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5.000 Gewerkschafter gegen Aufrüstung und Krieg

Vor einigen Wochen erschien der Aufruf „Gewerkschaften gegen Aufrüstung und Krieg“. Eine Gruppe um das ehemalige Vorstandsmitglied der IG Metall, Horst Schmitthenner, hatte ihn verfasst und 150 Erstunterzeichner aus allen acht Mitgliedsgewerkschaften dafür gewinnen können. Darunter das EVG-Vorstandsmitglied Reiner Perschewski, einige ehemalige und einige aktive Bevollmächtigte der IG Metall sowie Wissenschaftler aus der gewerkschaftsnahen Forschung wie Nicole Mayer-Ahuja und Klaus Dörre. Innerhalb weniger Wochen unterschrieben mehr als 5.000 Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter den Aufruf und dokumentierten damit ein wachsendes Bedürfnis nach Debatte und Positionierung.

Der Aufruf ist in seiner Bedeutung nicht zu unterschätzen. Exakt 85 Jahre nach Beginn des Zweiten Weltkrieges stehen die Zeichen in der Bundesrepublik auf militärischer Eskalation. Vergessen ist die Mahnung, dass von deutschem Boden nie wieder Krieg ausgehen dürfe. Denn der politische Diskurs schwört die Bevölkerung auf die Wahrscheinlichkeit eines Krieges unter deutscher Beteiligung ein. Dabei werden alle Register gezogen: Fast verächtlich ist von friedensverwöhnten Generationen die Rede, so als sei es kein erstrebenswertes Ziel, im Frieden aufzuwachsen, zu leben, zu lieben und alt zu werden, sondern ein unverdientes Privileg.

Unter dem Einfluss dieser Debatte verschieben sich auch die politischen Koordinaten. Grüne Abgeordnete mit pazifistischer Vergangenheit können plötzlich fehlerfrei Panzertypen aufsagen und sozialdemokratische Spitzenkandidatinnen setzen auf nukleare Abschreckung. Sie knüpfen damit an Diskussionen in US-amerikanischen Fachzeitschriften an, in denen ernsthaft intellektuell durchdacht wird, ob die USA einen Atomkrieg gewinnen könnten. Die Leichtfertigkeit, mit der diese Diskussionen geführt werden, zeigt: Die Gefahr einer nuklearen Eskalation ist zwar real, aber der Bundesregierung nicht Anlass genug, auf Frieden und Diplomatie zu setzen. Vielmehr ist das Gegenteil der Fall: Mit dem Beschluss eines Veteranentages wird die Militarisierung der Gesellschaft weiter vorangetrieben. Wer Soldaten wertschätzen und schützen will, der schickt sie nicht in den Krieg, möchte man in diese Militarisierungsspirale hineinschreien.

Doch der Beschluss des Veteranentages passt zur Kriegsbesoffenheit des politischen Establishments, das daran arbeitet, die gesamte Gesellschaft bellizistisch zu durchdringen. Dazu gehört, dass gesellschaftlich relevante Fragestellungen mit der Kriegsperspektive versehen werden – so beispielsweise das Nein zur Schuldenbremse, das nicht etwa relevant wird, weil Kitas und Schulen besser ausgestattet werden müssen, sondern weil es den Aufrüstungskurs der Bundesregierung möglich machen soll. Plötzlich wird der Ausbau von Brücken und Straßen wichtig – nicht etwa, damit die Bevölkerung schnell und sicher von A nach B kommt, sondern weil sie für die Verlegung von Truppen gut befahrbar sein müssen.

Oder nehmen wir die Zeitenwende im Gesundheitswesen, das mit ausreichend Lazaretten und Materialvorräten kriegstüchtig gemacht werden muss. Über Jahre schafft es die Politik nicht, ausreichend Geld für die Entlastung des Pflegepersonals in die Hand zu nehmen. Jetzt aber zeigt sich der Bundesgesundheitsminister umtriebig, um die maroden Krankenhäuser kriegstüchtig zu machen. Diese Schwerpunktsetzung wird weiter zu Lasten einer guten Pflege gehen. In unseren Schulen sollen Schulkinder auf den Dienst an der Waffe und den Kriegseinsatz vorbereitet werden und im öffentlich-rechtlichen Kinderfernsehen wird Werbung für den Taurus gemacht.

Bereits jetzt zeichnet sich ab, dass die abhängig Beschäftigten als Folge dieser militaristischen Schwerpunktsetzung auf harte soziale Einschnitte vorbereitet sein müssen. Steigen die Ausgaben für das Militär perspektivisch auf zwei Prozent der Wirtschaftsleistung, werden jedes Jahr über 85 Milliarden Euro in diesen Bereich fließen. Zum Vergleich: Für Bildung und Forschung gibt die Ampel 2024 nur 21,5 Milliarden Euro aus. Und auch in den nächsten Jahren werden steigende Militärausgaben dazu führen, dass in den sozialen Bereichen, bei Bildung, Infrastruktur und Industrieumbau gravierend gekürzt wird und die Lasten der Klimapolitik auf die Masse der Bevölkerung abgewälzt werden.

Aus guten Grund haben die Gewerkschaften nie „nur“ für bessere Arbeits-, sondern immer auch für bessere Lebensbedingungen gekämpft. Weil sich Arbeitsplätze weder auf einem zerstörten Planeten, noch in einer faschistischen Gesellschaft gestalten lassen, war der Kampf gegen Krieg und Faschismus immer auch ein zentrales Handlungsfeld der Gewerkschaften. Die Diskussionen auf den Gewerkschaftstagen der letzten zwei Jahre zeigen, dass es ein wachsendes Bedürfnis danach gibt, dass die Gewerkschaften sich sehr viel mehr als Teil der Friedensbewegung positionieren. Der Aufruf jedenfalls kann dafür einen ersten Beitrag leisten.

Dieser Beitrag von Ulrike Eifler, Susanne Ferschl und Jan Richter erschien zuerst hier in der Berliner Zeitung.

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Eine Antwort

  1. Wer gegen Kriege ist, muss sich höchstwahrscheinlich auch für Kinderschutz und Frauenrechte einsetzen. Der Wiener Friedensforscher Franz Jedlicka hat einen Zusammenhang zwischen einer weit verbreiteten Gewalt gegen Kinder und Frauen (auch aufgrund fehlender Schutzgesetze) und der Neigung zu bewaffneten Konflikten festgestellt.

    Das mit den Frauen ist schon länger bekannt, das mit den Kindern (Prügelstrafe noch in 2/3 der Länder der Welt erlaubt) noch nicht … siehe auch Sven Fuchs´ Buch „Die Kindheit ist politisch!“

    LG Ulrike

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