Die repressiven Prostitutionsgesetze abwehren

Politikerinnen der Linken fordern ein Verbot von käuflichem Sex. Der Ruf nach einer „Welt ohne Prostitution“ stellt vor allem einen Angriff auf Prostituierte dar, meint Rosemarie Nünning.

Wie polarisiert die Diskussion über käuflichen Sex ist, zeigte sich vor zwei Jahren: Alice Schwarzer, Herausgeberin der feministischen Zeitschrift „Emma“, hatte einen „Appell gegen Prostitution“ verfasst, auf den umgehend ein „Appell für Prostitution“ aus dem Sexgewerbe folgte. Schwarzer lehnt die liberale Prostitutionsgesetzgebung aus dem Jahr 2002 ab und befürwortet die Bestrafung von Freiern nach dem „schwedischen“ oder „nordischen Modell“.

Auf der anderen Seite fasste im August vergangenen Jahres eine internationale Konferenz von Amnesty International (AI) einen Beschluss für die Entkriminalisierung von Prostitution zum Schutz der Sexarbeiterinnen und -arbeiter. Es folgte ein Aufschrei der französischen und skandinavischen Sektion von AI ebenfalls mit der Forderung, dem „nordischen Modell“ zu folgen.

Dieses „Modell“ ist allerdings heftig umstritten. Die Befürworter behaupten, Prostitution sei dadurch in der schwedischen Öffentlichkeit geächtet und habe sich mindestens halbiert. In einem Regierungsbericht von 2010 heißt es dagegen, Prostitution sei „zumindest nicht angestiegen“, und die Uno warnt vor einer Kriminalisierung, weil Sexarbeit dadurch in den Untergrund getrieben werde und damit höhere Risiken auch für die Gesundheit der Betroffenen berge

Rückfall in schlimmstes preußisches Polizeiunwesen

Inzwischen liegt ein Arbeitspapier aus dem Bundesfamilienministerium vor, das die Erfassung aller in der Prostitution Tätigen vorsieht und eine extreme Ausweitung polizeilichen Kontrollrechts, den Bruch des Datenschutzes und die Aufhebung der Unverletzlichkeit der Wohnung enthält. „Emma“ begrüßt diesen Rückfall in schlimmstes preußisches Polizeiunwesen und beklagt noch, dass sich CDU/CSU bisher nicht mit repressiveren Maßnahmen durchsetzen konnten.

Die Linksfraktion im Bundestag bezog im Dezember 2014 Stellung mit einem etwas zu liberalen Ton, da sie ebenfalls Hilfe zur Professionalisierung forderte. Niemand sollte sich prostituieren müssen, stattdessen muss es mehr Hilfen zum Ausstieg geben. Prostitution ist bei einem Frauenanteil von über 80 Prozent zudem immer noch unmittelbarer Ausdruck von Frauenunterdrückung – die „auf den Leib geschriebene Ausbeutung“, wie Friedrich Engels es nannte. Richtigerweise wendet sich die Fraktion vor allem aber gegen Sondergesetze und Kriminalisierung.

Diese Positionierung wollen Akteurinnen und Akteure innerhalb und außerhalb der Linken nun mit dem Aufruf „Linke für eine Welt ohne Prostitution“ zugunsten des „nordischen Modells“ zu Fall bringen.

Eine italienische linke Soziologin und Forscherin über Prostitution meint dazu: Der „Krieg gegen Drogen“ treffe als Erstes die Drogenabhängigen. Der Ruf nach einer „Welt ohne Prostitution“ stelle ohne eine gesellschaftliche Revolution vor allem einen Angriff auf Prostituierte dar.

Das heißt, wir müssen gemeinsam an allererster Stelle die repressiven Gesetze abwehren, die die Bundesregierung vorbereitet! Sie sind ein Instrumentarium, das Prostituierte in Illegalität und Gefahr drängt, statt sie zu schützen, und weit über das Feld der Prostitution hinausreicht. Wir sollten es mit Engels halten, der 1893 an August Bebel schrieb: „Solange Prostitution nicht ganz abschaffbar, ist nach meiner Ansicht vollständige Befreiung der Mädel von aller Ausnahmsgesetzgebung für uns erstes Gebot. (…) Wir haben vor allen Dingen die Interessen der Mädel selbst, als Schlachtopfer der heutigen Gesellschaftsordnung, ins Auge zu fassen und sie vor dem Verlumpen möglichst zu schützen – wenigsten nicht durch Gesetze und Polizeischweinereien sie direkt zur Verlumpung zu zwingen.“

Die Autorin: Rosemarie Nünning ist Vorstandsmitglied im Berliner Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg der LINKEN. Der Artikel erschien im Magazin Marx21

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