Pünktlich zum diesjährigen Sommerloch kursierten Meldungen darüber, dass Ökonomen und Politiker dafür plädieren das Bargeld abzuschaffen. Es begann mit einem Bericht über den Wirtschaftsweisen Bofinger in Spiegel online (FAZ und Stern folgten), der dort ein „Ende des Bargelds“ forderte. Münzen und Scheine seien überholt und schmälerten nur den Einfluss von Notenbanken. „Bei den heutigen technischen Möglichkeiten sind Münzen und Geldscheine tatsächlich ein Anachronismus“, sagte Bofinger dem SPIEGEL.
Vorteile seien: Märkte für Schwarzarbeit und Drogen könne man austrocknen und die Notenbanken könnten ihre Geldpolitik besser durchsetzen. Geldwäsche und Steuerhinterziehung wären beendet. Mehrere US-Ökonomen (z.B. Kenneth Rogoff) und Politiker schlagen in die gleiche Kerbe. Vor kurzem hatte Dänemark angekündigt, den Annahmezwang für Bargeld in vielen kleinen Läden, Restaurants und an Tankstellen abzuschaffen. Dass eine Mehrheit im dänischen Parlament diesem Vorschlag ohne langes Zögern zustimmen wird, gilt in Kopenhagen als sicher. Insgesamt lässt sich die Abkehr vom Bargeld auch für kleine Zahlungen in Nordeuropa am stärksten beobachten.
Auch den NRW-Finanzminister freut die Idee
Der NRW-Finanzminister Walter Borjans war in der WAZ (03. Juli) nicht ganz so radikal. Er will eine Obergrenze von 2.000 bis 3.000 Euro, bis zu der man noch bar bezahlen dürfe. Borjans nennt die gleichen Gründe wie seine dänischen Kollegen. Nun, mit Borjans Vorschlag könnte man leben. Doch was ist, wenn das nur der Einstieg und die völlige Abschaffung des Bargeldes das Ziel ist? Wie lernen Kinder dann den Umgang mit Geld? Einfach mal auf dem Schulweg ein paar Süßigkeiten kaufen, das geht nicht mehr ohne Geldkarte! Dem Schulfreund etwas abkaufen, also Geschäfte unter Privatleuten, wie soll das dann gehen? Und ich erinnere mich immer wieder gern daran, wie mein Jüngster vor mehr als 30 Jahren in die Bäckerei ging, ein silbernes 50-Pfennigstück auf die Theke legte, etwas Leckeres kaufte und sogar noch zwei goldene 10-Pfennigstücke zurück bekam. „Jetzt hab ich ja mehr als vorher“, meinte er. Unvergessliche Erlebnisse – dann aber nicht wiederholbar!
Gehen wir mal durch die Stadt
Jetzt, in den Ferien, bessern viele Kinder ihr Taschengeld mit einem Flohmarkt auf. Sie verkaufen ihr altes Spielzeug etc. Das können sie sich künftig abschminken. An der nächsten Ecke steht ein russischer Akkordeonspieler und hat einen Hut vor sich liegen. Wirft man da künftig Bonbons rein? Ein Geldkartenleser wird nicht gut ankommen. Ihm wird wie vielen Bettlern eh schon unterstellt, dass sein Mercedes drei Straßen weiter steht. Ein Kartenleser macht das Vorurteil perfekt. In der Kirche kann man sich die Kollekte schenken – obwohl, dort ginge ein Lesegerät. Und was machen die Hauskassierer der SPD, die die Monatsmarken für die Mitgliedschaft an der Haustür verkaufen? Taschengeld, Spardose, Geldgeschenke zum Geburtstag – alles Schnee von gestern. Trinkgeld im Restaurant, beim Friseur, in der Autowerkstatt usw. – die Menschen leben z.T. davon.Die eingangs genannten Spezialisten sagen auch, dass es an den Supermarktkassen schneller liefe ohne Bargeld. Na ja Jungs, dann geht mal selbst einkaufen und stoppt die Zeit. Vielleicht erlebt ihr ja auch mal, wie jemand das Band voll legt und beim Finale seinen PIN nicht kennt und dreimal eine falsche Zahl eintippt.
Kommen wir zur Mathematik
Das war die Situationsbeschreibung. Nun kommt die Mathematik ins Spiel. Ich behaupte, dass ohne den ständigen Umgang mit Geld – von Kindesbeinen an – die Fähigkeit des Kopfrechnens stark eingeschränkt wird. Fast jeder rechnet doch beim Bezahlvorgang im Kopf mit, wie viel Rückgeld er zu erwarten hat. Rechentraining künftig Fehlanzeige! Schon jetzt sind viele Jugendlichen mit der Rationierung ihres oft geringen Geldvermögens überfordert. Noch reicht ein Blick in die Geldbörse um festzustellen, ob eine Aufladung des Handyguthabens drin ist. Wenn alles über die Karte läuft, dann werden viele den Überblick verlieren, auch wenn sie nicht überziehen können. Nicht alles, was technisch möglich ist, sollte auch realisiert werden. Mir sind die Kinder mit der Blockflöte, die sich vor Weihnachten in der Stadt etwas Geld zusammenspielen, allemal lieber, als der marginale Zeitgewinn an irgendeiner Kasse.
Schönen Urlaub wünsche ich – und nehmt genug Geld mit!
Ein Gastbeitrag von Ralf Michalowsky, dem Landesvorsitzenden der Linken in NRW
2 Antworten
In der Tat werden diese Bemühungen schon seit langem betrieben – in Schweden und Holland schon ziemlich weit fortgeschritten! Der Gefahren sind viele, die komplette Vernichtung von gesellschaftlichen Nischenexistenzen: Migranten ohne Aufenthaltsstatus, generell Obdachlose, Straßenmusiker usw., die komplette Kontrolle und Manipulierbarkeit der Menschen bis zur Vernichtung der materiellen Existenz von Missliebigen, aber darüberhinaus die totale technische Anfälligkeit gegenüber Naturerscheinungen.
Im Dezember 2013 habe ich auf meinem Blog WiPoKuLi ausführlich darüber geschrieben: „Schöne Neue Welt: der finanzindustriell-geheimdienstliche Komplex! Bargeldlos? Wir müssten verrückt sein!“ http://wipokuli.wordpress.com/2013/12/04/schone-neue-welt-der-finanzindustriell-geheimdienstliche-komplex-bargeldlos-wir-mussten-verruckt-sein/
Andreas Schlüter
Soziologe
Berlin
Bargeld, bedeutet freiheit du depp ! Ja eine Karte können Sie dir jederzeit grundlos sperren…
Du hast das Nachsehen. Klar das die Staaten uns an der kurzen Leine halten wollen aufgrund der angeblichen Terrorgefahr. Aber mit Kartenzahlungen wirst du zum gläsernen Mensch, könntest dich z.b nicht mehr verpissen ins ausland, weil dann dein Vermögen gesperrt währe….
Denke bitte mal weiter, was die Abschaffung von BARGELD bedeuten würde, außer dem fehlenden Hirnschmalz der Balgen…die über das hinaud eh kein verhältniss mehr zum Geld haben, geben sie doch Ihr Geld für In App Käufe und Süßigkeiten aus, sodaß ein tischtennisschläger für 3€ unglaublich teuer für Sie ist, weil sie Ihre 30€ zu 90% im Goggel oder Appelstore verprasst haben….
Also mal Aufwachen