Am 17. März 2021 werden acht Menschen im US-Bundesstaat Georgia ermordet. Sechs der Opfer sind Asian-American Frauen. Es ist ein trauriger Höhepunkt einer besorgniserregenden Entwicklung in den USA – 2020 wurden in den USA über 3.800 rassistische Angriffe auf asiatisch gelesene Menschen polizeilich gemeldet.
Die Trump-Regierung befeuerte seit Ausbruch der Corona-Pandemie den anti-asiatischen Rassismus. Eine einfache Ablenkungstaktik, um die Aufmerksamkeit auf die eigene Unfähigkeit im Umgang mit der Pandemie zu reduzieren. So schuf Trump den asiatischen Sündenbock und es bedarf keiner Raketenwisschenschaft, die Zunahme von rassistischen Angriffen auf asiatisch gelesene Menschen zu erklären. Der Anschlag in Georgia, Atlanta ist eine direkte Konsequenz dieser Entwicklung und hätte verhindert werden können.
War die Motivation Rassismus?
Die Ermittlungen über das Motiv des Täters wurden begonnen. Gleichzeitig wird die Aussage des Täters veröffentlicht und eine Debatte über sein Motiv entbrennt. War die Tat rassistisch motiviert? Oder ist der Mörder nur verwirrt, hat mentale Probleme und ist eher ein Einzelfall? Sechs asiatische Frauen wurden ermordet. Der Täter suchte gezielt drei verschiedene Orte auf, die bekanntlich von Asiatinnen und Asiaten betrieben werden. Was an diesen Fakten lässt nicht auf anti-asiatischen Rassismus schließen? Warum wird der Täter zitiert? Warum werden seine toxischen Ansichten reproduziert, ihnen eine große Bühne geboten?
Rassismus und Misogynie waren schon immer beste Freunde.
Der Täter träumte von seiner Dominanz über asiatische Frauen und weil er diese Fantasien nicht verwirklichen konnte, ermordete er die Frauen. Nun wird über diese angebliche Sexsucht rauf und runter diskutiert. Seine Tat wird so zum pathologischen Einzelfall und gesellschaftliche Zusammenhänge finden keine Erwähnung mehr.
Es sollte keine Überraschung sein, dass Rassismus und Misogynie schon immer gerne zusammengingen. Irritierend ist deswegen der Versuch der Trennung. Es ist nicht möglich, die sexuell fetischisierenden Ansichten des Täters über asiatische Frauen fein säuberlich in Rassismus und Misogynie zu trennen.
Anti-asiatischer Rassismus gegenüber Frauen äußert sich häufig in sexuell fetischisierender Objektivierung. Anti-asiatischer Rassismus gegenüber Frauen geht ohne Umwege direkt in Misogynie über. Asiatische Frauen werden so zu Objekten, über die man dominieren kann. Zunehmender anti-asiatischer Rassismus entmenschlicht asiatisch gelesene Menschen und erleichtert Angriffe. In den USA hat diese Entwicklung seit letztem Jahr einen Raum geschaffen, wo sich der Täter für die Morde legitimieren konnte.
Es ist diese Vielschichtigkeit, die wir verstehen müssen, um Täter wie den Mörder in Georgia einzuordnen. Und viel wichtiger, solche Taten zu verhindern. Das Problem ist systemisch und der Täter keineswegs ein Einzelfall.
Mediale Stille in Deutschland ist ohrenbetäubend
Am Tag des Anschlags gab es in den deutschen Medien Berichte über die Tat. Am Tag darauf kaum noch, man muss explizit nach Artikeln suchen. Dabei ist auch in Deutschland der anti-asiatische Rassismus präsent. Als asiatisch gelesene Frau sexualisiert und fetischisiert zu werden, gehört durchaus in unseren Alltag. Seit der Corona-Pandemie ist der Anstieg in anti-asiatischem Rassismus auch hierzulande sichtbar.
Der Anschlag in den USA hat eine Wirkung auf die asiatische Community in Deutschland. Die Frage „Wann wird es in Deutschland zu so einem Anschlag kommen?“ steht ganz konkret im Raum. Zu wissen, dass diese Sorge und diese Angst eines Teils der deutschen Gesellschaft kaum mediale Aufmerksamkeit bekommt, ist ernüchternd und enttäuschend.
Für Menschen, die von Rassismus betroffen sind, stellen sich durch solche Anschläge plötzlich Fragen wie: Wo bin ich noch sicher? Wie lange bin ich noch sicher? Sind meine Familie und Angehörigen noch sicher?
Die mediale Aufarbeitung und Debatte, die Konzentration auf den pathologischen Einzelfall und nicht auf das zugrunde liegende System, lassen uns Menschen, die von Rassismus betroffen sind, Fragen stellen wie: So würde also meine Ermordung debattiert werden. Wieder ein Opfer eines Einzeltäters.
Ein Beitrag von Ongoo Buyanjargal, Organizerin in Berlin
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