Unter dem Hashtag #ichbinhanna machen zur Zeit zahlreiche Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ihrer Wut über prekäre Arbeitsbedingungen Luft. Gleichzeitig streiten studentische Beschäftigte für einen Tarifvertrag – den TVStud. Aktive berichten.
Bundesweit entwickelt sich zurzeit eine neue Dynamik an den Hochschulen und Universitäten. In den sozialen Netzwerken finden sich unter #ichbinhanna Berichte aus dem Wissenschaftsbetrieb. Dabei kritisieren sie konkret ein Erklärvideo des Bundesministeriums für Bildung und Forschung. Darin wird die Befristungspraxis für innen und Wissenschaftler gerechtfertigt. Die Beschäftigten wollen die ewige Befristung und Unterfinanzierung, die Individualisierung der politischen Probleme und die Überbelastung nicht länger hinnehmen.
In der TVStud-Bewegung organisieren sich Studentische Hilfskräfte und Tutorinnen und Tutoren im Kampf für bessere Arbeitsbedingungen. In Deutschland arbeiten weit über 300.000 Studierende als Hilfskräfte. Das Problem: Sie haben nur in Ausnahmefällen Tarifverträge, gesetzliche Mindeststandards guter Arbeit werden dabei missachtet.
Nicht die Professorinnen und Professoren, sondern der sogenannte Mittelbau hält den Lehr- und Forschungsbetrieb am Laufen. Aber auch studentische Hilfskräfte übernehmen essentielle Aufgaben an den Hochschulen – als Assistenz in der Forschung, in den Bibliotheken, der Verwaltung und als Tutorinnen und Tutoren in der Lehre. Doch klare Regelungen für Arbeitszeiten und Urlaubstage gibt es für sie nicht. Sogar die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall wird vielen verweigert.
Die Verbesserung der Lage für Tausende von Hilfskräften wäre dieses Jahr noch möglich – indem ein Tarifvertrag – der TVStud – flächendeckend eingeführt wird. Jedoch blockiert die Arbeitgeberinnenseite die Verhandlungen. Damit verweigert die Tarifgemeinschaft deutscher Länder über 300.000 Beschäftigten im öffentlichen Dienst ihre Mitbestimmungsrechte.
Diese Blockadehaltung lässt sich nur durch politischen Druck brechen. Deshalb haben sich in mehr als 20 Städten Studierende auf den Weg gemacht und TVStud-Initiativen aufgebaut. In Zusammenarbeit mit ver.di und der GEW versuchen sie, einen neuen gewerkschaftlichen Wind an die Hochschulen zu bringen. In Städten wie Hamburg, Bremen und Göttingen gehen die Initiativen nun in die Streikvorbereitung. Weitere Aktionen sind für den Herbst geplant, wenn die Tarifrunde der Länder beginnt.
Die Hochschulen in Berlin zeigen, wo die Reise hingehen soll: Über Jahre hinweg haben studentische Hilfskräfte in der Hauptstadt Druck gemacht und am Ende einen Tarifvertrag erkämpft. Heute profitieren dort auch Studierende, die an der Hochschule arbeiten, von grundlegenden Arbeitsrechten wie betrieblicher Mitbestimmung, einem gerechten Lohn und geregelten Vertragslaufzeiten.
Mit #ichbinhanna und der TVStud-Bewegung gelangt eine neue Bildungsbewegung an die deutschen Hochschulen. Sie zeigt: Gute Bildung und Forschung kosten Geld und profitieren von guten Arbeitsbedingungen. Die Bereitschaft besteht, sich zu organisieren, zu streiken und in den Konflikt mit der Politik zu gehen. Starke und mutige Gewerkschaften an den Hochschulen, Studierende, die ihr Recht auf gute Bildung und Beschäftigung ernst nehmen – das ist ein erster Schritt zum Systemwechsel an der Universität. Weg von der unternehmerischen, hin zur demokratischen Hochschule.
Der Artikel von TVStud-Aktiven erschien in der Critica