Widerspruch zu den Widersprüchen unserer Zeit – Es riecht nach Krieg!

Wer kennt sie nicht, die Newsletter, die das Email-Postfach überquellen lassen und die irgendwann keinen anderen Ausweg mehr zulassen, als den Spamfilter scharf zu stellen, um in der Flut von Informationen, Einschätzungen und Kommentaren nicht unterzugehen. Eine weitere Kolumne im digitalen Blätterwald braucht also niemand. Schon gar keine, die bereits im Titel kryptisch von Widerspruch und Widersprüchen faselt.

Und dennoch: Der NATO-Gipfel der letzten Woche hat uns schonungslos vor Augen geführt: Die Kriegsgefahr steigt. Und die Forderung der Partei DIE LINKE – in der selben Woche – nach Menstruationsurlaub zeigt: Die linke Ratlosigkeit tut es auch. Mutloses Schweigen in einer Partei, die von sich selbst behauptet, die einzige Friedenspartei zu sein – während die westliche Welt den Krieg gegen Russland und China vorbereitet. Mittelstreckenraketen in Europa, die in fünf bis sieben Minuten Moskau erreichen – konventionell oder atomar bestückt, für den Erstschlag geeignet. Außerdem: 50 neue Brigaden mit jeweils 3.000 bis 7.000 Soldaten, eine Vervierfachung der Luftabwehr, Truppenstationierung an der russischen Grenze und noch mehr Militärbasen. Es riecht nicht mehr nur nach Krieg. Es stinkt gewaltig danach. Und es zeigt sich, dass der Westen auch eine atomare Eskalation nicht mehr ausschließt.

Ob damit auch die Zeit für eine wöchentlich Kolumne gekommen ist, die nicht nur den Wahnsinn der Bundesregierung, sondern auch die Fatalität im mutlosen Schweigen der Linken aufzeigen will, werden Leserinnen und Leser durch ihr Leseverhalten entscheiden. Im Angebot aber ist eine Kolumne, die Widersprüche nicht allein vom Plural des Wortes Widerspruch ableitet, sondern zum Ausgangspunkt für die Betrachtung gesellschaftlicher Entwicklungen machen will. Denn wenn die alte marxistische Binse stimmt, dass es immer um Interessen geht, dann muss die Linke die Betrachtung dieser Interessen an den Anfang ihrer politischen Schwerpunktsetzung stellen.

Dabei muss klar sein: Die Komplexität der gesellschaftlichen Krisensituation besteht nicht nur daraus, dass sich die Bundesregierung in ihren sozialen, ökologischen und geopolitischen Widersprüchen verheddert, die von links nur aufgedeckt und skandalisiert werden müssen. Politologen sprechen nicht grundlos von einer multiplen Krise. Ein Begriff, der nicht etwa das Nebeneinander verschiedener Krisen beschreibt, sondern vielmehr eine innere Krisenmechanik: Die einzelnen Krisen greifen wie Zahnräder ineinander und verstärken sich gegenseitig. Der Versuch, mit mehr Wachstum der ökonomischen Krise zu entkommen, vergrößert die ökologische Katastrophe. Ebenso im übrigen wie die Krise der Arbeit, denn die physischen Möglichkeiten der Leistungsverdichtung sind endlich. Und die Zuspitzung der geopolitischen Krise mit ihren Exportzöllen und der neuen Pflicht zur Aufrüstung erhöht die nukleare Eskalationsgefahr. Sie führt zu mehr Verteilungskämpfen und zur Beschleunigung des Klimawandels. Die scheinbare Lösung der Krise in einer Sphäre führt zur Verschärfung der Krise in einer anderen Sphäre.

Wenn die Linke es unterlässt, ihre politische Schwerpunktsetzung aus diesen gesellschaftlichen Widersprüchen abzuleiten und daraus eine sozialistische Politik zu entwickeln, die den Menschen durch die Perspektive einer solidarischen, klimagerechten und friedlichen Welt Hoffnung und Zuversicht zurückgibt, wird die autoritäre Rechte diese Leerstelle mit reaktionärer Verzweiflung füllen – mit einer Politik, die zu noch mehr Aufrüstung, zu rücksichtslosem Sozialabbau, zu verantwortungsloser Klimawandelbeschleunigung und zu radikalem Demokratieabbau führen wird.

In einer solchen Zeit, in der sich der Widerspruch von rechts im Interesse des Kapitals mit immer neuer Radikalität artikuliert, darf sich der Widerspruch von links nicht mit Nebenfragen oder politischen Albernheiten beschäftigen. Er muss vielmehr die Welt der Arbeit zum Ausgangspunkt haben, die Angriffe auf Arbeits- und Lebensbedingungen der arbeitenden Klassen, aber auch ihren Stolz und ihre Stärke. Nicht mutloses Schweigen, ängstliches Weggucken oder vorsichtige Zurückhaltung eröffnen Durchsetzungsperspektiven gegen den bellizistischen Alptraum, sondern politischer Eigensinn, die Lust zum Widerspruch, die Kraft zum freien Entschluss. Vielleicht kann eine Kolumne, die weder Teil der Informationsflut, noch Teil der Dethematisierung sein will, ihren Beitrag dazu leisten.

Widerspruch und Widersprüche – eine Kolumne von Ulrike Eifler

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