Facebook wird Fake-News keinen Einhalt gebieten

Facebooks Lösung für Fake-News bedeutet mehr Macht und weniger Verantwortung für das Silicon Valley. Dem müssen wir Widerstand entgegen setzen.

Die Schießerei in der Comet-Pizzeria in Washington, DC, letzte Woche hat der Causa „Fake-News“ nationale Aufmerksamkeit beschert. Der Schütze hatte den verqueren Vorwurf selbst „recherchiert“, Hillary Clinton und John Podesta betrieben von dem Restaurant aus einen Kinderpornoring. Der Vorwurf eines rechten Hetzers, zusammengesponnen aus der Info, das Restaurant unterstütze die Clinton-Kampagne als Fundraiser.

Handelt es sich hier nur um eine weitere Geschichte über einen irren Einzeltäter, wie sie sich immer wieder in einem 330-Millionen-Einwohner-Land mit exzessiver Liebe zu automatischen Waffen findet? Leider nein – Fake-Nachrichten sind eine reale Bedrohung. Informationen sind mächtig, denn sie motivieren Menschen zum Handeln. Niemand verstand das besser als Joseph Goebbels, der Antisemitismus und Xenophobie mit Hasstiraden offensiven Wahnsinns befeuerte. Exemplarisch zeigte sich der Reichstagsbrand 1933 und die darauf folgenden, konstruierten Anschuldigungen gegen einen Kommunisten. In der Hysterie um die „nationale Sicherheit“ verlieh das deutsche Parlament dem Naziregime endgültig absolute Macht.

Vielleicht auch in Anbetracht der Geschehnisse jenseits des Atlantiks, unternahm der US-Kongress Schritte, um einer ähnlichen Entwicklung in den Vereinigten Staaten vorzubeugen. Auch dort wüteten rassistische Hetzer und fremdenfeindliche Demagogen: Etwa der fanatisch antisemitische Priester Charles Coughlin, dessen Name heuer oft genannt wird. Auch die USA litten schwer unter Finanzkrise und Massenarbeitslosigkeit. Bedingungen, unter denen die etablierten Autoritäten diskreditiert werden und die Bevölkerung abseits des Mainstreams nach Lösungen für ihre Probleme sucht.

Zu dieser Zeit beobachtete der amerikanischen Gesetzgeber, wie es Regierungsgegnern gelang, über eine steigende Konzentration in der Nachrichtenbranche Einfluss auf die öffentliche Meinung zu gewinnen, um den demokratischen Prozess zu beherrschen und ihn durch den strategischen Einsatz von Falschinformationen zu zerstören. Sie bemerkten auch, wie als Lösungsstrategie für die Probleme der Zeit die absolute Macht für die Urheber dieser Falschinformationen lanciert wurde. Die Regierungsstellen entschlossen sich zu etwas in den USA bis dato Undenkbarem: Sie verhinderten eine Medienkontrolle in wenigen, privaten Händen.

Das grundlegende Ergebnis war der Communications Act von 1934, der die Federal Communications Commission schuf und einen konzentrierten Besitz von Radiostationen und Zeitungen innerhalb und über territoriale Märkte hinweg verhinderte. 1936 verabschiedete der Kongress zudem den Robinson-Patman-Act, der eine Unternehmenskonzentration in den Zulieferketten aller Industrien verhinderte und unabhängige Betreiber im Geschäft hielt.

Diese Gesetze richteten sich ausdrücklich gegen eine private Machtkonzentration im Informationssektor. Die Gesetzgeber befürchteten ansonsten die Bühne für ein politisches Desaster. Die Axt sollte an die Wurzeln der Monopole gelegt werden, bevor der Schlüssel zu einem Informations- und Nachrichtenimperium in die falschen Hände fiele.

Jedoch standen die letzten 40 Jahre im Zeichen von Rückschlägen für die Ansätze, die Macht der Privaten einzuschränken. Konsolidierung und Monopolisierung wurden angesichts ökonomischer Effizienz zunehmend gestattet. Der Hintergedanke: Giganten in den Wirtschaftssektoren kämen den Verbrauchern in Form niedrigerer Preise und größerer Auswahl zugute. Statt der Gefahr einer Machtkonzentration mit Regulierung und Wettbewerb zu begegnen, wurde die Regulierung an sich als Gefahr begriffen – und zurückgedrängt. Für die Informationsbranche war es der Telecommunications Act von 1996, der ausdrücklich zum Angriff auf die hohen Restriktionshürden von 1934 blies. Sie hatten privaten Akteuren bis dahin Kartelle und Fusionen erschwert.

Heute sind es Facebook und einige wenige andere Riesen, die wie Kolosse über dem Informationsfluss stehen und entscheiden, was überhaupt zwischen ihren Füßen von wem zu wem weitergeleitet wird. Es führt dazu, dass die Konsumenten genau das zu sehen kriegen, was ihnen gefällt – und was sie liken. Fake-Nachrichten werden immer ausgeklügelter. Beispielsweise verbreiten sie sich als Bilder, die schwerer zu finden und heraus zu sieben sind als Klartext.

So kommt es, dass die die fixe Idee, in einer Pizzeria betrieben hohe Mitglieder der Demokratischen Partei einen Kinderpornoring, sich von einer irren Fake-Geschichte zu einem Mann mit einer automatischen Waffe in einem Restaurant voller Menschen an einem Sonntagnachmittag verwandelt. Oder zu einem xenophoben Führer, der eine Minderheitenmeinung in einer umkämpften Wahl in die totale Macht über alle Bereiche und Ebenen des Staates verwandelt.

Silicon Valleys Lösung für die Fake-News-Krise ist offenbar, intern abzuklären, was mithilfe von Algorithmen verbannt werden kann. Anders ausgedrückt: noch mehr industrielle Konsolidierung, noch mehr Machtkonzentration, noch mehr undurchschaubare und unkontrollierbare Entscheidungen der Mächtigen. Das entspricht einem Schulterzucken, einer Mauschelei der Social-Media-Milliardäre, während die Welt brennt.

Der Senator Joseph Robinson und der Kongressabgeordnete Wright Patman, die Väter des Robinson-Patman-Acts, hatten die richtige Idee: Sicherzustellen, dass die Macht nicht in wenigen, privaten Händen konzentriert wird. Angefangen bei den Pförtnern des Informationsflusses, wie Facebook, die entscheiden, wer was von wem zu sehen bekommt – nach den Kriterien, die sie selbst festlegen. Die Bedrohung für die Demokratie kann gar nicht überschätzt werden.

Der Beitrag von Marshall Steinbaum erschien im Jacobin-Maga und wurde übersetzt von David Danys

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