Die Europawahlen waren für die Linke nicht erfolgreich. Der umweltpolitische Sprecher der Linken im Bundestag, Lorenz Gösta Beutin, erklärt, welche Schlüsse die Linke nun daraus ziehen sollte.
Die Wahlen zum EU-Parlament waren in der BRD allem Anschein nach stark von den Themen Klimawandel und Umweltschutz geprägt. Profitiert haben davon die Grünen mit deutlichen Stimmgewinnen. Dabei ist Ihre Partei Die Linke mit einem Programm angetreten, in dem relativ weitreichende Forderungen aufgestellt wurden. Wieso hat sich das für Sie nicht ausgezahlt?
Das Thema Klima hat in den letzten Jahrzehnten in unserer Partei eher ein Nischendasein gefristet. Da ist es schwer, unsere guten und richtigen Positionen in nur zwei, drei Jahren an die Oberfläche zu holen. Vielleicht müssen wir unseren Mitgliedern noch viel stärker vermitteln, dass Klimapolitik ein Kernthema der Linken ist und existentiell mit der sozialen Frage zusammenhängt. Sie ist nicht ohne Klassenpolitik zu denken. Wir müssen den Kapitalismus überwinden, der auf gnadenlosem Profit und Ausbeutung von Ressourcen beruht.
Die Fridays-for-Future-Schüler fordern eine CO2-Steuer von 180 Euro pro Tonne. Meinungsumfragen zeigen, dass die Mehrheit der hiesigen Bevölkerung befürchtet, für Umweltschutz zur Kasse gebeten zu werden. Wie verhält sich die Linkspartei in dieser Frage?
Erstens darf eine CO2-Steuer kein moderner Ablasshandel sein. Zudem dürfen ordnungsrechtliche Maßnahmen wie der Kohleausstieg bis 2030 nicht vernachlässigt werden. Die Steuer könnte hier ein begleitendes Instrument sein. Dafür muss sie zweitens sozial gestaltet werden. Die daraus resultierenden Einnahmen gilt es zu verteilen. Da der sogenannte ökologische Fußabdruck mit dem Einkommen zunimmt, die Menschen also um so mehr Treibhausgase verursachen, je mehr sie verdienen, würde das eine Umverteilung von oben nach unten bedeuten.
Zudem müssen andere wichtige Maßnahmen hinzu kommen, zum Beispiel in der Verkehrspolitik. Auf dem Land geht es bisher kaum ohne Auto, der öffentliche Nahverkehr ist schlecht oder überhaupt nicht vorhanden. Überall, wo Pendler auf das Auto angewiesen sind, brauchen wir rasch Alternativen. Sonst trifft eine CO2-Steuer besonders die Menschen, die über wenig Einkommen verfügen und in ländlichen Regionen wohnen. Pendler müssen finanziell unterstützt und der Nahverkehr muss ausgebaut, besser und kostengünstiger werden. Allerdings funktioniert das mit einer der Autolobby ergebenen Bundesregierung nicht.
Ihre Parteifreunde in Brandenburg haben vergangenes Wochenende besonders viele Wähler verloren. Ist die dortige gemeinsame Regierung mit den Braunkohlefans der SPD ein Problem für Die Linke?
Es gibt in Brandenburg viele Probleme. Wir müssen raus aus der Kohle und uns zugleich um soziale Alternativen für die Region kümmern. Darüber hinaus hat die brandenburgische Linke einem neuen Polizeigesetz zugestimmt, das wir in vergleichbarer Form in anderen Bundesländern entschieden bekämpfen. Diese Widersprüchlichkeit wird in den sozialen Bewegungen natürlich wahrgenommen.
Was heißt das für die anstehende Landtagswahl am 1. September?
In Berlin hat unsere Partei aus den vielen, zum Teil verheerenden Fehlern gelernt, die in den ersten beiden Koalitionen mit der SPD gemacht wurden. In der derzeitigen Regierung agiert Die Linke aus meiner Sicht recht klug, in dem sie zum Beispiel die Kampagne „Deutsche Wohnen & Co. enteignen“ unterstützt, den Abzug öffentlicher Investitionen aus fossilen Energieträgern vorantreibt und den Nahverkehr für Auszubildende und Schüler kostenlos gemacht hat. In Brandenburg könnten wir von so einer Art des »rebellischen Regierens« lernen.
Welche Schlüsse ziehen Sie aus dem schlechten Abschneiden bei der Wahl des EU-Parlaments?
Wir müssen angriffslustiger werden, stärker den Bewegungscharakter unser Politik betonen und in der Klimapolitik eine glaubwürdige Antwort geben. Diese kann nicht daran bestehen, dass wir die Marktwirtschaft grün anstreichen, sondern in der Forderung nach einer anderen, einer solidarischen Gesellschaft. Wir müssen wegkommen von einem Modell des grenzenlosen Wachstums, das unsere Erde nachhaltig unbewohnbar macht. Für mich handelt es sich dabei auch um eine Form der Klassenpolitik, denn es geht immer noch um die da oben und uns hier unten. Wir müssen Ausbeutung ganz grundsätzlich in Frage zu stellen.
Das Interview wurde in der Jungen Welt veröffentlicht, wir veröffentlichen es mit freundlicher Genehmigung von Lorenz Gösta Beutin.