Am 20. Oktober finden in der Schweiz die Wahlen für die beiden Kammern des Parlaments, Nationalrat und Ständerat, statt. Beide Kammern sind gleichberechtigt und müssen sich bei Gesetzen einigen. Strukturell unterscheiden sie sich allerdings stark. Während im Nationalrat 200 Abgeordnete sitzen, die anhand der Größe des Kantons eine bestimmte Zahl an Abgeordneten entsenden, sind im Ständerat alle 20 Kantone gleichberechtigt und schicken zwei jeweils Abgeordnete, die sechs Halbkantone jeweils einen Abgeordneten.
Die Folge: Im Ständerat dominieren eher die kleinen Kantone und nur die großen Parteien haben eine reale Chance Abgeordnete zu entsenden.
Die Folgen werden auch bei einem Blick auf die aktuelle Zusammensetzung deutlich. Im Nationalrat ist die rechtspopulistische, neoliberale und islamfeindliche Schweizer Volkspartei (SVP) mit 65 Sitzen die mit Abstand stärkste Partei vor der Sozialdemokratischen Partei (SP). Im Ständerat dagegen verfügen die CVP (Christlichdemokratische Volkspartei) und die neoliberale FDP (Freisinnig-Demokratischen Partei) über eine Mehrheit. Weitere im Nationalrat und im Ständerat vertreten sind die Grünen, die über einen Sitz im Ständerat und über elf Abgeordnete im Nationalrat verfügen, sowie die im Parteienspektrum etwas rechts der Mitte angesiedelte BDP (Bürgerlich-Demokratische Partei), die ebenfalls über einen Ständeratssitz verfügt und sieben Sitze im Nationalrat innehat. Gleichzeitig im Nationalrat vertreten sind die Grünliberale Partei (GLP) mit sieben Sitzen und die Evangelische Volkspartei (EVP) mit zwei Sitzen. Ebenfalls über zwei Sitze verfügt die Rechtsaußen- Partei Lega, eine Schwesterpartei der italienischen Lega Nord. Über jeweils einen Sitz verfügt die kommunistische Partei der Arbeit (PDA), die Christliche-Soziale Partei sowie das rechtspopulistische Mouvement Citoyens Genevois.
Deutlich wird bei einem Blick auf die Parteienlandschaft, dass die Schweizer Politik generell von Parteien geprägt ist, die wenig mit sozialistischer Politik zu tun haben und im Parlament Parteien dominieren, die rechts der Mitte angesiedelt sind. Allerdings setzen sowohl die sozialdemokratische SP, die sich in Teilen als sozialistische Partei sieht und sich für eine konsequent sozialdemokratische Politik stark macht, als auch die Grünen, die im Wahlkampf unter anderem mit dem Slogan „Mit der Bevölkerung statt mit den Mächtigen“ werben, auf eine linkere Positionierung als ihre deutschen Schwesterparteien.
Wahlbestimmende Themen 2019
Ähnlich wie in Deutschland dominiert auch in der Schweiz aktuell das Klimathema. Wenig überraschend kommt dies dabei vor allem den beiden grünen Parteien zugute. So sprechen 25 Prozent der Schweizerinnen und Schweizer laut dem aktuellen Wahlbarometer dem Klimathema eine wahlentscheidende Rolle zu. Weitere 13 Prozent sehen das Thema als wichtig an. Die Unterschiede zwischen beiden grünen Parteien sind auch im Bereich der Klimapolitik überdeutlich. Während die Grünen den umgehenden Ausstieg aus der Atomenergie fordern, möchte die GLP einen schrittweisen Ausstieg durchsetzen. Und während die GLP im Wesentlichen auf Elektromobilität setzt, fordern die Grünen einen durchfinanzierten und sozialverträglichen öffentlichen Nahverkehr. Den gesellschaftlichen und politischen Gegenpol bildet die rechte SVP, die sich gegen klimapolitische Einschränkungen für Unternehmen ausspricht und wenig von erneuerbaren Energien und Mobilitätswende hält.
Noch wichtiger in den Augen der Wählenden ist allerdings die gegenwärtige Auseinandersetzung um die Krankenkassenprämien. Im Kern geht es dabei um die mittlerweile sehr hohen Beiträge zu den Krankenversicherungen. So sind in den letzten 20 Jahren die Prämien im Unterschied zu den Einkommen geradezu explodiert. Insbesondere die SP zielt auf eine Prämienentlastungsinitiative für Familien und Menschen mit mittleren und niedrigen Einkommen. Die Frage ist derart akut, dass sie seit etwa einem Jahr im Wahlbarometer an der Spitze der wichtigsten Themen steht. Aktuell halten 47 Prozent der Bevölkerung das Thema für wichtig, wobei ihm allerdings nur 22 Prozent eine wahlentscheidende Rolle zuschreiben, weshalb es hinter Klimaschutzfragen zurückfällt. Neben der SP setzt auch die CVP das Thema in den Mittelpunkt ihres Wahlkampfs und fordert eine Entlastung der Bevölkerung. Gleichzeitig werden die zu hohen Kosten für Medikamente kritisiert. Ganz in ursozialdemokratischer Manier fordert die SP darüber hinaus niedrigere Gehälter für das Krankenkassenmanagement und kritisiert die privaten Krankenhäuser, die mit der Gesundheit der Menschen Profite erzielen wollen.
Interessant darüber hinaus der Zusammenhang zwischen Alter und Themenpräferenz der Befragten. So ist die Antwort auf die Frage, welches politische Thema als wahlentscheidend angesehen wird, nicht nur von der politischen Positionierung, sondern vor allem vom Alter der Befragten abhängig. Während sie diejenigen, die sich selbst eher links verorten eher zu den jüngeren Generationen gehören, positionieren sich Ältere im Parteienspektrum tendenziell in der Mitte oder sogar rechts davon. Für die linkeren Wählerinnen und Wähler ist das Klimathema wahlentscheidend, unter den Jüngeren sagen das sogar fast 40 Prozent. Im Gegensatz dazu räumt die älteste Wählergruppe, die Wählerinnen und Wähler über 75, dem Thema nur zu 16 Prozent eine wahlentscheidende Rolle ein. Unter den Wählern im rechten Parteienspektrum sagen das sogar nur knapp ein Prozent. Wichtiger für die Wählergruppe dieses Parteienspektrums ist konsequenterweise der Themenbereich Migration, der mit 65 Prozent als wahlentscheidend betrachtet wird. Unter linken Wählern sagen das weniger als ein Prozent.
Auffällig ist, dass sich ein hoher Anteil der Wählenden von SP und Grünen auf der Links-Rechts-Skala, die von minus drei (ganz links) bis plus drei (ganz rechts) reicht, im Bereich minus zwei bis minus drei positioniert. Fragt man also nach der Selbsteinschätzung der Wählerinnen und Wähler im politischen Parteienspektrum, positioniert sich ein Großteil links außen. Diese Augenfälligkeit deckt sich mit der Selbstpositionierung eines großen Teils der Kandidierenden von SP und Grünen auf Smartmap, einer Online-Platform für Kandidatinnen und Kandidaten. Hier ordnen sich die Kandidaten der SP und der Grünen ähnlich weit links ein wie die der kommunistischen PDA oder der AL.
Linksruck in der Schweiz?
Das komplexe Schweizer Wahlsystem macht Aussagen über den Ausgang der Wahlen nur schwer möglich. Allerdings deutet vieles darauf hin, dass die linken Parteien zulegen werden und die aktuelle Mehrheit von SVP und FDP im Nationalrat verloren gehen könnte. Getragen wird dieser Linksruck im Wesentlichen durch die beiden grünen Parteien, die durch den Rückenwind einer weltweit wachsenden Klimabewegung erhebliche Stimmenzuwächse zu erwarten haben werden. Nach aktuellen Umfragen können beide Parteien zulegen und ihren Stimmenanteil auf insgesamt 18 Prozent ausbauen. Wie sich dieser Stimmenzuwachs auf die einzelnen Kantone verteilt, muss abgewartet werden. Die kommunistische Partei der Arbeit tritt in nur sieben der 26 Kantone eigenständig oder wie in Bern, Genf, Neuenburg, Tessin, Waadt und Zürich im Bündnis an. Darüber hinaus tritt die mit der PDA verbündete Alternative Liste ebenfalls in Zürich sowie in Schaffhausen an. Realistische Aussichten auf Sitze hat die Schweizer Linke allerdings nur in Neuenburg, Genf und Zürich. Verlieren könnten alle anderen Parteien, am stärksten die rechtspopulistische SVP mit einem prognostizierten Verlust von 2,5 Prozent. In den Schweizer Medien ist daher auch von einem Linksruck die Rede, der maßgeblich mit den Erfolgen der Grünen und den Verlusten der SVP und der FDP in Verbindung gebracht wird. Wie bei jeder Wahl gilt aber, dass der Wahlabend abgewartet werden muss.