Seit wir vor zwei Jahren das Regierungsprogramm der rot-rot-grünen Koalition für einen sozial-ökologischen Stadtumbau mitschrieben, ist die Möglichkeit zu Scheitern täglich präsent.
Wir erstritten in den Koalitionsverhandlungen, was wir aus stadtentwicklungspolitischer Perspektive für unabdingbar hielten und was uns mit den stadtpolitischen Auseinandersetzungen der letzten Jahre zum Auftrag wurde: Wir wollen die Stadt gemeinsam mit den Menschen zurückerobern, den Ausverkauf beenden und gezielt Löcher in den Verwertungsteppich schneiden.. Gegen etliche Lobby-Widerstände haben wir schon einiges erreicht und noch sehr viel vor.
Noch vor dieser Sommerpause verabschiedete der Senat ein Eckpunktepapier unserer Senatorin Katrin Lompscher für einen Mietendeckel, der in weniger als einem halben Jahr bereits für 1,4 Mio. Mietwohnungen greifen soll. Wir wollen die Mieten einfrieren und möglichst absenken. Wir halten das Hamsterrad der immobilienwirtschaftlichen Renditemaximierung an, indem wir einen Mietendeckel für fünf Jahre einführen. Dieser deckelt ab 2020 die Mieten über das Preisrecht und ersetzt somit die unwirksame Mietpreisbremse auf Bundesebene durch ein eigenes Berliner Gesetz. Das setzt auch die GroKo und andere Landesregierungen unter Druck, denn was in Berlin geht, ist auch anderswo möglich.
Dynamik der Kampagne Deutsche Wohnen enteignen hilft
Als die Initiative Deutsche Wohnen und Co. Enteignen im vergangenen Herbst die Vergesellschaftung Rendite orientierter Vermietungskonzerne auf die Agenda setzte, ahnte kaum jemand, welche Dynamik sich für das Vorhaben entwickeln würde. Die Linke Berlin beschloss auf ihrem Parteitag im Spätherbst die Unterstützung des Volksbegehrens ohne eine Gegenstimme. Was für ein Signal!
Auch GRÜNE und SPD können sich der Forderung kaum entziehen und doch macht es einen Unterschied, dass dieLinke Berlin selbst aktiv Unterschriften gesammelt hat und zwar mehr als 10.000 von insgesamt 70.001! Als linke Regierungspartei muss es im Zweifel genau darum gehen, die Eigenständigkeit von gesellschaftlichen Konflikten zu stärken, statt sie einer vermeintlichen Regierungsräson zu unterwerfen. Im Falle des Enteignungs-Volksbegehrens lässt sich zeigen, dass die Linke nicht nur „empfänglicher“ für die Forderungen von sozialen Kämpfen ist, sondern auch als Regierungspartei in diesen aktiv mitmischen will.
Was aus dem Enteignungsvolksbegehren wird, kann derzeit niemand realistisch sagen. Für viele ist die Initiative schon jetzt das beste Rezept gegen Politikverdrossenheit – gerade in so genannten „abgehängten“ Milieus, weil es endlich mal „gegen die da oben“ geht. Und sie hatte mit dem Mietendeckel schon einen ersten handfesten Erfolg – denn dieser fand sich nicht im Koalitionsvertrag und konnte dennoch – zumindest in den Eckpunkten – bereits mit der SPD beschlossen werden.
Linke Transformationspolitik als gesellschaftliches Bündnisprojekt
Unser Berliner rot-rot-grünes Regierungsbündnis ist politisch ein Ergebnis der stadtpolitischen Kämpfe der vergangenen Jahre und hat zumindest in Teilen den Anspruch auch dessen parlamentarische Vertretung zu sein. Die Rolle der Linken ist es, diese Perspektive einzubringen und stark zu machen. Deswegen sind die Kernprojekte unserer Transformationspolitik im Koalitionsvertrag auch
1.) der Umbau der städtischen Wohnungsbaugesellschaften zu Akteuren einer gemeinwohlorientierten Wohnungswirtschaft;
2.) Ankauf und Rekommunalisierung von Mietshäusern durch das kommunale Vorkaufsrecht und die Vergesellschaftung von Wohnraum;
3.) die Re-Regulierung der Mietenpolitik durch die politische Festlegung von Höchstmieten;
4.) die Vergesellschaftung des Bodens durch Rückkauf und der Vergabe in Erbbaurechten
Unser Auftrag als Linke ist sehr klar, wir müssen uns mit dem Kapital anlegen und den Willen der Bürgerinnen und Bürger in reale Politik umsetzen und als sozialistische Partei eine gerechtere Gesellschaft in einer anders regierten Stadt begreifbar und erkennbar machen.
Das geht nur gemeinsam mit den Initiativen und den Menschen, und natürlich nur mit willigen Koalitionspartnerinnen.
Die Linke im Umbruch: Zuhören statt Ansagen
Mit der Finanzkrise begann das goldene Zeitalters der Immobilienwirtschaft. Seidem besteht unsere Arbeit darin, Bündnisse der Willigen zu knüpfen, Widerstand zu stärken und Alternativen zu realisieren. Wir wollen als Partei in Bewegung auch Regieren in Bewegung.
Genossenschaften, Hausgemeinschaften, linke Anwältinnen, Hausbesetzerinnen und Kleingärtner – sie alle wollen den Ausverkauf der Stadt stoppen, Wir müssen sie ernst nehmen und als Regierungspartei versuchen, tatsächlich auf Augenhöhe zu agieren. „Zuhören statt Ansagen!“ war unsere Losung im Wahlkampf und in Regierungsverantwortung ist dieses Versprechen tagtäglich zu erneuern. Den Staatsapparat gilt es mit alle seinen Vorfestlegungen und Routinen zielgerichtet zu hinterfragen, um einen Politikwechsel überhaupt zu ermöglichen.
Die Linke ist auch in Berlin im Umbruch. Während unter rot-rot wichtige Teile des linken (Bewegungs-)Milieus der Partei den Rücken kehrten, ist die Partei mittlerweile wieder akzeptierter Partner und wird gerade bei Jüngeren auch für aktive Mitarbeit attraktiver. Dennoch ist das Spannungsverhältnis zwischen Regieren und widerständiger Bewegung nur in dauerhafter und ernsthafter Beziehungsarbeit möglich – durcharte zusätzliche Arbeit jenseits des Parlamentsalltags.
Regieren auf Augenhöhe
Es waren die stadtpolitischen Gruppen und Mieterinneninitiativen die uns in die Regierung getragen haben und mit denen wir seither Vorkaufsrechte für Mietshäuser realisieren, mit denen wir die Bürgerbeteiligung endlich neu aufstellen wollen, damit real Macht aus den Amtsstuben in Beteiligungsprozesse umverteilt wird; Menschen, die für Selbstverwaltung und Mitbestimmung in ihren Wohnungen in landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften streiten; Aktive, die für Mieterinnen und Mieter Mietrechtsberatungen organisieren, welche wir als Land finanzieren und auch Transferleistungsempfangenden zugänglich machen.
„Regieren auf Augenhöhe“, mit den Menschen und nicht nur in der eigenen Regierungskoalition bedeutet dabei, dass wir die Forderungen und Ideen aus der Stadt ernsthaft prüfen und es als Linke in Verantwortung nicht immer besser wissen, weil Initiativen teils Jahrzehnte an Themen und Vorhaben arbeiten und in den Kiezen und Nachbarschaften organisiert sind und einfach die besseren Auskenner*innen.
„Wem gehört die Stadt?!“ kann nur bedeuten: Wir legen uns mit dem Kapital an und nutzen alle rechtlichen Spielräume um sozial gerecht umzuverteilen; bei der Verfügung über Mietwohnungen, bei der Verfügung über Boden und bei der Verfügung über neue Stadtentwicklungsprojekte und der Verfügbarmachung des Stadtraums eben nicht für Investoren und deren Rendite, sondern für die Menschen. So sind auch Parks, öffentliche Ufer, Kleingärten, Fußgängerbrücken, öffentliche Plätze und Spielplätze ein Beitrag zur Rückaneignung der Stadt und für das Gemeinwohl.