By Michael Vadon [CC BY-SA 2.0], via Wikimedia Commons

Trumps Steuerpolitik: Freiluftexperiment mit absehbarem Ausgang

Die meisten bürgerlichen Ökonomen bekommen derzeit feuchte Träume beim Blick über den Atlantik. Und in den Konzernzentralen der Öl- und Flugzeugindustrie wie bei den Brauereien knallen die Champagnerkorken. Donald Trump hat den Reichen und Superreichen, die schon seinen Wahlkampf finanziert haben, mit seinem Steuerpaket kurz vor Weihnachten einen gigantischen Gabenteller bereitet.

Darauf liegen Steuersenkungen für Unternehmen und Erben, Brauereien und Besitzer von Privatjets und die Öffnung des arktischen Naturparks für Ölbohrungen. Gleichzeitig startet Trump mit diesem Gesetzespaket einen erneuten Angriff auf Obamacare. Die Strafzahlungen für Menschen, die sich nicht krankenversichern, wird abgeschafft und damit ein wesentlicher Anreiz für junge und gesunde Menschen, eine Krankenversicherung abzuschließen. Insgesamt wird das die Prämien der Krankenversicherungen ansteigen lassen, die schon jetzt für viele US-AmerikanerInnen kaum zu bezahlen sind. Eine durchschnittliche Familie zahlt schon heute über 1000 Dollar im Monat für den Krankenversicherungsschutz.

Die Unternehmenssteuern werden um 41 Prozent gesenkt, inhabergeführte Unternehmen wie der Trump-Konzern können zudem bis zu 20% ihrer Einnahmen pauschal vom zu besteuernden Einkommen abziehen. [1] Privatpersonen werden zwar kurzfristig ebenfalls von der Steuer entlastet, allerdings sind diese Entlastungen ungleich verteilt. Wie das Tax Policy Center ausrechnete, kommen über 90% der Steuerentlastungen dem obersten Fünftel der Bevölkerung zugute[2]. Und ab 2025 werden niedrige oder mittlere Einkommen durch das Auslaufen von Steuerfreibeträgen sogar höher belastet als heute.

Das Ganze ist in keiner Weise gegenfinanziert, so dass die US-Regierung in den nächsten Jahren brutale Kürzungsprogramme bei Sozialprogrammen, Bildung und Infrastruktur und eine gigantische Staatsverschuldung vorantreiben muss.

Insgesamt handelt es sich bei diesem Paket um den Freilandversuch  einer Steuerpolitik, die die Glaubenssätze der neoliberalen Ökonomen in den Denkfabriken der kapitalistischen Metropolen auf die realen Lebensbedingungen des amerikanischen Volkes loslässt. Jene Glaubenssätze besagen nämlich, dass die Verringerung von Steuern und Abgaben sich selbst finanziere, weil sie das Wirtschaftswachstum derart ankurbele, dass der so entstehende Wohlstand der Reichen dann später auch der Mittel- und Unterschicht zu Gute käme. Dieser oft beschriebene und nie belegte „Trickle-Down-Effekt“ [3], der selbst von bürgerlichen Ökonomen und vom Apostolischen Stuhl[4] inzwischen bezweifelt wird, ist ein unumstürzliches Credo der US-Republikaner seit Ronald Reagan.

Dabei sind die Ergebnisse vorhersehbar: Die soziale Ungleichheit wird steigen, weniger Menschen werden Zugang zu Bildung, Kultur und Gesundheitsversorgung haben. Die Reichen bekommen noch mehr Geld, das sie nicht sinnvoll investieren können, sondern das auf den globalen Finanzmärkten vagabundierend sein Unheil anrichten wird. Die nächste Finanzmarktkrise ist da sicher nicht mehr weit. Die US-Ökonomie wird mangels staatlicher Binnennachfrage abhängiger von den globalisierten Märkten. Das verschärft die Konkurrenz mit den anderen globalen Akteuren und birgt die Gefahr, dass ökonomische Krisen auch zu politischen und militärischen Auseinandersetzungen eskalieren.

Und das Ende? Die vorübergehende Konjunkturbelebung in den ersten zwei Jahren wird Donald Trump vermutlich die Wiederwahl sichern. Den ökonomischen und politischen Absturz in der zweiten Amtsperiode wird der Präsident durch noch drastischere nationalistische Parolen und durch zunehmend aggressive Angriffe auf politische Gegner überdecken wollen. Die unzähligen verstörenden Tweets aus dem Weißen Haus im ersten Jahr seiner Amtszeit sind nur die Spitze des Eisbergs. Am Ende werden die USA ein noch tiefer zerrissenes, ökonomisch und kulturell verwüstetes Land sein.

Und auf dieser Seite des Atlantiks? Schon wittern auch bei uns die Unternehmensverbände Morgenluft und fordern Gleiches. Das Handelsblatt zitiert Eric Schweitzer, den Präsidenten des Deutschen Industrie- und Handelskammertags: „Die nächste Bundesregierung wird darauf reagieren müssen und eine Senkung der hierzulande jetzt relativ hohen Steuerlast von etwa 30 Prozent angehen müssen.“[5]

Das macht es hierzulande umso wichtiger, den Kampf gegen die Umverteilung von unten nach oben aufzunehmen. Steuergeschenke für die Reichen können wir uns angesichts maroder Brücken, fehlenden Pflege- und Erziehungskräften und vergammelnder Schulgebäude nicht leisten.

[1] http://www.zeit.de/wirtschaft/2017-08/us-gesundheitssystem-obamacare-kosten

[2] http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/donald-trump-wie-die-steuerreform-die-reichen-beguenstigt-a-1182347.html

[3] http://wirtschaftslexikon.gabler.de/Archiv/-2045503344/trickle-down-effekt-v1.html

[4] http://www.vatican.va/holy_father/francesco/apost_exhortations/documents/papa-francesco_esortazione-ap_20131124_evangelii-gaudium_ge.html

[5] http://www.handelsblatt.com/politik/international/us-steueroffensive-trump-befeuert-wettlauf-um-die-niedrigsten-steuersaetze/20667950.html

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