In Berlin herrscht Wohnungsnot. Seit dem Jahr 2003 sind die Bestandsmieten durchschnittlich um 29 Prozent gestiegen, bei den Neuvermietungen ist es ein Anstieg von 30 Prozent seit dem Jahr 2009. In manchen Innenstadtbereichen sind die Mieten um bis zu 90 Prozent explodiert in den letzten fünf Jahren. Dies führt dazu, dass kaum noch günstige Wohnungen zu finden sind und viele Menschen aus ihren Kiezen verdrängt werden.
Betroffen sind insbesondere Menschen mit geringen Einkommen, Transferleistungsbeziehende, Alleinerziehende und ältere Menschen. Und das sind in Berlin viele: 260.000 Haushalte leben in Berlin unterhalb der Armutsgrenze. Aber auch Menschen aus der Mittelschicht werden immer stärker durch steigende Mietpreise belastet. Aktuelle Studien gehen davon aus, dass in Berlin rund 120.000 preisgünstige Wohnungen fehlen. Tendenz steigend. Der Rückzug des Sozialstaats seit den 1990er Jahren, eine Flut an Immobilienspekulanten, die im Zuge der Krise nach rentablen Anlagemöglichkeiten suchen, und ein verstärkter Zuzug nach Berlin in den letzten Jahren haben zu dieser Wohnungskrise beigetragen. Die aktuellen Pläne des Senats zur Wohnraumförderung sind nur ein Tropfen auf den heißen Stein – ein grundlegender Wandel der Wohnungspolitik wäre nötig.
Mieten sollen ans Einkommen angepasst werden
Inspiriert vom erfolgreichen Volksbegehren „Tempelhofer Feld 100%“ hat sich jetzt eine Initiative aus verschiedenen Mieterinitiativen gegründet, um einen solchen Systemwechsel der Wohnungsversorgung per Volksentscheid zur Abstimmung zu stellen. Das Ziel des Gesetzes ist ganz einfach: Bestehender preiswerter Wohnraum soll erhalten bleiben und neue preiswerte Wohnungen geschaffen werden. Dazu soll ein umfangreicher Wohnraumförderfonds eingerichtet werden, der sicherstellt, dass die Mieten in den geförderten Sozialwohnungen an das Einkommen der jetzigen Bewohner angepasst werden und somit günstig bleiben. Außerdem sollen über den Fonds Neubau von Sozialwohnungen und notwendige Modernisierungen von alten Wohnungen ohne Mieterhöhung ermöglicht werden.
Die zweite zentrale Änderung betrifft die kommunalen Wohnungsunternehmen, die bisher wie „normale“ Unternehmen Profite erwirtschaften müssen. Durch das Gesetz würden sie wieder zu ihrer ursprünglichen Funktion zurückkehren: günstigen Wohnraum durch Ankauf und Neubau schaffen. Dafür sollen die kommunalen Unternehmen in Anstalten des öffentlichen Rechts umgewandelt und mit 500 Millionen Euro zusätzlichem Eigenkapital ausgestattet werden, die Mietermitbestimmung soll zudem ausgebaut werden. Der Mietenvolksentscheid soll langfristig Wohnraum dem Markt entziehen und somit dem Profitinteresse der Immobilienkonzerne. Nur so und durch den kontinuierlichen Widerstand der Mieterinnen und Mieter kann insgesamt das Problem der Wohnungsnot gelöst werden.
Das Gesetz soll im nächsten Jahr zur Abgeordnetenhauswahl zur Abstimmung gestellt werden. Damit das klappt, müssen ab Mitte April diesen Jahres in einer ersten Stufe 20.000 Unterstützerunterschriften gesammelt werden, 10.000 wurden in der ersten Woche gesammelt. Von Januar bis April 2016 werden dann etwa 175.000 Unterschriften für die 2. Stufe gesammelt. Damit das gelingt, braucht es Unterstützung: unter www.mietenvolksentscheidberlin.de kann man sich als Unterstützerin oder Unterstützer des Volksbegehrens registrieren und sich aktiv für eine soziale und solidarische Stadt engagieren.
Ein Beitrag von Max Manzey, er ist Mitglied von Die Linke.SDS und aktiv beim Mietenvolksentscheid. Der Artikel erschien zuerst in der Critica
2 Responses
Die Idee gefällt mir. Man kann sich nicht darauf verlassen, dass von der Berliner Regierung auch nur irgendetwas in dieser Richtung unternommen wird. Selbst aktiv zu werden ist die einzige Möglichkeit und mit der Berliner Erfahrung bezüglich Volksentscheide bin ich da guter Dinge… In Deutschland wurde der kommunale Wohnungsbau und geförderter Wohnraum insgesamt leider sehr früh für überflüssig erklärt und alle guten Ansätze weitgehend vernichtet (siehe z.B. Gewinnorientierung der komm. Wohnungsgesellschaften). Dass der ach so geliebte „freie Markt“ zudem nicht so agiert wie es in den kühnsten Theorien ersonnen wird (oder gerade doch?), sieht man heute in vielen deutschen Städten.
Ein Blick über die Bundesgrenzen hinweg, nach Österreich, lässt einen schon manchmal staunen, wenn man sieht, wie es auch gehen kann.
* (siehe z.B. Gewinnorientierung der komm. Wohnungsgesellschaften)
-> Hiermit meine ich nicht, dass die Gewinnorientierung ein guter Ansatz für kommunale Wohnungsverwaltungen ist, sondern es soll ein Beispiel der Vernichtung ebendieser Ansätze sein. Leider etwas unglücklich formuliert.