Hamburg will eine neue Autobahn: die A26-Ost („Hafenquerspange“). So jedenfalls stellt der rot-grüne Senat der Stadt es dar. Auf einer Veranstaltung zur Bürgerbeteiligung am vergangenen Mittwoch sah das allerdings ganz anders aus. Die Begeisterung der Hamburger*innen über das geplante Mammutprojekt hielt sich dort gelinde gesagt in Grenzen.
Obwohl als „Bürgerdialog“ angekündigt, stellte Staatsrat Rieckhof gleich zu Beginn der Veranstaltung klar: „die Autobahn wurde im Bundestag beschlossen und die Planung steht. Eine Grundsatzdebatte ist nicht vorgesehen“. Unter dem lauten Protest der anwesenden Bürger*innen aus den betroffenen Stadtteilen Wilhelmsburg, Moorburg und Harburg wurde also der in weiten Teilen feststehende Planungsstand zur „Hafenquerspange“ präsentiert.
Diese Herangehensweise macht deutlich, dass es Senat und Staatsrat nicht um wirkliche Mitbestimmung, sondern um politische Legitimation geht. Bereits die Ansetzung der Veranstaltung ist das Ergebnis mangelnder Bürger*innenbeteiligung. Die Stadt sah sich erst nach energischen Protesten und Besetzungen genötigt, überhaupt in Dialog mit ihren Bürger*innen zu treten. Entsprechend kontrovers gestaltete sich die Informationsveranstaltung im großen Saal des Wilhelmsburger Bürgerhauses.
Der aktuelle Planungsstand zur Hafenquerspange
Wesentlicher Zweck der geplanten Hafenquerspange ist es, die Verbindung zwischen der westlich durch Hamburg verlaufenden A7 und der im Osten liegenden A1 zu verbessern. Dass die Ost-West Verbindung durch die Stadt neu strukturiert werden sollte, darin sind sich Kritiker*innen und Befürworter*innen der A26 noch weitgehend einig. Differenzen bestehen hingegen in der Frage, ob eine Stadtautobahn die angemessene Lösung für dieses verkehrstechnische Problem darstellt.
Die von Senat und Bundestag bevorzugte Lösung „Hafenquerspange“ sieht den Bau einer vierspurigen Autobahn vor, die durch den südlichen Teil Hamburgs verlaufen soll. Angaben der Hamburger Behörde für Wirtschaft, Verkehr und Innovation zufolge wird die Autobahn auf einer Länge von 9,7 km verlaufen und 900 Millionen Euro kosten. Angesichts der Erfahrungen aus bisherigen Hamburger Bauprojekten wie der Elbphilharmonie oder der Wilhelmsburger Reichsstraße schätzen Kritiker*innen die Gesamtkosten allerdings eher auf 2-3 Milliarden Euro. Weil die Autobahn den aktuellen Planungen zufolge zu 70 Prozent aus Brücken und Tunneln bestehen wird, wäre sie auf den Kilometer gerechnet die teuerste Autobahn Deutschlands.
Die Stadtautobahn A26 kostet viel Geld, schadet der Umwelt und ist unsozial
Einen umfangreichen Bericht zur A26 hat Michael Rothschuh vom Verein „Zukunft Elbinsel Wilhelmsburg“ vorgelegt. Neben Anwohner*innen-Initiativen kritisieren auch Naturschutzverbände und die Partei DIE LINKE das Autobahnprojekt. Kritisiert werden dabei unter anderem die folgende Punkte :
- Die geplante Autobahn schadet der Umwelt: Sie bringt Lärm, erhöhte CO2-Emmissionen, mehr Abgasbelastung und vernichtet wichtige Grünflächen in der Stadt. Aus diesen Gründen planen Naturschutzverände wie der BUND Klage gegen das geplante Projekt einzulegen.
- Die A26 wird Verkehr von öffentlichen Verkehrsmitteln auf die Straße ziehen. Anstatt den Öffentlichen Nahverkehr und das Radwegesystem zu einem zeitgemäßen und umweltfreundlichen Verkehrsnetz auszubauen setzt Hamburg ohne Not auf den Bau einer Stadtautobahn. Kritiker*innen argumentieren, dass die Milliarden, die für die Autobahn eingeplant sind, besser in die Infrastruktur für Rad und Schiene investiert werden sollten.
- Die Hafenquerspange gefährdet den sozialen Wohnungsbau. Weil die Autobahn mitten durch die Stadt verlaufen soll, gehen wichtige Flächen verloren, die andernfalls für dringend benötigten sozialen Wohnungsbau genutzt werden könnten.
- Einschätzungen zur Notwendigkeit der Stadtautobahn beruhen auf falschen Angaben und Berechnungen. Die Befürworter*innen gehen beispielsweise von einer erheblichen Erhöhung des Containerumschlags im Hamburger Hafen aus, obwohl das Volumen in den vergangenen zehn Jahren weitgehend stabil geblieben ist. Angesichts der verschärften Konkurrenz durch den jüngst erweiterten Seehafen in Rotterdam und die geplante Umleitung chinesischer Warenströme auf Häfen wie Piräus ist nicht ersichtlich, weshalb in der Planung der Verkehrswege von einem signifikant gesteigerten Umschlagvolumen im Hamburger Hafen ausgegangen wird.
- Das Projekt soll als „Public-Private-Partnership“ (PPP) realisiert werden. Dank neoliberaler Privatisierung des Projekts müssen die Steuerzahler*innen also nicht nur für die reinen Baukosten aufkommen, sondern auch noch die Gewinne der beteiligten Investoren finanzieren. Zur Kritik von PPP vgl. die Dokumentation „Der geplünderte Staat“, in der u.a. am Beispiel der A1 zwischen Hamburg und Bremen, die Probleme öffentlich-privater Finanzierungsmodelle kritisiert werden.
- Die Planung der A26 ist undemokratisch, denn die Hamburger*innen wurden nie dazu befragt, ob sie eine Stadtautobahn wünschen, oder eine alternative Lösung bevorzugen. Der jetzt stattfindende „Bürgerdialog“ reiht sich damit in eine Reihe undemokratischer Planungsverfahren des rot-grünen Senats ein. Dieser nutzt Verfahren zur Bürgerbeteiligung regelmäßig zur nachträglichen Legitimierung bereits beschlossener Planungen. Die Bürger*innen sollen nachträglich abnicken, was andernorts bereits ohne sie beschlossen wurde.
Gibt es Alternativen?
Angesichts des öffentlich bekundeten Unmuts über die Planung der A26 zieht sich der Hamburger Senat und der beteiligte Staatsrat auf eine einfache Position zurück: Die Stadtautobahn sei beschlossen und alternativlos. Hier ist es wieder, das neoliberale „TINA-Prinzip“ (Englisch für „there is no alternative“). Politische Entscheidungen, die von der Mehrheit der Bevölkerung nicht gewollt sind, weil sie letztlich privaten Profitinteressen in die Hände spielen, werden als unausweichliche Notwendigkeit präsentiert. In dieser Argumentation zeigt sich das autoritäre Denken der politischen Entscheidungsträger*innen, aber auch ihre Ignoranz gegenüber sozialen Initiativen und der Hamburger Bevölkerung.
Denn es gibt durchaus Alternativen. Der Verein Zukunft Elbinsel Wilhelmsburg e.V. hat mit dem Vorschlag, die Haupthafenroute auszubauen und gleichzeitig den S-Bahn Verkehr zu stärken eine kostengünstige, umweltfreundliche und sozialverträgliche Lösung für die Ost-West Verbindung ausgearbeitet. Der Hamburger Senat lehnt es allerdings ab, diese Alternative überhaupt nur zu diskutieren. Stattdessen verlegt er sich darauf, Kritiker*innen als weltfremd zu denunzieren.
„Alles ist entschieden , nichts ist offen“ – so die Devise von Staatsrat und Senat. Doch wozu dann überhaupt noch ein „Bürgerdialog“? Das fragten sich am Mittwoch auch die anwesenden Bürger*innen und kündigten vorsorglich an, weiterhin auf Protest zu setzen und sich nicht für ein pseudo-demokratisches Schmierentheater missbrauchen zu lassen. Sei es Elbphilharmonie, Olympia, G20 Gipfel oder A26, der Hamburger Senat setzt weiterhin auf Mega-Projekte, die ohne Mitbestimmung der Bevölkerung durchgesetzt werden sollen. Dagegen regt sich zum Glück mehr und mehr Widerstand. Dieser ist allerdings auch notwendig, denn die pseudo-demokratischen Veranstaltungen, die der Hamburger Senat zur Legitimation seiner stadtplanerischen Vorhaben durchführt, haben mit Mitbestimmung wenig zu tun.
Für die Hamburger*innen kann die Antwort an den Senat nur lauten: Wenn ihr nicht mit uns reden wollt, dann werden wir für unsere Interessen kämpfen!
Eine Antwort
Dass die Menschen im Katenweg keine Autobahn wollen, ist verständlich. Die Lasten anderen Menschen aufzubürden, ist St. Florian – darauf hat sich der Verein Zukunft Elbinseln Wilhelmsburg e.V. spezialisiert. Ich will die Hafenpassage – und das möglichst schnell.