Im Hauruckverfahren beteiligt sich die geschäftsführende Bundesregierung an der „Ständigen Strukturierten Zusammenarbeit“ (SSZ, engl. PESCO, auch als „Verteidigungsunion“ bezeichnet) der Europäischen Union. Darin soll das NATO-Ziel übernommen werden, die Militärausgaben bis 2024 auf zwei Prozent der Bruttoinlandsprodukte der EU-Mitgliedsländer anzuheben. Die EU-Sicherheits- und Verteidigungspolitik wird also weiter kräftig expandieren.
Jährlich sollen bis zu 5,5 Milliarden Euro durch den sogenannten Europäischen Verteidigungsfonds für Waffentechnik ausgegeben werden. Im nächsten mehrjährigen Finanzrahmen der Europäischen Union könnten bis 2027 bis zu 38,5 Milliarden Euro an Steuermitteln in Rüstung und militärrelevante Forschungsprojekte fließen – zusätzlich zu den nationalen Militärausgaben. Außerdem wird das bisher geltende Einstimmigkeitsprinzip der EU-Sicherheits- und Verteidigungspolitik ausgehebelt und durch eine Mehrheitsentscheidung ersetzt. Die Bundeswehr will vier der ersten 17 PESCO-Projekte anführen: die Logistik für die Verlagerung der Truppen, ein Trainingszentrum für Militärausbilder, den Aufbau eines mobilen Krankenhauses und das dazu gehörige Sanitätskommando. Darüber hinaus soll es eine grundlegende Kooperation zum Einkauf militärischer Geräte geben.
PESCO bedeutet nicht nur die massenhafte Aufrüstung des Militärs, sondern auch die kompromisslose Militarisierung der Inneren Sicherheit. Das betrifft vor allem die Migrationskontrolle. Schon jetzt sorgen Kriegsschiffe der NATO und der EU-Mitgliedstaaten dafür, dass weniger Geflüchtete in Europa ankommen. In den PESCO-Plänen ist die Rede von einem Echtzeit-System zum Informationsaustausch unter den Missionen und Operationen der GSVP (Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik der EU-Mitgliedsstaaten). Dies schlösse dann auch die sogenannte Schleuserbekämpfung im Mittelmeer ein. Damit würde PESCO zum fehlenden Puzzleteil für die Pläne der Europäischen Kommission und des Auswärtigen Dienstes, die militärische Aufklärung verstärkt den zivilen Behörden zugänglich zu machen. PESCO will diesen Informationsaustausch ausdrücklich befördern. Juristisch ist das eine Grauzone, denn die militärischen EU-Missionen verfügen über ein vollkommen anderes Mandat als etwa die Grenzschutzagentur Frontex oder die Polizeiagentur Europol.
PESCO befördert Dämonisierung Russlands im Cyberraum
Zu den Meilensteinen in PESCO gehört außerdem der „Austausch von Geheimdienstinformationen zu Cyber-Bedrohungen“. Das erinnert nicht nur stark an die geheimdienstliche „Europäische Aufklärungseinheit“, die Kommissions-Präsident Juncker bis 2025 einrichten will. Sondern ich befürchte auch, dass die Dämonisierung Russlands im Cyberraum institutionalisiert wird, wenn dies nun sogar als eine der ersten Maßnahmen in PESCO festgeschrieben wird. In Planspielen von EU und NATO trainiert die Bundeswehr schon jetzt die Reaktion auf Falschmeldungen, Phising-Mails und Cyberangriffe. Zwei Szenarien gehen dabei bis zur Schwelle eines bewaffneten Angriffs. PESCO soll diese Vorherrschaft von EU und NATO im Cyberspace zementieren. Das ist brandgefährlich. Im Dickicht von Geheimdiensten und Militär hat sich hierzu das Unwort der „hybriden Bedrohungen“ ausgebreitet. Dabei geht es längst nicht nur um die Dominanz im Cyberraum. Die Europäische Union zählt hierzu auch den sogenannten Migrantenschmuggel oder Cyberangriffe auf Ölkonzerne. Zu all diesen Phänomenen haben die EU und die NATO in ihren gemeinsamen Übungen zu „hybriden Bedrohungen“ jedenfalls im Herbst trainiert.
Es ist zu befürchten, dass derartig riskante Cybermanöver in dem unter deutscher Leitung in PESCO aufgebauten „Zentrum für Trainingsmissionen“ zur Regel werden. Wir plädieren stattdessen für eine Entspannungspolitik gegenüber den „hybriden Bedrohungen“, egal ob damit Russland oder Geflüchtete gemeint sind.
Gegen mehr Kooperation wäre nichts zu sagen, aber…
Wäre PESCO wirklich wie behauptet ein Programm zur Koordinierung des europäischen Militärapparates, dann müsste am Ende weniger, nicht mehr Geld unterm Strich stehen. Im Grunde handelt es sich bei PESCO also um eine doppelte Aufrüstung, einerseits durch die vereinbarte alljährliche Erhöhung der Militärhaushalte, andererseits durch die Effekte der Synergiebildung. DIE LINKE setzt sich für ein kollektives Sicherheitssystem ein, das auf Abrüstung zielt –natürlich unter Einbeziehung Russlands.
Wir sagen Nein zu PESCO. Frieden und Sicherheit lassen sich nicht durch Aufrüstung und neue Militärtechnologie erreichen. Nötig ist stattdessen die Förderung europäischer Konversionsprojekte und eine neu ausgerichteten, friedliche europäische Außen- und Sicherheitspolitik.