Griechenland vor der Entscheidung: Welche Option hat Syriza jetzt?

Für Griechenland beginnt eine »Schicksalswoche«: Im Zuge der Verhandlungen nimmt die Kritik an der Kürzungspolitik der Troika zu. Doch welche Alternativen zur Fortsetzung der Austeritätspolitik gibt es? marx21-Autor Christian Schröppel über die Ursachen der Krise in Griechenland, keynesianische Lösungsansätze und die Aufgaben der Linken.

Seit fünf Jahren befindet sich Griechenland in einer tiefen Rezession. Umfassende Kürzungsprogramme und ein neoliberaler Umbau der Arbeitsbeziehungen führten zu hoher Arbeitslosigkeit und weit verbreiteter Armut. Im Januar 2015 wählten die Griechen eine neue, linke Regierung, von der sie vor allem einen Stopp der Kürzungspolitik erwarten. Die Troika aus EU-Kommission, EZB und IWF besteht jedoch auf einer Fortsetzung der Austeritätspolitik. Welche Optionen hat die linke Partei Syriza, die mit Alexis Tsipras den Premierminister Griechenlands stellt?

Von der Finanzkrise zur Eurokrise

Seit 2008 befindet sich die Weltwirtschaft in einer Stagnationskrise. Trotz historisch niedriger Zinsen sind die Wachstumsraten gering. Banken bezahlen lieber Strafzinsen an die EZB, um ihr Geld dort zu lagern und eine hohe Liquidität zu sichern, als es an Unternehmen zu verleihen.
Die Finanzkrise begann bereits 2007, als in der USA der Markt für Hypothekendarlehen an Schuldner geringer Bonität zusammenbrach. Mit dem Zusammenbruch der US-amerikanischen Investmentbank Lehman Brother breitete sich die Krise weltweit wie ein Lauffeuer aus. Investoren aus den Kernländern Europas zogen Anlagen aus den sogenannten Peripheriestaaten zurück. Betroffen waren sowohl der private wie auch der öffentliche Sektor dieser Volkswirtschaften.
Unter den neuen weltwirtschaftlichen Bedingungen wurde das zukünftige Wachstum dieser Staaten sehr viel pessimistischer eingeschätzt. Bestehende Staatsschulden wurde als nicht mehr tragfähig angesehen, und auf Grund des geringeren Wachstums wurde unterstellt, dass die aktuelle Neuverschuldung dieser Staaten auf einen nicht dauerhaft tragfähigen Pfad der Schuldenentwicklung führen würde.

An Stelle des ernsthaften Versuchs, die Weltwirtschaft durch eine Stützung der Nachfrage in den Gläubigerländern, vor allem in Deutschland, zu stützen, wurde den Ländern der europäischen Peripherie eine drastische Sparpolitik verordnet. Die Löhne in Portugal, Spanien und Griechenland sind seitdem gesungen, Millionen Menschen wurden entlassen oder finden als junge Erwachsene keine Arbeit. Auch Italien steckt in einer andauernden Rezession. Besonders stark traf es Griechenland: In keinem anderen Land waren die Kürzungen von sozialen Leistungen und Renten so einschneidend wie in Griechenland, keine Regierung hat in gleichem Umfang in das System kollektiver Tarifverhandlungen zwischen Gewerkschaften und Arbeitgebern eingegriffen.
Kollaps der etablierten Parteien
Die etablierten Parteien in den südeuropäischen Ländern trugen die Kürzungsmaßnahmen mit, die von bürgerlich-konservativen ebenso wie von sozialdemokratisch geführten Regierungen umgesetzt wurden. In Griechenland führte dies zu einem dramatischen Einbruch dieser Parteien in Wahlen und Umfragen.

Premierminister Alexis Tsipras hat weiterhin große Unterstützung in der griechischen Bevölkerung. Er ist zugleich der einzige führende Politiker, der nicht von einer deutlichen relativen Mehrheit der Befragten als Premierminister abgelehnt wird. Deshalb sind Schlagzeilen in deutschen Medien, darunter der Tagesschau, in denen es unter anderem heißt »Regierungspartei Syriza unter Druck«, »Nur wenige glauben noch der Regierung« irreführend. Sie legen nahe, dass die Linke in Griechenland in der Defensive sei und deshalb gegenüber den Forderungen der Gläubiger kapitulieren müsse. Tatsächlich ist Syriza diejenige politische Kraft in Griechenland, die das Vertrauen eines großen Teils der griechischen Bevölkerung und eine aktive Basis in den Betrieben und in der Gesellschaft insgesamt besitzt.

Eine Umfrage im Mai ergab, dass 58 % der Befragten von der griechischen Regierung verlangen, keine Zugeständnisse an die Institutionen der Gläubiger (EU-Kommission, EZB und IWF) zu machen, während 37 % zu Zugeständnissen bereit sind. Nur wenige Befragte sind allerdings bereit, die Gesamtheit der bisher von den Gläubigern geforderten Maßnahmen zu akzeptieren: 89 % lehnen Kürzungen regulärer Renten ab, 79 % lehnen die Kürzung von Zusatzrenten ab, 81 % lehnen es ab, die Beschränkungen von Massenentlassungen aufzuheben.

In der gleichen Umfrage sprechen sich 71 % für die Beibehaltung des Euro und 19 % für eine Rückkehr zur Drachme aus. Dies drückt die Hoffnung aus, dass in den Verhandlungen der griechischen Regierung mit den Institutionen der Gläubiger eine Vereinbarung getroffen werden kann, die einen Verbleib Griechenlands im Euro bei möglichst geringen Zugeständnissen der Regierung gestattet. Da die EU-Kommission, die EZB und der IWF, trotz im Detail unterschiedlicher Positionen, weiter auf einem umfassenden Kürzungsprogramm mit bestenfalls einzelnen kosmetischen Veränderungen bestehen, erscheint dieses Ziel unerreichbar.

Es ist schwer vorherzusagen, wie die griechische Bevölkerung im Falle eines Referendums über ein konkretes von den Institutionen der Gläubiger vorgelegtes Maßnahmenpaket abstimmen würde. Von zentraler Bedeutung für diese Entscheidung ist, dass die führenden Politiker von Syriza die Diskussion über notwendige Alternativen und einen möglichen Austritt Griechenlands aus dem Euro nicht weiterhin mit dem Verweis auf angeblich erfolgversprechende Verhandlungen in den Hintergrund drängen. Es ist nachvollziehbar, dass Syriza angesichts der Stimmung in der Bevölkerung Griechenlands ist nicht als treibende Kraft eines Austritts Griechenlands aus dem Euro erscheinen will. Fahrlässig wäre es jedoch, nicht darauf hinzuweisen, dass die Ablehnung des von den Gläubigern geforderten wirtschaftspolitischen Programms mit großer Wahrscheinlichkeit zum faktischen Ausschluss aus dem Euro führen würde.

Eine europäische Lösung?

Sowohl die griechische Regierung wie auch keynesianisch orientierte Politiker und Wissenschaftler haben Vorschläge gemacht, wie die Wirtschaftskrise in Griechenland durch eine Änderung der Wirtschaftspolitik der Europäischen Union und verschiedene Einzelmaßnahmen überwunden werden könne.Sowohl die griechische Regierung wie auch keynesianisch orientierte Politiker und Wissenschaftler haben Vorschläge gemacht, wie die Wirtschaftskrise in Griechenland durch eine Änderung der Wirtschaftspolitik der Europäischen Union und verschiedene Einzelmaßnahmen überwunden werden könne.

Der griechische Finanzminister Yanis Varoufakis, der vor seinem Eintritt in die Regierung als Professor für Wirtschaftstheorie an der Universität Athen, hat sich bereits in den vergangenen Jahren immer wieder zur Finanzkrise, zur europäischen Währungsunion und zur Wirtschaftspolitik der EU geäußert. Zu Recht weist er darauf hin, dass eine auf eine Steigerung der Binnennachfrage orientierte Politik Deutschlands zwar wünschenswert sei, aber die Probleme Griechenlands nicht allein und auch nicht rechtzeitig lösen könne. Gleiches gelte für eine expansivere Politik der EZB. Gemeinsam mit dem Wirtschaftswissenschaftler Stuart Holland und (ab der 4. Version des Textes) mit dem Ökonomen James K. Galbraith legte Varoufakis ein Denkschrift vor, die unter dem Titel »Bescheidener Vorschlag zur Lösung der Eurokrise« veröffentlicht wurde. Die Autoren schlagen folgende Maßnahmen vor:

  1. Nationale Regierungen sollen die Restrukturierung oder auch Abwicklung notleidender Banken dem Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) übertragen können. Dies hätte insbesondere zur Folge, dass die jeweiligen Staaten nicht mehr für die Rettungskredite an diese Banken bürgen müssten.
  2. Für Kredite der Einzelstaaten bis zu einer Höhe von 60% des Bruttoinlandsprodukts übernimmt der ESM eine Ausfallbürgschaft und ermöglicht so eine geringere Zinsbelastung der Schuldnerländer.
  3. Die Europäische Investitionsbank und der Europäische Investitionsfonds legen ein umfassendes Investitionsprogramm auf, das über Infrastruktur hinaus auch Bereiche wie Umweltschutztechnologien, Mittelstandsförderung und Risikokapitalfinanzierung umfassen soll. Damit soll unter anderem die wirtschaftlich-technologische Entwicklung in den Staaten der EU-Peripherie gestärkt werden.
  4. Aus den Zinserträgen der TARGET-2-Kreditsalden sollen Programme zur Bekämpfung der Armut und humanitärer Notstände finanziert werden.

Ein Austritt Griechenlands aus dem Euro, schreibt Varoufakis im Mai 2012, sei nicht möglich, da die Umstellung auf eine neue Währung unwägbare Risiken für das Funktionieren des Wirtschaftskreislaufs berge und Griechenland – anders als z.B. Argentinien, das im Jahr 2000 die Bindung des Peso an den US-Dollar aufhob – keine exportorientierten Industrien habe, die nach einer Abwertung zu einem selbsttragenden Aufschwung führen könnten.

Können die wirtschaftlichen Schwierigkeiten Griechenlands mit den von Varoufakis eingebrachten Vorschlägen gelöst werden? Sie würden sicherlich zunächst den Spielraum Griechenlands für eine Erhöhung sozialer Ausgaben erhöhen und die Belastung durch Zinsen und finanzielle Risiken senken. Jedoch würden sie den durch die freie Konkurrenz des EU-Binnenmarkts beschleunigten De-Industrialisierungsprozess in den Ländern der EU-Peripherie nicht umkehren können. Gegen die Marktkräfte, die nach Überzeugung der führenden Länder in der EU wie auch der internationalen Finanzinstitutionen weitgehend ungehindert wirken sollen, wären auch EU-Investitionsprogramme machtlos. Zudem bliebe das Problem, dass zwar die Löhne der griechischen Arbeitnehmer seit Ausbruch der Krise deutlich gesunken sind, die Lebenshaltungskosten in Griechenland jedoch weiter gestiegen sind, bestehen.

Innerhalb des Euros ist ein Rückgang des Preisniveaus, der die frühere Kaufkraft der Löhne bezüglich der inländischen Produktion wieder herstellen könnte, jedoch nur als Folge einer jahrelangen deflationären Entwicklung möglich. Die Geschichte der großen Depression der 1930er Jahre, aber auch die Situation Japans in den 1990er Jahren zeigen, dass derartige deflationäre Phasen zu einer Stagnation der Wirtschaft und einem Anstieg der Arbeitslosigkeit führen. Ein Rückgang des Preisniveaus in Griechenland innerhalb des Euros ist jedoch nur als Ergebnis einer jahrelangen deflationären Entwicklung, vergleichbar mit dem »verlorenen Jahrzehnt« Japans, zu erwarten.

Der keynesianisch orientierte Ökonomen Rudolf Hickel sieht in einem Austritt aus dem Euro unkalkulierbare Risiken für Griechenland. Seine zum Teil sehr pessimistischen Annahmen über die Wirtschaftsentwicklung nach einem Euro-Austritt – etwa die These, dass das Exportvolumen praktisch nicht auf Veränderungen des Wechselkurses reagieren würde etwa die weitgehend preisunelastischen Exporte – lassen sich zwar mit guten Gründen in Frage stellen. Es ist jedoch in der Tat nicht möglich, die genaue Entwicklung der griechischen Wirtschaft für diesen Fall vorherzusagen. Richtig ist: Eine auf eine Ausweitung der Binnenkaufkraft gerichtete Neuorientierung der Wirtschaftspolitik Deutschlands und der Europäischen Union insgesamt ist aus vielen Gründen notwendig. Zugleich gilt: Gemessen an den wirtschaftlichen Verwerfungen in Griechenland wäre ein solcher Nachfrageimpuls zu schwach und käme zu spät. Eine makroökonomische Neuorientierung der Europäischen Union würde zudem die strukturellen Probleme des europäischen Wirtschaftsraums, in dem insbesondere die Wirtschaften der südeuropäischen Staaten im Rahmen einer neoliberal ausrichteten Wettbewerbsordnung von den Konzernen der kerneuropäischen Staaten niederkonkurriert werden, nicht beheben.
Der Verlauf der Verhandlungen zwischen Griechenland und den »Institutionen« zeigten vor allem, dass diese nicht bereit sind, substanzielle Veränderungen der griechischen Wirtschaftspolitik zu akzeptieren, geschweige denn, ihre eigene wirtschaftspolitische Orientierung zu ändern.

Der Euro – im Interesse des deutschen Kapitals

Zugleich betonen die europäischen Regierungen ebenso wie die internationalen Finanzinstitutionen immer wieder, dass ein Ausscheiden Griechenlands aus dem Euro keine Option sei – auch die deutsche Bundesregierung. Um zu verstehen, weshalb das Projekt des Euro trotz aller Schwierigkeiten von den entscheidenden Kräften des europäischen Kapitals weiter unterstützt wird, lohnt es sich, die Interessenlage der Akteure näher zu untersuchen.
Ausgangspunkt für die Entstehung des Euro war die Tatsache, dass die USA in den 70er Jahren nicht mehr bereit waren, die zur Stabilisierung des weltweiten Währungssystems notwendigen Kosten und Risiken alleine zu tragen. Während der US-Dollar die unumstrittene globale Leitwährung blieb, wurde die Deutsche Mark zur regionalen Referenzwährung in den westlichen kontinentaleuropäischen Staaten. Der Einfluss der Währungen kleinerer Staaten nahm zunehmend ab. Die geld- und kreditpolitischen Entscheidungen der US-Zentralbank und der Deutschen Bundesbank bestimmten zunehmend die monetäre Situation auch in vielen Ländern mit einer formal unabhängigen Währung. Die Entwicklung des Europäischen Währungssystems (EWS) war Ausdruck dieser Abhängigkeit. Zugleich ließ das EWS periodische Anpassungen der Wechselkurse zwischen den europäischen Währungen zu.

Die große Industrie in Deutschland sah in der festen Bindung der Wechselkurse durch eine gemeinsame Währung zwei wesentliche Vorteile: die Schaffung eines größeren Marktes für deutsche Produkte ohne Währungsrisiken im Handel sowie die Möglichkeit, eine restriktive Lohnpolitik in Deutschland umzusetzen, ohne die Währung unmittelbar in eine Deflationsspirale zu ziehen oder durch eine Aufwertung die gewonnenen Wettbewerbsvorteile wieder zu verlieren bzw. die Vorteile durch im internationalen Maßstab höhere Löhne mit den Beschäftigten teilen zu müssen. Der deutsche Finanzsektor sah im Euro ein Instrument, auch über Europa hinaus Geschäfte in der »eigenen Währung« ausbauen zu können und so ihre Konkurrenzposition vor allem gegenüber US-amerikanischen und britischen Finanzinstituten zu stärken.

Das Kapital in Frankreich sah im Euro die Chance, die Mitsprache in der Ausgestaltung und der politischen Leitung einer gemeinsamen Währung einzutauschen gegen die Aussicht auf einen letztlich aussichtslosen ökonomischen Verdrängungswettbewerb des französischen Francs gegenüber der Deutschen Mark. Für die kleineren Staaten bot der große Tanker Euro die Aussicht auf geldpolitische Stabilität und günstigere Finanzierungsbedingungen, vor allem im Vergleich zu den bestehenden nationalen Währungen, die eher wie Nussschalen auf dem Ozean der weltweit immer weiter zunehmenden Finanzierungsströme wirkten.

Es mag mit gutem Recht angenommen werden, dass die politischen Führungen der beteiligten EU-Staaten in den 90er Jahren des vergangenen Jahrhunderts eine wesentlich ruhigere Entwicklung des Euro vor Augen hatten, als sie die Entscheidungen über die Gründung des Euro und die Beteiligung der verschiedenen Länder, einschließlich Griechenlands, trafen. Tatsächlich führte die Einführung des Euros, infolge des Wegfalls von Währungsrisiken, zu deutlich verbesserten Kreditbedingungen in den Staaten, die gemeinhin als »Peripherie« der EU bezeichnet werden. Der Abfluss von Investitionen insbesondere aus Deutschland in diese Länder drückte sich zunächst als wirtschaftlicher Aufschwung dieser Ökonomien aus. Er schuf jedoch zugleich finanzielle Ungleichgewichte, vor allem im Privatsektor, die in Folge der aus den USA nach Europa übergreifenden Kreditkrise im Jahr 2008 brutal ans Tageslicht gebracht wurden und wesentlich die Krise der Finanzierung der Staatshaushalte in den betroffenen Ländern nach sich zog.

Trotz aller politischen und finanziellen Kosten gelangten die Entscheider in Wirtschaft und Politik »immer wieder zu der Auffassung, dass die Vorteile des europäischen Binnenmarktes und der deutschen Führungsrolle in Europa die mitunter ansehnlichen Aufwendungen übertreffen würden«, wie es Hans-Jürgen Urban, Mitglied des Vorstands der IG-Metall, im Jahr 2011 ausdrückte.1 Diese auf die gesamte EU-Politik bezogene Aussage gilt auch mit Blick auf die Kosten für die Stabilisierung der gemeinsamen Währung.

Die vorangehende Betrachtung soll deutlich machen, dass die Interessen der weitaus mächtigsten Akteure innerhalb Europas weiterhin fest auf die Aufrechterhaltung des Euro gerichtet sind. Eine Veränderung im öffentlichen Diskurs ohne grundlegende Änderung der Machtverhältnisse in Europa wird daher bestenfalls zu geringfügigen Korrekturen in der Umsetzung dieser Politik, nicht jedoch zu einer grundsätzlichen politischen Neuorientierung führen.
Die Hoffnung, auf dem Verhandlungsweg zu einer neuen Politik der EU zu gelangen, die einen Politikwechsel in Griechenland im Sinne des Programms, für das die griechische Regierung gewählt wurde und unterstützt wird, ermöglicht, hat sich nach der Wahl im Januar 2015 innerhalb von wenigen Wochen zerschlagen.

Griechenland vor der Entscheidung

Während Griechenland in den nächsten Wochen und auf eine Entscheidungssituation zutreibt, wirbt die Linke in Deutschland, aber auch in anderen EU-Staaten, vor allem mit der Forderung nach einer keynesianisch orientierten, auf Demokratie und soziale Gerechtigkeit zielenden EU-Politik. Das ist grundsätzlich richtig und mit Blick auf die Entwicklung Europas insgesamt auch dringend notwendig, hilft allerdings nicht, eine praktische Lösung für die anstehende praktische Frage zu finden: wie soll sich Griechenland gegenüber der unnachgiebigen Haltung der Gläubiger verhalten und wie stellt sich die Linke in Europa zu dieser praktischen Entscheidung?

Die Entscheidung über einen Austritt Griechenlands aus dem Euro zieht eine Debatte über die gesamte Basis der bisherigen Wirtschafts- und Ordnungspolitik der EU nach sich: über Kapitalverkehrskontrollen, eine Re-Regulierung der Handelsbeziehungen Griechenlands bis zur Frage eines gesetzlich verpflichtenden Währungsumtausches und der Verstaatlichung des griechischen Finanzwesens. Von Bedeutung wird es sein, dass eine neue Währung in Griechenland tatsächlich zum vorherrschenden Zahlungsmittel, Preisindikator und Wertaufbewahrungsmittel wird. Vorschläge für eine Parallelwährung, die einen sanfteren Übergang versprechen, wirken grundsätzlich diesem Ziel entgegen. Eine Situation, in der das griechische Kapital weiterhin in Euro rechnet, während Arbeitnehmer und Rentner in einer neuen Währung mit unsicherer Kaufkraft bezahlt werden, darf nicht eintreten.

Die Linke in Griechenland und in Europa insgesamt kann die Bedingungen, unter denen die Auseinandersetzung mit dem Kapital und seinen Interessen geführt wird, nicht frei wählen.Alle Signale aus dem Verlauf der Gespräche der griechischen Regierung mit der EU und dem IWF deuten jedoch darauf hin, dass die Herrschenden die Option eines geordneten Ausstiegs aus dem Euro nicht zulassen wollen. Unter den Bedingungen des freien Binnenmarkts, flexibler Wechselkurse und internationaler Kapitalmobilität wären die Kosten für einen stabilen Übergang Griechenlands hoch, während das Ausscheren Griechenlands aus dem hegemonialen Projekt der EU den führenden Interessen innerhalb Europas diametral widerspräche.

Dementsprechend ist zu erwarten, dass der Druck der herrschenden Wirtschaftsmächte, allen voran Deutschlands, auf die Syriza-Führung weiterhin zunehmen wird. Die Erpressungen und Bedrohungen werden weitergehen. Die »Institutionen« haben bereits Verzögerungen bei Privatisierungen, die Wiedereinstellung von Entlassenen, die Wiedereröffnung von Krankenhäusern oder der öffentlich-rechtlichen Fernseh- und Rundfunkanstalt ERT als „einseitige Maßnahmen der griechischen Regierung“ gebrandmarkt. Sie fordern eine deutliche Erhöhung der Mehrwertsteuer, also ein weiteres Sinken der Reallöhne, den weiteren Abbau von Arbeitnehmerrechten, neoliberale »Reformen« des Arbeitsmarkts und weitere Kürzungen der Renten und Pensionen.

Der Wahlsieg von Syriza war eine große Niederlage für die griechischen Kapitalisten und die EU-Eliten. Aber sie geben nicht auf: Sie wollen sie die Regierung in die Knie zwingen und die Linke insgesamt demütigen. Solange die Macht des Kapitals im täglichen Leben der Menschen und insbesondere in den Betrieben nicht angetastet wird, steht jede politische Veränderung auf wackeligen Beinen. Syriza muss daher die politische Dynamik insbesondere dazu nutzen, eine Bewegung zur Demokratisierung der ökonomischen Macht voranzutreiben, die zum Kern einer Gegenmacht zu den EU-Institutionen und den griechischen Kapitalisten wird.

Die Linke in Deutschland muss zu allererst diejenigen Kräfte in Griechenland, die sich gegen eine Kapitulation gegenüber den »Insitutionen« stellen unterstützen. Bundeskanzlerin Angela Merkel und Finanzminister Wolfgang Schäuble sind innerhalb der »Institutionen« die härtesten Vertreter einer unnachgiebigen Haltung gegenüber Griechenland. Vizekanzler Sigmar Gabriel und die SPD stellen sich nicht gegen diese Forderungen, sondern mahnen Griechenland zu »verantwortlichem Handeln«. Es ist die Aufgabe der deutschen Linken, der Gewerkschaften und der sozialen Bewegungen, Druck gegen die Erpressungspolitik der Bundesregierung aufzubauen und Griechenland gerade auch dann solidarisch zu unterstützen, wenn das Land sich dazu entschließt, aus den Knebelverträgen der »Institutionen« auszusteigen und die Rückzahlung der Schulden zu verweigern.

Der Text von Christian Schröppel erschien zuerst auf marx21.de.

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