Warum die Bundeswehr aus Mali abziehen muss

Im Mai hat der Bundestag auf Antrag der Bundesregierung den Einsatz der Bundeswehr im westafrikanischen Mali erneut um ein Jahr verlängert. Die Regierungsfraktionen begründen dies damit, der Einsatz trage zur Stabilisierung des Landes bei. Das Gegenteil ist der Fall.

Seit sechs Jahren ist die Bundeswehr in Mali. In diesen sechs Jahren hat sich die Lage immer weiter verschlechtert. Das Land wurde nicht befriedet, sondern zunehmend militarisiert. Die bewaffneten Konflikte haben sich in diesem Zeitraum vom Norden des Landes auf Zentralmali ausgedehnt.

Um zu verstehen, warum dies so ist, muss man sich die Details des Einsatzes angucken. Genaugenommen sind es zwei Einsätze, an denen deutsche Truppen beteiligt sind: Am UN-Einsatz MINUSMA und der europäischen Militärausbildungs- und Beratungsmission EUTM Mali.

Im Rahmen von EUTM Mali sind bis zu 350 deutsche Soldaten im Einsatz. Insgesamt wurden bereits 12.000 malische Soldaten ausgebildet. Dies mag die Regierung gestärkt haben. Die zahlreichen Konfliktherde im Land wurden dadurch nicht entschärft.

So musste die malische Regierung im Juni letzten Jahres einräumen, dass die Armee in schwere Menschenrechtsverletzungen verstrickt ist. In der Region um Mopti in Zentralmali wurden Massengräber entdeckt. Hintergrund war der Konflikt in einer kleinen Ortschaft. Malische Soldaten hatten eine Reihe von Personen festgenommen. Alle, die nicht zur Ethnie der Peuls gehörten, wurden freigelassen. Die verbliebenen 25 Peuls wurden ermordet und dann verscharrt. Ein offizieller UN-Bericht hat in der Folge weitere vergleichbare Fälle dokumentiert.

Bei dem letzten fürchterlichen Massaker in Zentralmali am 23. März dieses Jahres in der Ortschaft Ogossagou sind 157 Menschen der Ethnie der Peuls getötet worden, darunter laut Unicef 46 Kinder. Beteiligt waren Berichten von Überlebenden zufolge mindestens ein gutes Hundert bewaffnete Milizionäre einer anderen Ethnie, begleitet einem Dutzend Uniformierter.

Die malische Armee ist nicht Teil der Lösung, sondern Teil des Problems. Die Tatsache, dass sie durch EUTM Mali militärisch ausgebildet worden ist, ändert daran gar nichts.

Im Rahmen der UN-Militärmission MINUSMA sind bis zu 1100 deutsche Soldaten in Mali aktiv. Sie bilden nicht aus, sondern sollen den „Frieden sichern“. So lautet ihr Mandat. Nur leider gibt es diesen Frieden nicht. MINUSMA selbst hat über 190 Todesopfer zu beklagen und gilt als blutigster UN-Einsatz überhaupt. Allerdings sind es Soldaten aus armen Ländern wie Guinea, Tschad oder Ägypten, die die meisten Todesopfer zu beklagen haben. Der Großteil der Bundeswehr sitzt im Camp in Gao, ohne je aus dem Lager herauszukommen. Und wenn, dann in Kolonnen gepanzerter Wagen. Ein Kontakt mit der normalen Bevölkerung, die man angeblich schützen will, kommt gar nicht zustande. Das hat mit Friedenssicherung nichts zu tun.

Dafür kooperiert die Bundeswehr unter dem Dach von MINUSMA eng mit dem französischen Kampfeinsatz „Operation Barkhane“, in dessen Rahmen zahlreiche sogenannter Terroristen „neutralisiert“, also umgebracht werden. Im letzten Jahr kam heraus, dass die Bundeswehr mit ihrer Heron-Drohne auch nächtliche Razzien der Operation Barkhane begleitet und französische Soldaten transportiert.

Bis dahin hat Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen immer das Märchen vom friedlichen MINUSMA-Einsatz verbreitet, der nichts mit den Kampfoperation der französischen Armee zu tun habe. Nun auf einmal hat die Bundesregierung entdeckt, dass diese Art der Zusammenarbeit vom Mandat gedeckt sei. Faktisch wurde die Bundeswehr im Laufe der letzten sechs Jahre immer tiefer in den Konflikt hineingezogen, so dass zunehmend als aktive Kriegspartei erscheint.

Die Bundeswehr ist in Mali nicht, um der malischen Bevölkerung zu helfen. Ausgelöst wurde der Einsatz 2013 durch die Absicht der französischen Regierung, in der Region den Zugang zu Rohstoffen zu sichern und kooperationswillige Staatsführungen zu unterstützen. Das Problem der Regierung in Paris sind die Kosten, die ein Einsatz nach sich zieht, dessen Ende nicht abzusehen ist. Daher lud die Regierung in Paris ihre europäischen Verbündeten ein, allen voran Deutschland, einen Teil der Lasten zu übernehmen.

Das ließ sich die Bundesregierung nicht zweimal sagen. Im französischen Windschatten eine deutsche Militärpräsenz am Südrand der Sahara aufzubauen, stellte eine einmalige Gelegenheit dar. Der Einsatz fügt sich in den seit 1991 währenden Umbau der Bundeswehr zu einer global agierenden Einsatzarmee ein.

Wenn die Bundeswehr sagt, sie bilde die malische Armee aus, ist das nur die halbe Wahrheit. Zugleich macht sie selbst fit, international unter schwierigen klimatischen Bedingungen zu agieren. Das unternehmerfreundliche Handelsblatt kommentierte anlässlich des Besuchs von Kanzlerin Merkel in Mali und Niger, dass es in der Sahelzone auch darum geht, sich ein Stück weit von der amerikanischen Militärsupermacht zu emanzipieren und zu lernen, „selbständig Interessen durchzusetzen“. Das bringt es gut auf den Punkt: Es geht nicht um die malische Bevölkerung, sondern um „militärische Glaubwürdigkeit“ und die geostrategischen Interessen des deutschen Kapitals.

DIE LINKE hat sich deshalb stets gegen diesen Einsatz gestellt und den Abzug der Bundeswehr und aller anderen internationalen Streitkräfte aus dem Land gefordert. Frieden und soziale Gerechtigkeit können nicht von außen militärisch nach Mali hineingetragen werden. Sie müssen von innen erkämpft werden.

Die beste Nachricht des letzten Monats war, dass aus Unzufriedenheit mit der Regierung in Mali eine Massenbewegung entstanden ist, die die Regierung zum Rücktritt gezwungen hat. In Mali gibt es eine aktive Linke, die gegen die ausländischen Truppen im Land argumentiert. Es gibt Gewerkschaften, die gegen Armut und für höhere Löhne kämpfen. Und Bürgerrechtsbewegungen, die sich für den Ausgleich zwischen den Ethnien einsetzen. Dies sind die Kräfte, die die Probleme in Mali lösen können, nicht internationale Streitkräfte.


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Eine Antwort

  1. Der Großteil der Bundeswehr sitzt im Camp in Gao, ohne je aus dem Lager herauszukommen.

    Das ist eine Beleidigung für jeden Soldaten dort im Einsatz und eine Respektlosigkeit. Im Übrigen auch mir als Mutter gegenüber!

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