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Tarifbindung ist kein Luxusgut!

In der aktuellen Auseinandersetzung im Handel steht DIE LINKE an der Seite der Verkäuferinnen und Verkäufer. Die Tarifflucht der Arbeitgeber muss gestoppt werden, Tarifverträge müssen allgemeinverbindlich werden.

Vergleichsweise unbemerkt von der großen Öffentlichkeit entscheidet sich in diesen Wochen, ob die in der Pandemie vielfach wortreich besungen Heldinnen und Helden an den Kassen der Discounter und Drogerien für ihre Arbeit endlich auch mehr Lohn erhalten. Von März bis Juni dieses Jahres laufen die Tarifverträge im Groß-, Außen- und Einzelhandel aus. Das betrifft insgesamt mehr als 3,5 Millionen Beschäftigte, in der Mehrzahl Frauen.

Allein im Einzelhandel in Nordrhein-Westfalen sind rund 510.000 Menschen sozialversicherungspflichtig und weitere etwa 210.000 geringfügig beschäftigt. Für sie fordert die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di in der aktuellen Tarifrunde eine Lohnerhöhung von 4,5 Prozent und 45 Euro mehr Lohn pro Monat. Darüber hinaus soll das Mindesteinkommen auf 12,50 Euro pro Stunde steigen. Identische Forderungen hat ver.di auch für die Tarifrunde in Bayern und anderswo aufgestellt.

Verkäuferinnen bekommen weniger Lohn

Trotz der Pandemie sind die Umsätze im Einzelhandel in NRW im vergangenen Jahr real um vier Prozent gestiegen. Den größten Anteil daran hat zwar der Versand- und Internethandel, doch auch der Umsatz im stationären Einzelhandel ist preisbereinigt um 2,5 Prozent gestiegen. Auch wenn es verstärkt durch die Pandemie Gewinner (Internethandel, Lebensmittel) und Verlierer (Textil, Mode) gibt, verlieren die Beschäftigten am meisten. Tatsächlich haben Verkäuferinnen und Verkäufer in deutschen Supermärkten im Jahr 2020 im Durchschnitt weniger verdient als im Vorjahr. Zahlen des Statistischen Bundesamtes zeigen: Der durchschnittliche monatliche Bruttoverdienst von Beschäftigten im Lebensmitteleinzelhandel ist im Jahresvergleich um 60 Euro gefallen. Das entspricht einem Lohnverlust von etwa vier Prozent. Bei Vollzeitbeschäftigten sank der durchschnittliche monatliche Bruttolohn im selben Zeitraum sogar um sieben Prozent. Die Beschäftigten haben im Lebensmitteleinzelhandel die Versorgung der Bevölkerung sichergestellt. Meistens wurden sie lediglich mit einer geringen Einmalzahlung in Form eines Einkaufsgutscheins abgespeist.

Ohne jeden Zweifel: Die harte Arbeit der Verkäuferinnen und Kassierer muss endlich besser entlohnt werden. Das viele Lob, das ihnen aus Bundeskanzleramt und Bundestag gezollt wurde, muss sich im Portemonnaie niederschlagen. DIE LINKE unterstützt deshalb die Beschäftigten und ihre Gewerkschaft in der Tarifauseinandersetzung.

Mindestens ebenso wichtig wie der Einsatz für höhere Löhne und familienfreundliche Arbeitszeiten ist jedoch der Kampf für die Allgemeinverbindlichkeit der Tarifverträge im Handel. Bis Ende der 1990er Jahre waren die wichtigsten Tarifverträge allgemeinverbindlich: Ihre Bestimmungen galten für alle Unternehmen und alle Beschäftigten der Branche. Ab dem Jahr 2000 begann sich diese Situation zu ändern: Erst gründete sich ein neuer Arbeitsgeberverband, in dem die Mitgliedschaft von Unternehmen ohne Tarifbindung schnell in Mode kam, dann lehnte es die Kapitalseite ab, die Allgemeinverbindlichkeit ausgehandelter Tarifverträge zu beantragen. Bis heute begehen die Arbeitgeber systematisch Tarifflucht. Seither ist die Tarifbindung im Handel stark zurückgegangenen: Inzwischen profitieren nur noch rund 30 Prozent der Beschäftigten im Einzelhandel von Tarifverträgen. Vor zwanzig Jahren waren es noch mehr als 90 Prozent! Gerade die Marktführer im Lebensmitteleinzelhandel, Rewe und Edeka, gliedern seit Jahren ihre Filialen in eigenständige Unternehmen aus, ohne Tarifbindung und meistens ohne Vertretung durch den Betriebsrat.

Aldi, Lidl & Co. müssen mehr Steuern zahlen

Die harte Konkurrenz im Handel wird nunmehr über Dumpinglöhne auf dem Rücken der Beschäftigten ausgetragen. Die Tarifflucht vieler Unternehmen hat die Lage in den vergangenen Jahren verschärft. Das muss sich dringend ändern: Der Kampf für die Allgemeinverbindlichkeit ist nicht nur ein gewerkschaftlicher, sondern ein politischer. Bei kaum einem anderen Thema wird der Widerspruch zwischen Wort und Tat dieser Bundesregierung so deutlich wie bei der Tarifbindung. Tatenlos sehen CDU/CSU und SPD zu, wie sich Löhne und Arbeitsbedingungen von Millionen Beschäftigten verschlechtern.

Es muss wieder normal werden, dass die Beschäftigten unter Tarifverträge fallen. Tarifbindung ist kein Luxusgut. Dafür muss es künftig einfacher sein, Tarifverträge für allgemeinverbindlich zu erklären. Deshalb fordert DIE LINKE, dass es ausreicht, wenn eine Tarifpartei, in der Regel die Gewerkschaft, das beantragt. Die Stärkung der Tarifbindung sichert Löhne und soziale Standards für alle. Für Arbeit, die zum Leben passt, für höhere Löhne und weniger Stress im Job – dafür braucht es mehr Tarifbindung. Auch ver.di wäre gut beraten, die Auseinandersetzung um Lohn- und Gehaltserhöhungen mit der politischen Stoßrichtung um die Allgemeinverbindlichkeit der Tarifverträge zu verbinden, wenn sie ihre eigene Position und Durchsetzungsfähigkeit stärken will.

Schließlich muss daran erinnert werden, dass die Besitzer der Supermarktkonzerne Aldi und Lidl zu den reichsten Deutschen gehören. Es ist deshalb richtig, auch die Milliardärsfamilien Albrecht (Aldi) und Schwarz (Lidl) mittels einer Vermögensabgabe an den Kosten der aktuellen Krise zu beteiligen. DIE LINKE fordert, dass alle Multimillionäre auf ihr Vermögen fünf Prozent Steuern zahlen – bei einem Freibetrag von einer Million Euro. Denn Deutschland ist eines von vier Ländern mit den meisten Millionärinnen und Millionären. Hierzulande besitzen die reichsten zehn Prozent mehr als 60 Prozent des gesellschaftlichen Reichtums. Wer diesen Reichtum sozial gerechter verteilen will, muss dafür sorgen, dass nicht die Beschäftigten, Erwerbslosen und Rentnerinnen und Rentner die Kosten der Krise tragen müssen, sondern dass die Superreichen endlich angemessen zur Kasse gebeten werden. Schon seit Jahrzehnten führen die Eigentümer der großen Handelskonzerne die Liste der reichsten Familien an – im Gegensatz zu den Beschäftigten, die am unteren Ende der Lohnskala stehen. Das muss sich dringend ändern.

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