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A100: Wer Straßen sät, wird Verkehr ernten – und unseren Protest

Wir als Sand im Getriebe Berlin hätten zwar gedacht: Gegen die A100 demonstrieren, das muss nicht mehr sein. Aber hey, politisch sind die Zeiten so scheiße – dass wir alle immer noch da sind. Denn wenn es richtig schlimm wird von oben aus der Regierung, dann hilft nur eins: Zusammen auf die Straße gehen und gemeinsam dagegen protestieren!

Daher waren wir am Aktionswochende von Wald statt Asphalt unter dem Motto #AusbaustoppJetzt gegen den Ausbau der A100 und aller weiterer Autobahnen auf der Straße. An dem Wochenende wurde im pittoresken Schloss Meseberg über das „Infrastruktur-Beschleunigungsgesetz“ beraten, was schlimmstenfalls 140 Autobahnausbauprojekte und 1360 Straßenbauprojekte mit verkürzter Bürger*innenbeteiligung und Umweltverträglichkeitsprüfung zur Folge hätte.

Der folgende Text sind Auszüge aus der dortigen Rede und einer Rede die wir bei der großen Umverteile Demo am 12.11 in Berlin gehalten haben.

Das noch immer neue Autobahnen wie die Fortsetzung der A100 in Berlin gebaut werden sollen, anstatt in Radwege und öffentliche Verkehrssysteme zu investieren, ist ein Skandal. Dieser geplante Weiterbau der A100, gegen uns Berliner*innen, gegen jeden Sinn und Verstand, zeigt: Verkehrswende bleibt Straßenkampf! Wer im Jahr 2023 nicht erkennt, dass Autobahnen gefährliche Zombie-Infrastruktur sind, kann keine zukunftsfähige Verkehrspolitik! Weil klar bleibt: Wer Straßen sät, wird Verkehr ernten – und unseren Protest. Weltweit ist die deutsche Autoindustrie fünftgrößte Verbraucherin metallischer Rohstoffe. Dabei ist sie fast vollständig auf Rohstoffimporte angewiesen. Gerade durch die Digitalisierung der Autos und die Elektrifizierung des Antriebs steigt der Hunger nach Metallen. Batterierohstoffe wie Lithium, Kobalt und Nickel, aber auch Bauxit und Eisenerz für Karosserien werden vorwiegend im globalen Süden abgebaut. Der Abbau geht mit massiven Umweltzerstörungen einher, raubt die Lebensgrundlage der dortigen Menschen und führt zu massiven Menschenrechtsverletzungen. Während  der meiste Reibach entlang der automobilen Wertschöpfungskette in Deutschland gemacht wird, bleibt dort, wo die Rohstoffe gefördert werden und negative Folgen auf Menschen und Umwelt am größten sind, am wenigsten hängen. Die Rohstoffversorgung ist dabei nur eine Dimension neokolonialer Ausbeutungsmechanismen im Autokapitalismus. Der gewaltige Energiehunger, Ausbeutung von Arbeiter:innen und die Entsorgung der Schrottkarren sind weitere.

Klimaverbrechen

Dazu kommt, das allein der für den Bau benötigte Beton ist ein riesiges Klimaverbrechen ist. Bis zu 15 % der weltweit vom Menschen verursachten CO2-Emissionen fallen auf das Konto der Betonbaukultur. Dabei werden Menschenrechte in der Branche mit Füßen getreten: In Ländern wie Indien, Südafrika und Mexiko wird immer wieder von gezielten Morden im Zusammenhang mit dem Abbau von Sand, einem wichtigen Bestandteil von Beton, der auch bei uns verbaut wird, berichtet. Die Unsummen an Geld, die die Berliner Regierung damit in das Klimakiller Projekt A100 stopfen will, sind sowieso bizarr: Nur eine 1m Autobahn kostet über 220.000 Euro, davon könnte man über 1km geschützten Radweg bauen.

Der Weiterbau der A100 ist also in Beton gegossene Klima- und Stadtzerstörung, er verschlingt Unmengen Ressourcen und dazu noch viel Raum für Kultureinrichtungen und Menschen. Für den 16. Bauabschnitt wurden bereits bewohnte Häuser abgerissen. Kulturorte mussten und sollen weichen! Diese Schneise aus Asphalt und Beton soll nun noch weiter fortgeführt werden über die Spree, unterm Bahnhof Ostkreuz bis zum S-Bahnhof Frankfurter Allee und dort oberirdisch bis nach Lichtenberg. Diese Betonwüste verschlingt Grünflächen, weitere Wohnhäuser und etablierte Clubs wie Else, Club OST, Wilde Renate und das about: blank vernichten soll. Von den lebendigen Kiezen ganz zu schweigen.

Wir kämpfen für ein lebenswertes Berlin  – eine Stadt für Menschen statt für Autos.

Unsere Städte sind zu wertvoll, um sie einer motorisierten Minderheit zu schenken! Wir brauchen klimafreundliche und sozial gerechte Mobilität für alle.

Wir brauchen 

Sichere Radwege statt Autobahnen

Parks statt Parkplätze

Kostenlose Bahntickets statt Dienstwagenprämie

Mietendeckel statt Versiegelung

Wohnraum statt Büroturm

Blumenwiesen statt Blechlawinen

Wir brauchen kostenlosen ÖPNV statt Autobahnausbau.

Dabei kann eine sozial-gerechte Verkehrswende nur eine feministische sein.  Unsere Mobilität in Berlin ist in eine überholte, vermoderte patriarchale Sichtweise betoniert. Es kotzt uns an, dass das sogenannte Maskulinitätsmodell zum Maßstab für AALE genommen wird! Weiblich gelesene Menschen haben bei einem Unfall ein fast 50% höheres Risiko einer schweren Verletzung. Einfach weil die Ergonomie und Sicherheitstechnik im Auto sich nur am Mann orientiert. Das aktuelle Verkehrssystem ergibt/enthält entlang von Geschlechterdimensionen weitere Ungleichheiten: Das autozentrierte Verkehrssystem ist Inbegriff von Machokultur, Sexismus und patriarchaler Gewalt. Das Auto ist dabei das Symbol und Mittel zur Ausübung männlicher Dominanz, der andere Verkehrsteilnehmer:innen weichen müssen. Die Konsequenz daraus ist, dass Männer deutlich häufiger Verursacher von schweren und tödlichen Unfällen sind. Gleichzeitig haben Frauen bei Autounfällen ein deutlich höheres Unfallrisiko. Diese Dominanz erstreckt sich auch auf die natürliche Umwelt: größere Autos, häufigere Nutzung und längerer Wegstrecken führen wenig überraschend zu deutlich höheren CO2-Emissionen von Männern im Straßenverkehr. Dabei werden überproportional viele Wege mit dem Auto von Männern zurückgelegt. Über 50% dieser sind in Berlin unter 5km – also problemlos ohne Auto machbar. Der Autobahn- und Fernstraßenausbau zementiert also nur immer weiter männliche Mobilitätsbilder.

Daher ist eine Umverteilung im Verkehrssystem aus feministischer Perspektive notwendig: Die Bewegungsfreiheit einiger darf nicht länger die Mobilität vieler anderer beschneiden. Mobilität muss unabhängig von Geschlecht, Einkommen oder Hautfarbe bezahlbar (oder am besten umsonst), barrierefrei sowie umweltfreundlich sein. Ziel ist also nicht nur eine sozial-ökologische Verkehrswende, sondern auch eine feministische und intersektionale.

Dafür braucht es Umverteilung von öffentlichem Raum, gerade in urbanen Gegenden. Dies hätte eine geringer Exponiertheit durch Schadstoffe des Autoverkehrs zur Folge sowie mehr Sicherheit und Lebensqualität für alle: Bislang ist das Verkehrssystem auf die jungen und fitten sowie die Wohlhabenden zugeschnitten. Doch alte Menschen, Kinder und Menschen mit körperlichen Einschränkungen haben andere Bedürfnisse nach sicherer Mobilität.

Unsere Städte sind zu wertvoll, um sie einer motorisierten Minderheit zu schenken! Daher bedroht der weitere Ausbau der A100 unsere Stadt Berlin massiv. Er würde das autozentristische Verkehrssystem für Jahrzehnte weiter in diese Stadt einbetonieren! Diese Verkehrspolitik will vor allem auch Herr Wissing, der für die Autolobby und Porschfahrer anstatt für Menschen Politik macht: Der Bundesverkehrswegeplan ist Verkehrspolitik aus dem letzten Jahrtausend!

Doch wir brauchen keine A100, keine TVO und keine neuen Autobahnen nirgendwo! Daher sind wir weiterhin Sand im Getriebe des deutschen Auto-Kapitalismus. Autobahnbau stoppen, Autokonzerne entmachten, CARpitalismus abwracken!

Ein Gastbeitrag der Berliner Gruppe von Sand im Getriebe.

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Eine Antwort

  1. „Daher ist eine Umverteilung im Verkehrssystem aus feministischer Perspektive notwendig“ usw.
    Mein Gott! Welch‘ ein inhaltsloses Geschwafel!

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