Geschichte ist meist trocken und dreht sich immer um irgendwelche wichtigen Männer, so würde zumindest das Fazit nach Jahren Geschichtsunterricht in der Schule lauten. Zu einem anderen Fazit kommt man nach „Das rote Berlin. Eine Geschichte der Berliner Arbeiterbewegung 1830 – 1934“. Der Autor, Axel Weipert, zeigt Geschichte von unten, eine Geschichte der Berliner Arbeiterinnen und Arbeiter, die Geschichte von Protest und Aufstand gegen die Herrschenden.
Weipert zeigt die Entwicklung von dem 1830 noch relativ provinziellen Berlin zu der Stadt über die Friedrich Engels 1893 sagte, dass sie aus dem Blick der Arbeiterbewegung „an der Spitze aller europäischen Großstädte“ stehe und „selbst Paris weit überflügelt“. Weipert beschreibt ausführlich die Entstehung der ersten Gewerkschaften und die Gründung der Sozialdemokratie, sowie die Auswirkungen des Verbots auf diese. Er geht auf das Verhältnis zwischen Parlamentarieren und Basis ein, welches sich nicht erst 1914 auseinander entwickelt, sondern schon deutlich früher als die Abgeordneten Plünderungen der Hungernden verurteilten.
Es ist aber auch eine Geschichte des Alltags, eine Geschichte, die sich mit dem Arbeitersportvereinen und dem Alkoholkonsum in der Arbeiterbewegung auseinandersetzt: „Trotzdem muss ich heute sagen, dass einer der schlimmsten Feinde des Arbeiters der Alkohol ist“ so ein sozialdemokratischer Funktionär. Das Buch zeigt aber auch wie die Sozialdemokratie 1914 ihre Ideale verriet und statt des Internationalismus aufeinmal die Interessen der nationalen Industrie hochhielt.
Spaltung der Arbeiterschaft
Detailliert setzt sich der Autor auch mit der Spaltung innerhalb der Arbeiterbewegung, im Zuge der Zustimmung der SPD zu den Kriegskrediten, auseinander. Er zeigt, dass es keine Entscheidung der Basis war: „Die breite Masse der Mitglieder und Anhänger wurde nicht einbezogen, ja, noch nicht einmal über die kontroversen Debatten innerhalb der Gremien informiert.“ Er bezeichnet dies richtigerweise als falsche Entscheidung und geht auf die im Krieg stattfindenen Proteste für Nahrung und die ersten Streiks und Demonstrationen für Brot und Frieden ein. Lesenswert ist auch die Beschreibung der Situation nach dem 1.Weltkrieg wo KPD und SPD in vielen Fragen einander feindlich gesinnt waren, ihre Unterstützer aber trotzdem in den selben Vereinen aktiv waren un im gleichen Stadtteil wohnten.
Er beschreibt auch das Ende der Arbeiterbewegung Berlins mit dem Aufstieg und der Machtübernahme des Faschismus und dem verzweifelten Versuch trotzkistischer und linkssozialistischer Gruppe eine Einheit gegen die NSDAP aufzubauen. „Betrachtet man den Widerstand insgesamt, den die Berliner Arbeiterbewegung in den ersten Jahren des Dritten Reiches leistete, so muss vor allem eines festgestellt werden: große Opfer standen geringen Erfolgen gegenüber.“