Serbiens neuer alter Premierminister

Aleksander Vučić ist Serbiens neuer alter Premierminister. Seine Wahlkoalition um die nationalkonservative „Fortschrittspartei“ (SNS) koaliert mit der, sich selbst als sozialistisch bezeichnenden, Partei Ivica Dačićs. Der Westen feiert Aleksander Vučić als Aushängeschild für die „europäische Integration“ des Balkans. Für die Menschen in Serbien bedeutet die Wahl vier weitere Jahre Stillstand.

Die „Verbrechen“ des neuen und alten Premierministers Vučić an den Einwohnerinnen und Einwohnern Serbiens ist lang und reiht sich in die wirtschaftsfreundliche und neoliberale Politik seiner Vorgänger ein: Senkung der Gehälter im öffentlichen Dienst, Stellenabbau, Privatisierungen, Senkung der Renten und Sozialversicherungen, Verkauf öffentlicher Infrastruktur und die Fortführung von subventionierten Flat-Tax-Zones.

Das nun vorgestellte neue 450 seitige „Regierungsprogramm“ ist nichts anderes als ein Bekenntnis zur Wirtschaftspolitik Europas und somit zu weiteren Deregulierungs- und Privatisierungsmaßnahmen. Während der Vorstellung des Programms waren neben zwei „Beratern“ auch das Oberhaupt der serbisch-orthodoxen Kirche sowie etliche Botschafter anwesend.

Die neue Regierung

Die neue Regierung besteht aus den „üblichen“ Verdächtigen. Neben Dačić als stellvertretendem Premierminister wurden unter anderem Rasim Ljajić, Nebojša Stefanović und Zoran Đođević zu Minstern ernannt. Für den einzigen „Eklat“ sorgte die neue Ministerin Ana Brnabić. Das offen homosexuelle SNS Mitglied soll das Resort über die öffentliche Verwaltung übernehmen. Über die Lage der LGBT Community Serbiens sagt dies jedoch wenig aus, denn diese ist nach wie vor problematisch. Homosexualität wurde im Land erst 1994 „legalisiert.“ Gleichgeschlechtliche Partnerschaften sind laut Verfassung des Landes nicht möglich.  Die „Gay Straight Alliance“, einer der größten LGBT Verbände glaubt trotzdem, dass die Berufung Brnabićs die Akzeptanz und das Verständnis für die Community in Serbien verbessen wird.

Parlamentarische Opposition verlässt Parlament

Das Wahlbündnis „Es ist genug“, bestehend aus der Demokratischen Partei und der Sozialdemokratischen Partei Serbiens, haben nach nur zwei Stunden die Sitzung zur Wahl der neuen Regierung verlassen und erklärten, dass sie dem „Schauspiel“ keine Legitimität durch ihre Anwesenheit verschaffen wollten.  Ihrer Ansicht nach war die Sitzung zur Wahl der neuen Regierung sowie die Veröffentlichung des neuen Regierungsprogrammes viel zu kurz angesetzt, so dass sie sich nicht auf die Sitzung vorbereiten konnten. Dies würde demokratischen Grundwerten widersprechen.

Das Programm

Die neue alte Regierung geht mir ihrem neuen Programm den geleichen Weg wie zuvor. Außenpolitisch ist die EU Mitgliedschaft das oberste Ziel. Bis 2019 sollen alle Kapitel der Beitrittsverhandlungen abgeschlossen sein. Konkret bedeutet dies die Anpassung an die neoliberale Wirtschaftsform der EU. Gleichzeitig sieht man in Russland, China, den USA sowie den arabischen Staaten weitere wichtige Partner. Die Fortschrittspartei sowie der pseudo-sozialistische Partner wollen sowohl die Partnerschaft mit der Eurasischen Union, als auch den BRICS Staaten ausbauen.  Wie lange ein solcher Spagat zwischen Moskau, Peking, Brüssel und Washington gut geht ist fraglich.

Gleichzeitig wurde eine „effektivere Verwaltung“ angekündigt, was im Umkehrschluss nur Entlassungen bedeuten kann. Die letzten größeren Pfründe des Landes sollen laut Regierung privatisiert werden Srbijagas, die serbische Eisenbahn, der serbische Stromerzeuger sowie die Telekom. Bei letzterem drückt sich die Regierung im Programm selbst vor eindeutigen Formulierungen, da es bereits mehrfach Widerstand gegen die Privatisierung der staatlichen Telekommunikation gab.

Des Weiteren möchte  der Präsident ca. 200 Kilometer neue Autobahnen bauen, 806 Kilometer Eisenbahnstrecke erneuern, 320 Klärwerke hochziehen und die Inklusion der Roma voranbringen. Die Antwort auf die Frage der Finanzierung der Projekte bleibt er schuldig. So sind es bisher lediglich leere Worthülsen und mögliche Projekte, von denen am Ende nur die Privatwirtschaft profitiert.

Nicht fehlen durfte natürlich das Thema Kosovo: Vučić betonte, das auch die neue Regierung die neue „de facto“ Republik nicht anerkennen werde, sondern im gegenteil die serbischen Institutionen weiter ausbauen möchte.

Zu guter letzt lobte sich Vučić selber für seine bisher „erfolgreiche“ Law & Order Politik. Er kündigte die Schaffung weiterer Spezialeinheiten an, welche für den Großteil der Bevölkerung nur mehr Überwachung und Kontrolle bedeuten werden.

Was daraus Folgt?

Die Regierung hat nicht vor vom wirtschaftsfreundlichen Kurs abzuweichen, den Mindestlohn anzuheben oder gar die Absenkung von Renten, Sozialhilfe oder den Gehältern im öffentlichen Dienst zurückzunehmen. Im Gegenteil. Alles ist dem Mantra des ausgeglichenen Haushalts unterworfen. Die Leidtragenden sind die Menschen in den Städten und Dörfern. Die Arbeitslosigkeit unter allen Erwerbsfähigen ab 15 Jahren beträgt 42,4 Prozent. Die offizielle Arbeitslosenstatistik zählt 19 Prozent Arbeitssuchende, während bei den Jugendlichen 44,2 Prozent ohne Arbeit sind. Von der parlamentarischen Opposition ist wenig Widerstand zu erwarten, da ihre Wirtschaftsprogramme dem der Regierung ähneln oder sogar noch weitergehen.

Die außerparlamentarische Linke müsste nun den Widerstand organisieren. Einen Anknüpfungspunkt könnten die Proteste gegen „Belgrad am Wasser“ sein. Denn seit Monaten protestieren tausende Menschen gegen das Belgrader Prestigeprojekt des Premierministers, dass aus einem alten Belgrader Stadtteil einen „Modernen“ und „Vorzeigbaren“ machen soll. Subventioniert wird das Ganze mit arabischen Millionen. Die alteingesessene Bevölkerung wird zwangsenteignet. Demokratie sieht anders aus.

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