So. Jetzt ist es raus: Zwei Drittel aller SPD-Mitglieder haben für ein „Weiter so“ in der Großen Koalition mit Angela Merkel und Horst Seehofer gestimmt. Wir kriegen also ein Heimatministerium, eine Aufrüstungsministerin und läppische 8.000 Pflegekräfte in den Altenhilfeeinrichtungen mehr (das ist keine ganze Stelle pro Einrichtung).
Enttäuscht ist jetzt nur, wer anderes erwartet hatte. Aber es war absehbar: Die Mehrheit der SPD-Mitglieder und die Führungsspitze der Partei können ihre tiefe Verunsicherung nur schlecht verbergen. Wie das Kaninchen auf die berühmte Schlange starrt man auf sinkende Umfragezahlen und den schrittweisen Niedergang der traditionsreichen Volkspartei auf das Niveau der Kleinparteien. Nicht aus Überzeugung, sondern aus Angst vor Neuwahlen hat die SPD sich wieder zur Union ins Bett gelegt. Den Schulz-Hype und sein abruptes Ende haben die Strategen im Willy-Brandt-Haus offenbar gar nicht ausgewertet. Eine Erneuerung der SPD heißt nämlich nicht, laufend Köpfe auszutauschen und inhaltlich wie strategisch alles beim Alten zu lassen. Eine Erneuerung, die absolut notwendig ist, würde bedeuten, auch die Strategie zu verändern. Angesichts von Rechtsruck und sozialer Spaltung braucht unser Land selbstbewusste und ideenreiche Kräfte links der Mitte, die miteinander um die besseren Konzepte für eine sozial-ökologische Linkswende wetteifern statt darum streiten, wer der geeignetere Bündnispartner für CDU und CSU ist.
Wir brauchen eine Machtperspektive links von der Union. Das war es, was den Schulz-Hype ausgemacht hatte und auch der Grund, warum er so schnell verpufft ist: Der Machtanspruch der Sozialdemokratie war solange glaubwürdig, wie sie die Koalitionsfrage offen ließ. Das Ausschließen einer Koalition mit der LINKEN war ein strategischer Fehler ersten Ranges, denn nur durch das Offenhalten dieser Option hätte die SPD deutlich machen können, dass sie dieses Land wirklich sozialer regieren will. Aber das ist verschüttete Milch und die Sozialdemokratie ist sicher nicht scharf darauf, Ratschläge von der Konkurrenz anzunehmen.
Wichtig ist nun, wie DIE LINKE auf diese Situation reagiert. Eine große Koalition, deren stärkste Opposition von rechts kommt, stellt andere Anforderungen an uns als die letzte Wahlperiode, in der DIE LINKE die Oppositionsführerin war. Nun geht es darum, die Regierung von links herauszufordern und gleichzeitig den Rechten im Bundestag und auf der Straße Paroli zu bieten. Es darf der AfD nicht gelingen, die politischen Streitpunkte in diesem Land zu bestimmen. Denn eins ist klar: von rechts gibt es keine soziale und erst recht keine ökologische Opposition. In den ersten Debatten im Bundestag schon wurde deutlich, dass die AfD weit entfernt davon ist, sich für die arbeitenden Menschen, für Erwerbslose oder Alleinerziehende einzusetzen. Während Pflegekräfte unter der Last der Überarbeitung stöhnen, beantragt sie die deutsche Sprache im Grundgesetz zu verankern. Auf die Luftverschmutzung in unseren Städten reagiert sie mit einer aktuellen Stunde zur Rettung des Dieselmotors. Und zum internationalen Frauentag warnt sie vor Gleichstellungsbeauftragten und dem Gespenst des „Gender-Wahns“.
Unter dem Nachrichtenberg des SPD-Mitgliederentscheids ist übrigens fast untergegangen, dass die AfD am selben Wochenende ihren Unvereinbarkeitsbeschluss mit der anti-muslimischen und rassistischen PEGIDA-Bewegung aufgehoben hat.
Was also kann und sollte DIE LINKE tun, um die sozialen Fragen, die weder von der GroKo noch von der Rechtsopposition aufgegriffen werden, zu den bestimmenden politischen Streitfragen zu machen?
Erstens: Raus auf die Straße! Wir haben in den letzten Monaten viele neue Mitglieder gewonnen, die aktiv sein wollen. Nutzen wir die Chance und machen wir Aktionen für bezahlbare Wohnungen, gegen Leiharbeit und Werkverträge, gegen die gigantischen Aufrüstungspläne der Regierung!
Zweitens: Mut machen! Zeigen wir, dass wir bereit sind, dieses Land zu verändern. Es gerechter, friedlicher und menschlicher zu machen. Gehen wir dahin, wo die Menschen sich von der Politik vergessen und vernachlässigt fühlen. Nur, wenn wir selbst mutige Ideen haben, können wir den Menschen vermitteln, dass Politik nichts ist, was man ergeben hinnehmen muss, sondern dass Demokratie bedeutet, selbst mitzuentscheiden und etwas zu verändern.
Drittens: Selbstbewusst sein! Gerade angesichts des Schrumpfens der SPD ist es nötig, dass DIE LINKE sich nicht als kleines Korrektiv einer neoliberal gewendeten Sozialdemokratie positioniert, sondern dass sie selbstbewusst die Machtfrage stellt. Ja, wir können und wollen dieses Land verändern. Wir sind die einzige politische Kraft, die den Mut hat, sich mit den Oligarchen und Konzernen anzulegen und deswegen müssen wir stärker werden. Wir haben Antworten auf die Zukunftsfragen dieser Gesellschaft, die über den Kapitalismus hinaus weisen. Wir vertreten die Interessen einer Mehrheit der Menschen in diesem Land – deswegen wollen wir auch Mehrheiten gewinnen. Nicht nur bei Wahlen, sondern vor allem auch in den Köpfen und Herzen.
Es geht nicht mehr nur um ein paar Prozente mehr oder weniger bei Wahlen, sondern darum, wohin dieses Land geht. Diese Herausforderung müssen wir annehmen.