Neue Zeiten brauchen neue Medien

Neue Zeiten brauchen neue Medien! Denn wenn Aufrüstung und Krieg Konjunktur haben, tobt immer auch der Kampf um die Deutungshoheit. Man muss nicht „Lügenpresse!“ skandieren, aber die Frage, wem die Mediengruppen und Verlagshäuser gehören, wer in den Zeitungen seine Werbung schalten darf und wer ein Interesse an einer bestimmten Berichterstattung hat, muss gestellt werden, um sich in diesen unübersichtlichen Zeiten richtig zu positionieren. Die Freiheitsliebe hat dies getan und schlägt nun neue Wege ein.

Es ist allgemein bekannt, dass für die Rolle der Medien in Gesellschaft und Staat gern der Begriff der „Vierten Gewalt“ verwendet wird. Nicht grundlos: Zeitungen, Radio, Film und Fernsehen haben einen enormen Einfluss auf herrschende Diskurse und unser Denken und Handeln. Neben der ausführenden Gewalt (Exekutive), der rechtsprechenden Gewalt (Judikative) und der gesetzgebenden Gewalt (Legislative) sollen die Medien als berichterstattende Gewalt über die Angemessenheit und Korrektheit der anderen Gewalten wachen. So weit, so schlecht. Denn wer genau hinsieht, wird schon seit längerem einen medialen Diskurs erkennen, der nicht aufklärt, sondern verschleiert.

Erinnert sei beispielsweise daran, dass in den 1990er Jahren nach den Lichterketten und Großdemonstrationen gegen brennende Asylbewerberunterkünfte der Begriff „Rassismus“ nahezu schleichend durch Wörter wie „Fremdenfeindlichkeit“ oder „Gewalt“ ersetzt wurde. In einer Zeit, in der die Zivilgesellschaft couragiert aufstand, um Gesicht zu zeigen, trugen die Medien dazu bei, den allgemeinen Rechtsruck der frühen neunziger Jahre diskursiv zu entschärfen. Redakteure und Kommentatoren stellten sich damit vielfach in den Dienst der Politik, die den Artikel 16 im Grundgesetz, der das Recht auf Asyl sicherstellte, einschränken wollte. Jeder und jede, die in diesen Zeiten auf die Straße gingen, bewiesen mehr Courage als die vielen Medienschaffenden, die nicht wagten, die einseitigen Schaubilder des Bundesinnenministeriums infrage zu stellen. Sie hatten nicht den Mut, die verfälschenden Vergleiche zwischen Deutschland und anderen europäischen Ländern bei Flucht und Einwanderung zu objektivieren. Und so verzichteten sie darauf, der Verbreitung einer rassistischen Stimmung in jenen Jahren wirkungsvoll entgegenzutreten.

Ein Muster der Desinformation, das sich später immer wieder wiederholte. Denken wir beispielsweise an die Berichterstattung auf dem Höhepunkt der Eurokrise. Obwohl in ganz Europa, vor allem aber in Griechenland, im „Interesse der Gläubiger“ der Sozialstaat Scheibe für Scheibe abgetragen wurde, fand sich in den deutschen Zeitungen und Fernsehbeiträgen kaum ein kritisches Wort darüber – nicht einmal als offensichtlich wurde, dass die von den Europäischen Institutionen durchgesetzten Maßnahmen sogar gegen die ILO-Kernarbeitsnormen verstießen. Stattdessen waren die deutschen Gazetten voll von Erzählungen über die „faulen Griechen“, über kurze Arbeitszeiten, hohe Löhne und Taxifahrer, die fälschlicherweise Blindengeld kassierten. Indem sie durch derlei Berichterstattung die Akzeptanz für Rentenkürzungen und die Einschränkung der Grundrechte schufen, wirkten Medien nicht mehr kontrollierend. Sie stabilisierten vielmehr die politische Macht und den herrschenden Diskurs.

Zu der seit Jahrzehnten trainierten einseitigen Berichterstattung kommt nun jedoch ein bedrohlich autoritärer medialer Diskurs. Statt dass Meinungsspektrum offen und breit zu halten, geht die mediale Berichterstattung mehr und mehr dazu über, den Meinungskorridor zu verengen. Als Bundeskanzler Olaf Scholz die Zeitenwende ausrief, war klar: Jetzt bleibt kein Stein auf dem anderen. Seit zweieinhalb Jahren arbeitet die Bundesregierung mit Hochdruck daran, dass alle gesellschaftlichen Bereiche dem Primat der Zeitenwende untergeordnet werden. Nicht nur die Sozialpolitik. Nicht nur die Klimapolitik. Auch und ganz besonders die öffentliche Berichterstattung. Und das nicht etwa zufällig: Die Bundesregierung bereitet den Krieg gegen Russland vor. Sie muss erreichen, dass die Mehrheit der Bevölkerung diesen Krieg entweder begrüßt oder als notwendig akzeptiert. Dass sich unterschiedliche Einschätzungen gleichberechtigt gegenüber stehen, ist daher nicht länger vorgesehen. Widerstrebende Meinungen müssen diskreditiert werden. Die übergroße Zahl der Medienschaffenden scheint sich zu einer informationspolitischen Phalanx zusammengeschlossen zu haben, um die außenpolitische Linie der Bundesregierung bereitwillig zu schultern.

Wer wie die MDR-Redakteurin Rommy Arndt ihre Kolumnen nutzt, um Panzerlieferungen an die Ukraine zu kritisieren, wird öffentlich gemaßregelt. Zur Außenpolitik konträre Positionen werden nicht als streitbare, legitime, sondern als putinfreundliche Positionen hingestellt und als angebliche Desinformation etikettiert. Niemand hinterfragt, wenn Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius die Wehrpflichtdebatte wie eine Fachkräftedebatte aufsetzt. Niemand argumentiert, wenn Pistorius und Scholz die brandgefährliche Stationierung US-amerikanischer Mittelstreckenraketen in Deutschland mit dem Schließen sogenannter „Fähigkeitslücken“ begründen. Niemand stellt richtig, wenn Regierungsvertreter fälschlicherweise behaupten, Putin sei derjenige gewesen, der die internationalen Rüstungskontrollabkommen gebrochen habe. Und offenbar hat auch niemand den deutschen Presserat eingeschaltet, als ein kriegsverharmlosender Animationsfilm, der die Zögerlichkeit des Bundeskanzlers bei Taurus-Lieferungen ins Lächerliche zog, im öffentlich-rechtlichen Kinderfernsehen des ZDF ausgestrahlt wurde.

Seit dem 7. Oktober 2023 erkennen wir, dass dieser Diskurs eine weitere Zuspitzung erfahren hat. Wir erleben eine Berichterstattung über den Nahost-Konflikt, die einseitiger nicht sein könnte. Obwohl die ultrarechte Netanyahu-Regierung seit einem Jahr den Gazastreifen in Schutt und Asche bombt und für ökologische Verwerfungen, vor allem aber für unfassbares menschliches Leid sorgt, spielen palästinensische Schicksale, Ängste, Sorgen, Trauere und Wut in der deutschen Berichterstattung keine Rolle. In den Talkshows redet man über Palästinenser, nicht aber mit ihnen. Ihre Perspektive auf die einseitige Positionierung der Bundesregierung soll nicht sichtbar und schon gar nicht legitim werden.

Stattdessen werden die Bombardierungen des Gazastreifens als „durchdachte Verteidigungsstrategie“ der Netanyahu-Regierung eingeordnet. Und der Einmarsch israelischer Truppen im Libanon ist nicht etwa Krieg, sondern eine „lokal begrenzte“ Militäroperation. Die Äußerungen der Bundesregierung, die mantraartig vorträgt, Deutschland stünde solidarisch an der Seite Israels, wird völlig unkritisch medial getragen und transportiert. Ist es wirklich zu viel verlangt, kritisch nachzufragen, wo genau in Israel die Bundesregierung ihren Platz beansprucht? Denn offensichtlich ist der Platz neben Netanyahu ein anderer als der neben der israelischen Friedensbewegung, die seit Monaten für ein Ende der Bombardierungen auf die Straße geht. Die „deutsche Staatsräson“, die dazu dient, die Kritik am Genozid im Gazastreifen zu diskreditieren, wird nicht infrage gestellt. Und als die Pager an den Körpern vieler unschuldiger libanesischer Zivilisten explodierten, war in den deutschen Medien Hohn, Spott und Triumph zu lesen.

Es sind Medienschaffende, die die Macht über die Formulierung von Alternativen besitzen. Sie können andere Optionen, kritische Sichtweisen und alternative Orientierungsangebote in den öffentlichen Diskurs mitaufnehmen. Leider tun sie es nicht oder immer weniger. Yanis Varoufakis wird von den deutschen Behörden an der Einreise nach Deutschland und damit an der Teilnahme des Palästinakongresses gehindert, ohne dass die Medien diese ungeheure Anmaßung deutscher Behörden öffentlich kritisieren. Auch Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger kann sich deshalb weiterhin auf ihrem Ministerposten halten, weil Medienschaffende ihr das Führen von politischen Listen, die Disziplinierung von Hochschullehrern und den Maulkorb für ihre ehemalige Staatssekretärin einfach durchgehen lassen. Und dass die Bundeswehr bundesweit Heimatschutzregimenter aufbaut, in denen Freiwillige nach 17 Tagen Ausbildung eine Waffe in die Hand bekommen, um im Ernstfall kritische Infrastruktur zu schützen, gleichzeitig aber auch den Einsatz gegen Demonstranten trainieren – die Bundeswehr, wohlgemerkt, die im Landesinneren gar nicht eingesetzt werden darf – wird zwar berichtet, aber eher beiläufig, wie zufällig und natürlich ohne kritische Nachfragen.

Dass die Zeiten sich ändern, ist also offensichtlich. Das ist der Kern der Zeitenwende. Nichts bleibt, wie es war. Kein Stein auf dem anderen. Alles ändert sich. Und wenn sich unter diesen Vorzeichen die mediale Berichterstattung vorbehaltlos den Regierungszielen verpflichtet, statt die Exekutive zu kontrollieren, dann ist es Zeit für neue Medien. Wir wollen über den journalistischen Ethos reden. Wir wollen an dem Anspruch der vierten Gewalt anknüpfen. Statt zu disziplinieren und zu diskreditieren, wollen wir durch unsere Berichterstattung informieren, aufdecken und kontrollieren. Wir wollen die Perspektive derjenigen sichtbar machen, die im medialen Diskurs nicht erwünscht sind. Wir wissen: Objektive Berichterstattung gibt es nicht. Medien stehen entweder im Dienst der Herrschenden oder an der Seite der Unterdrückten, Ausgebombten und Vertriebenen. Wir haben uns dazu entschieden, dass unser Platz bei Letzteren ist. Ihre Perspektive wollen wir teilen. Freiheitsliebe war gestern – Etosmedia ist heute. Im Dienst eines kritischen und politischen Journalismus.

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