Hochaktuell ist das Thema dieses Buches, dessen Untertitel lautet „Deutschland, Europa und die Flüchlinge“. Der Prolog zeigt deutlich, die Fragestellung die die Autoren sich gestellt haben. Ausgehend von den Begriffen, die derzeit überall in den Medien, den Reden der Politiker, aber auch in privaten Gesprächen zu finden sind, „Flüchtlingsansturm“, „Krise“, „Welle“ stellen sie sich die Frage was wirklich in der Krise steckt. Sie sehen in den beiden groβen Projekten dieses Jahrhunderts „ Projekt Demokratie“ und „Projekt Europa“, das was in der Krise, ja kurz vor dem Zusammenbruch steht. Aber nach Ansicht der Autoren werden diese Projekte nicht von den Flüchtlingen bedroht, diese hoffen vielmehr genau auf diese. Die Reaktion auf die Geflüchteten sei es, die zeige, wie sehr sich diese Projekt bereits in Auflösung befinden.
Im ersten Kapitel, das „Fata Morgana“ überschrieben ist, beschäftigen sich die Autoren mit der Frage nach dem Souverän. In früheren Zeiten wandte sich der Flüchtende an eine Souverän, der die Gnade des Asyls gewähren konnte. Es stellt sich die Frage, wer in der heutigen Zeit der Souverän ist. Die Autoren glauben ihn in „Europa“ zu erkennen, der durch das Ausschlieβen der Flüchtenden aus dem formalen Rechtsraum den permanenten Ausnahmezustand aufrecht erhalten will. Die Flüchtenden werden mit dem „Homo sacer“ im römischen Strafrecht verglichen. Dabei handelt es sich, wie eine Arbeit von Giorgio Agamben verdeutlicht, um einen Menschen, der von jedem getötet, aber nicht „geopfert“ werden durfte. Der Begriff „sacer“ bedeutet sowohl „heilig“ wie auch „verbannt“. Die Autoren gehen davon aus, dass wir uns im Übergang von einer Diziplinar- zu einer Kontrollgesellschaft befinden. In dieser Gesellschaft ist nicht mehr die Überwachung von einem zentralen Punkt aus wichtig, es geht viel mehr darum, dass Objekt vollständig in Information auszulösen. Eine Schlussfolgerung der vorliegenden Arbeit ist, dass „der unsichtbare Souverän Europa nicht einer [ist], der etwas mit dem Problem „Flüchtling“ beschäftigt und herausgefordert wäre, sondern er ist einer, der das Problem „Flüchtling“ erst erzeugt.
Im zweiten Kapitel, das „Identitäten“ überschrieben ist, geht es in der Hauptsache um die drei groβen Diskurse, Ökonomie, Nation und Demokratie. Es wird die Frage nach dem Wohlstand gestellt und warum man die Flüchtlinge nicht daran teilhaben lassen will. Wohlstand ist nach Ansicht der Autoren vor allem eine Fata Morgana. Die Nation halten sie für eine Inszenierung aus Sport, Unterhaltungsindustrie und diversen anderen, aber auch diese ist nur ein Wirtschaftsfaktor, eine Illusion, da sie weder ein geschlossener Wirtschaftsraum noch eine kulturelle Einheit ist. In diesem Zusammenhang gehen die Autoren auch auf das nationalistische und neofaschistische Gedankengut ein. Zur Demokratie heisst es „Diese Demokratie wird nur wahrgenommen, indem man sie von auβen bedroht sieht“. Es wird der Frage nach der Entstehung und den Hintergründen der „Mythen“ der nationalen „Wiedergeburt“ nachgegangen, die sich bei Neofaschisten in ganz Europa finden.
Ein ganzes Kapitel widmen die Autoren dem „Bayrischen Weg“. Sie sehen die Sonderrolle Bayerns kein kulturelles Phänomen, sondern viel mehr das Ergebnis „politisch-taktischen Kalküls“. Bereits nach dem Zweiten Weltkrieg hat Bayern nur sehr ungern die Flüchtlinge, die aus dem Osten kamen, aufgenommen. Bayern wird mit einer konstitutionellen Demokratie verglichen, in der das Volk zwar der Souverän sei, dies jedoch nur pro forma. Die Flüchtlingsfrage ist, nach Ansicht der Autoren, vor allem auch eine Art der Identitätspolitik. Es wird aufgezeigt, dass die Hetze gegen Flüchtlinge und Asylanten sich in Bayern von der in den östlichen Bundesläedern unterscheidet. Während dort die Ängste von Menschen in prekärer Situtation sich mit rechtspopulistischen Bewegungen zu einer Anti-Flüchtlingshaltung vereinen, sind es in Bayern nicht Angst um Arbeitsplatz und Lebensunterhalt, sondern die Sorge um den Wertverlust von Immobilien und anderen Vermögenswerten, die zur Ablehnung führen. Die Autoren sind davon überzeugt, dass sich die deutsche Gesellschaft durch die Aufnahme und Integration von Flüchtlingen verändern werde, sollte sie jedoch daran scheitern, Anzeichen dessen werden deutlich wahrgenommen, dann „wird es eine noch aggressivere, noch verängstigtere und noch ungerechtere Gesellschaft sein als ohnehin.“ Diese Veränderungen würden dann auch vor Bayern nicht halt machen. Anhand diverser Beispiele stellen die Autoren die besondere Situation und das gesellschaftliche Verständnis Bayerns in einen Bezug zum Verhalten gegenüber Flüchtlingen.
In einem letzten Kapitel, das „Europa im Krieg“ überschrieben ist, nehmen die Autoren noch einmal einen Perspektivenwechsel vor. Ihrer Ansicht nach kreuzen sich derzeit in Europa zwei „Ereignislinien“, einerseits der „Flüchtlingsstrom“, der auf ein zerfallendes Europa treffe und andererseits der globale Terror von Organisationen wie dem IS, der sich mehr und mehr auch in Europa ausbreitet und häufig von Menschen ausgeübt wird, die in Europa aufgewachsen sind. Anhand einer Definition des Begriffes „Krieg“ der Arbeitsgemeinschaft Kriegsur-sachenforschung stellen die Autoren fest, dass sich Europa in einem Krieg mit dem IS und seinen Verbündeten befindet. Für sie gehören aber auch Interessen und eine Absicht zu einem Krieg. Dies sind zum einen die wirtschaftlichen Interessen des Westens, der Rohstoffe und Energie benötigt und dafür bereit ist, zumindest einen Kriegsgegner zu „übersehen“. Auf der anderen Seiten ist ein Kriegsziel, ihrer Ansicht nach, die Verwandlung des Islam von einer vielfältigen, facettenreichen Religion in eine Einheitsreligion, die dazu dient Herrscher zu legitimieren. Es geht in diesem Krieg um ein neues Imperium, dessen Ziel neben der territorialen Einheit diese Einheitsreligion ist. Im weiteren führen die Autoren aus, wie sich dieser Krieg begründet und welcher Strukturen und Mechanismen er sich bedient. Dabei wird auch analysiert, woher sich die „Nachwuchsterroristen“ rekrutieren und mit welchen Methoden sie gefügig gemacht werden. Sie zeigen auf, dass die westliche Gesellschaft eine gewisse Mitverantwortung trägt, da sie Menschen „ihren Platz, Hoffnung und Aufstieg verweigert“ und sie dadurch ausgrenzt. Die psychologischen und sozialen Gründe für das Entstehen europäscher Dschihadisten werden detailliert beleuchtet. Im weiteren kommen die Autoren auf die Flüchtlingsfrage zurück. Die Flüchtlinge, als Mitglieder der bekämpften Zivilgesellschaft, wären nach ihrer Überzeugung eine wichtige Kraft in der Auseinandersetzung, es ergibt sich jedoch das Problem, dass sie von der Zivilgesellschaft der Länder nicht angenommen werden.
„Wir ziehen in einen Krieg und wissen nicht genau, mit wem gegen wen. Wir ziehen in einen Krieg, von dem wir kaum etwas verstanden haben. …“