Shoan Vaisi - Die Linke.NRW

Wenn die Rechten versuchen mich einzuschüchtern, werde ich trotzdem weitermachen – Im Gespräch mit Shoan Vaisi

Die Bundestagskandidatur des aus Syrien Geflüchteten Tareq Alaows für die Grünen endete mit einem Rückzug. Der Grund dafür waren Morddrohungen gegen ihn und seine Angehörigen. Mit Shoan Vaisi kandidiert für die Linke in NRW ebenfalls ein nach Deutschland Geflüchteter. Im Interview erklärt er die Hintergründe seiner Kandidatur.

Critica: Du kandidierst bei der Bundestagswahl für die Linke. Für einen nach Deutschland Geflüchteten ist das kein ungefährlicher Schritt, siehe Tareq Alaows. Hast du keine Angst?

Shoan: Ich bin seit meiner Kindheit mit der Politik vertraut und habe im Iran früh angefangen, mich politisch zu engagieren – in einem Land, in dem man für politisches Engagement verfolgt und unterdrückt wird. Mein Glaube an eine bessere Gesellschaft und der Kampf dafür waren immer viel stärker als die Angst. Auch wenn die Rechten versuchen, Menschen wie mich einzuschüchtern, werde ich trotzdem weitermachen. Denn schließlich geht es nicht nur um mich, sondern darum, ob wir in einer offenen Gesellschaft leben, wo auch Geflüchtete politisch teilhaben können und für ihre Rechte kämpfen, oder in einer Gesellschaft, wo Geflüchtete eingeschüchtert und ausgegrenzt werden.

Critica: Du bist vor 10 Jahren aus dem Iran nach Deutschland geflohen. Wie kam es dazu und warum bist du in Deutschland politisch aktiv geworden?

Shoan: Meine Flucht ist eine Folge meines politischen Engagements im Iran, wo ich mich für ein Ende der Unterdrückung von Frauen und Minderheiten stark gemacht habe, weswegen mich das Regime einsperren wollte. Während meiner Flucht habe ich den unmenschlichen Umgang der EU mit Geflüchteten gesehen. Als Sozialist war für mich klar, dass ich mich ab dem Zeitpunkt wieder engagiere, ab dem ich in Sicherheit bin und mich aktiv beteiligen kann. DIE LINKE war für mich die einzige Option.

Critica: Für was für eine Politik stehst du und welche politischen Schwerpunkte verfolgst du?

Shoan: Meine Schwerpunkte sind Kinder- und Jugendpolitik sowie Flucht und Migration. Seit Jahren arbeite ich als Sozialarbeiter und sehe, wie die Gesellschaft hinnimmt, dass in diesem reichen Land Millionen Kinder in Armut aufwachsen. Ich werde für eine Politik kämpfen, wo alle Kinder und Jugendlichen gute Chancen und ein Leben in sozialer Sicherheit haben. Darüber hinaus will ich für die Aufnahme Geflüchteter und die Schaffung sicherer Fluchtwege kämpfen. Das Sterben im Mittelmeer muss ein Ende haben, genauso wie die Schaffung neuer Fluchtursachen durch die deutsche Wirtschafts- und Waffenexportpolitik.

Critica: Wie schätzt du deine Chancen und die der Linkspartei insgesamt ein?

Shoan: Die Linke ist die einzige Partei, die sich für ein Ende der Zerstörung von Umwelt und Natur einsetzt, für ein Ende von Ausbeutung und Krieg, für eine andere Gesellschaftsordnung. Die Coronakrise hat deutlich gezeigt, dass wir einen anderen Gesellschaftsentwurf brauchen. Wenn wir geschlossen für unsere Inhalte kämpfen, sehe ich gute Chancen dafür, dass DIE LINKE ein gutes Ergebnis einfährt.

Critica: Aktuell finden Streiks und Proteste gegen die Regierung im Iran, vor der du geflohen bist, statt. Gibt dir das Anlass zur Hoffnung auf Veränderung?

Shoan: Mehr als vier Jahrzehnte islamische Republik, sowie die vorherige Repression durch den Shah, bedeuten für die Mehrheit der Menschen im Iran systematische Unterdrückung.

Das Regime ist nicht mehr in der Lage, für die Grundbedürfnisse der Menschen zu sorgen. Stattdessen lässt es auf die schießen, die für Wasser und Strom protestieren. Ich hoffe, dass das Regime es nicht mehr schafft, mit Waffen die Unzufriedenheit der Menschen zu unterdrücken. Die Selbstorganisation der Streiks und Proteste durch die Arbeiterinnen und Arbeiter sowie das Prekariat lässt auf Veränderung hoffen, auch wenn mir bewusst ist, dass dies nur möglich ist, wenn das Regime weg ist. Ich fände es gut, wenn Arbeiterinnen und Arbeiter in Deutschland sich mit diesen Streiks solidarisieren.

Critica: Danke für das Interview und viel Erfolg bei der Bundestagswahl!

Das Interview führte Ramsis Kilani, es erschien in der neuen Ausgabe der Critica.

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