“) die Einrichtung eines speziellen Fonds zu diesem Zweck gefordert. Die Vereinigten Staaten und die Europäische Union sind strikt dagegen. Sie nutzten den Zeitmangel als Vorwand, um das Problem zu „entsorgen“. Nach den Katastrophen in Pakistan und Niger wird das Thema auf der COP27 allerdings wohl wieder auf die Tagesordnung kommen. Pakistan, das den Vorsitz der G77 führt, veranschlagt die Kosten für Wiederaufbau auf 35 Milliarden Dollar. Im Moment beträgt die Hilfe, die der Fonds erhält, weniger als acht Milliarden, und auch hier wird der größte Teil dieser Summe in Form von Krediten ausgezahlt. Das ist inakzeptabel für ein Land, dessen Auslandsverschuldung bereits 130 Milliarden Dollar beträgt. Zusammen mit dem Anstieg der Energie- und Lebensmittelpreise droht die Weigerung der reichen Länder, für „Verluste und Schäden“ aufzukommen, das Abstürzen der Länder des Südens in eine neue Schuldenspirale zu beschleunigen. Der Architekt der Pariser Abkommen und Leiter der „European Climate Foundation“, Laurence Taubira, hat Recht, wenn er feststellt: „Die Legitimität des gesamten Klimaprozesses der Vereinten Nationen wird in Frage gestellt“, wenn es in Sharm-el-Sheikh an diesem Punkt keine Fortschritte gibt. [11]

Schließlich legte der COP26 großen Wert auf die Mobilisierung des Finanzsektors. Mark Carney, Ex-Gouverneur der „Bank of England“, kündigte triumphierend die Gründung der „Glasgow Financial Alliance for Net Zero“ (GFANZ) an. Banker und Pensionskassen auf der ganzen Welt wurden ganz ungeduldig bei dem Gedanken, ihr Kapital in den Dienst des Klimas zu stellen. Einhundertdreißig Milliarden Dollar waren bereits eingesammelt worden. Ein Jahr später war aber plötzlich die Luft heraus. BlackRock und Vanguard erklärten ganz unverblümt, dass sie Investitionen in fossile Brennstoffe nicht aufgeben werden. Mehrere Partner zögerten, die „Grünheit“ ihrer Investitionen dem Urteil der Vereinten Nationen zu unterwerfen. Sie behaupteten, dass diese Kriterien sie mit dem Kartellrecht in Konflikt bringen würden … [12]

Zynismus, Betrug und Unterdrückung

Noch mehr als bei den vorherigen Gipfeln steht der COP in Sharm-el-Sheikh unter drei Vorzeichen: Zynismus, Betrug und Repression.

Der Zynismus der Sponsoren wird in diesem Jahr von Coca-Cola verkörpert. Die Verschmutzung durch Plastik und die Übernutzung von Süßwasser haben sukzessive die Schwellen der globalen ökologischen Nachhaltigkeit überschritten. [13] In diesem Zusammenhang ist die Tatsache, dass ein Gigant des Wasserraubs und der Vermüllung des Planeten durch Plastik die COP sponsert, vielsagend und bedarf keines weiteren Kommentars. Der multinationale Konzern behauptet kühn, dass seine Unterstützung für den COP „im Einklang mit seinem wissenschaftlich fundierten Ziel steht, seine Emissionen bis 2030 um 25 Prozent zu reduzieren, um dann 2050 null CO2 zu erreichen“. Um den Charakter dieser Aussage deutlich zu machen, reicht es zu erwähnen, dass Coca-Cola seinen Kunststoffverbrauch zwischen 2019 und 2021 um 8,1 Prozent auf 3,2 Millionen Tonnen gesteigert hat.

Was das Thema Betrug anbelangt, haben wir die Wahl. Wir könnten eine Bestandsaufnahme aller sogenannten „Vereinbarungen“ – in Wirklichkeit handelt es sich um einfache Absichtserklärungen – machen, die mit großem Tamtam von Ländergruppen auf der COP26 geschlossen wurden: „Vereinbarungen“ zu Methan, zur Entwaldung, zum Stopp von Investitionen in fossile Brennstoffe, zu „grüner Verteidigung“ und so weiter und so fort. Von alledem bleibt nichts oder nur sehr wenig übrig. Die Kehrseite von solchen Betrugs- und Täuschungsmanövern ist, dass solche Tricksereien schnell an Glaubwürdigkeit verlieren. Es gibt jedoch immer noch tausende von privaten Klimaakteuren, die Ideen ähnlichen Kalibers vertreten. Ein Beispiel unter vielen: die „Independent Science Based Targets“ (ISBT).

Die ISBTs wurden 2015 von großen pro-grünen kapitalistischen Umweltverbänden (wie dem „World Resource Institute“) gegründet und zielten darauf ab, „Netto-Null“-Pläne von Unternehmen (für die die öffentlichen Behörden keine Standards oder Vorschriften festgelegt haben) durch die Wissenschaft zu zertifizieren. In Wirklichkeit begnügen sich die klugen Köpfe von ISBT damit, die Emissionsdaten der Unternehmen für bare Münze zu nehmen und diese „Netto-Null“-Pläne mit einem netten „wissenschaftlich fundierten“ Stempel zu versehen. Da diese Datenbasis als Grundlage für die Net-Zero-Pläne dient, ist selbst plumper Betrug möglich. Die Financial Times, die gewiss keine ökosozialistische Zeitung ist, berichtet vom Fall eines Zellstoff produzierenden Unternehmens, das in seinem Emissionsreport angegeben hat, dass bei Waldbränden 139 Hektar Fläche zerstört wurden. Ein Spezialist für Satellitenbeobachtung von Waldbränden wies allerdings nach, dass in diesem Jahr mehr als 3.000 Hektar Plantagenfläche dieses Unternehmens in Rauch aufgegangen waren und entsprechend viele Emissionen erzeugt worden seien. [14]

Was die Repression anbelangt, beschränken wir uns schließlich darauf, daran zu erinnern, dass 60.000 gewaltlose politische Gefangene in den Gefängnissen von General Al-Sisi schmachten. Der Diktator hat entschieden, dass „sein“ COP in geordneter Weise über die Bühne gehen soll. In dieser Woche nahmen seine Gendarmen laut der ägyptischen Kommission für Rechte und Freiheiten (ECRF) fast 70 Personen fest, die angeblich „Protestpläne“ hatten. Menschen wurden wegen „Verbreitung gefälschter Nachrichten“ festgenommen, nachdem sie Inhalte auf Facebook geteilt hatten, die zu Protesten rund um den Gipfel aufriefen. [15] Laut Al Jazeera wurde auch der indische Umweltaktivist Ajit Rajagopal während eines friedlichen Marsches von Kairo nach Sharm-el-Sheikh festgenommen. Und so weiter.

Dieser COP wird ein neuer Gipfel von Greenwashing, grünem Kapitalismus und Polizeistaat sein. Es ist eine völlige Illusion zu glauben, dass auf diesem Gipfel die radikalen Entscheidungen getroffen werden könnten, die notwendig sind, um die Katastrophe ernsthaft auch nur zu begrenzen – ganz zu schweigen davon, sie auf eine Weise zu stoppen, die das Kriterium der sozialen Gerechtigkeit erfüllt. In Wirklichkeit geht von COP zu COP der Marsch in Richtung Abgrund weiter. Dieser höllische Mechanismus wird so lange weitergehen, bis eine Konvergenz der Revolten die besitzenden Klassen erzittern lässt. Es liegt an uns, an dieser Perspektive zu arbeiten.

Daniel Tanuro lebt in Belgien. Er ist Agraringenieur und Ökosozialist. Er hat zahlreiche Artikel zum Verhältnis von Ökologie und Marxismus sowie zu klimapolitischen Fragestellungen geschrieben. Auf Deutsch ist von ihm 2015 im Neuen ISP Verlag das Buch „Klimakrise und Kapitalismus“ erschienen.

Dieser Artikel erschien zuerst auf der belgischen Seite Gauche Anticapitaliste und wurde am 8. November auf der englischsprachigen Seite International Viewpoint veröffentlicht. Die vorliegende Übersetzung des Textes wurde von Paul Michel vom Netzwerk Ökosozialismus auf Grundlage des englischen Textes vorgenommen.

FUSSNOTEN

[1] Siehe eine Stellungnahme der Agentur Reuters (18.10.2022) zur Wiederbelebung fossiler Brennstoffe, insbesondere Kohle, in Europa und weltweit.

[2] In der EU wurden seit Beginn des russischen Krieges gegen die Ukraine 50 Milliarden Euro an neuen fossilen Investitionen getätigt. Die Anteile von Solar- und Windkraft an der Stromerzeugung sind von Januar bis August gestiegen (um +32 bzw. +26 Prozent), aber auch die von Kohle, Braunkohle und Gas (um jeweils +20, +17 und +23 Prozent). Insbesondere Investitionen im Zusammenhang mit dem Import von US-LNG lassen ein nachhaltiges Abstürzen des Green Deals befürchten (Financial Times, 20.10.2022).

[3] 36,6 Gt CO2 aus der Verbrennung von Fossilien wurden im Jahr 2021 emittiert. Das ist ein absoluter Rekord. Der jährliche Anstieg der Methanemissionen ist seit Beginn der Messung beispiellos (Financial Times 27.10.2022).

[4] Laut Lancet ist die Zahl der hitzebedingten Todesfälle weltweit in den letzten zwanzig Jahren um zwei Drittel gestiegen (Financial Times , 27.10.2022).

[5] UNEP, Emissions Gap Report 2022.

[6] Financial Times, 11.1.2022.

[7] UNEP, zu cit.

[8] Die UNFCCC gibt eine etwas größere Spanne an: 2,1 bis 2,9 °C.

[9] Gemäß Climate Home News, 2/9/2022.

[10] Die Welt, 14.10.2022.

[11] Financial Times, 10.10.2022.

[12] Financial Times,8.10.2022 und 18.10.2022.

[13] Damit wurden diese Schwellenwerte nun für sechs der neun von Wissenschaftlern identifizierten Indikatoren überschritten: Klima, Biodiversität, Boden, Süßwasser, Kunststoffe, Stickstoff und Phosphor.

[14] Financial Times, 11.02.2022

[15] https://www.reuters.com/business/cop/egyptian-security-arrests-dozens-ahead-cop27-climate-summit-rights-group-2022-11-01/

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