Beim NATO-Gipfel in Brüssel wurde wieder einmal deutlich, in welch einer tiefen Krise die NATO, das sogenannte „westliche Militärbündnis“ ist. Die Meldungen changieren wie Schmetterlingsflügel zwischen immer dreisteren Aufrüstungsforderungen und einer verzweifelten Feindbildsuche, die eine Verdoppelung oder gar Vervierfachung der Militärausgaben rechtfertigen soll. Die NATO, übrig gebliebenes Relikt des Kalten Kriegs, ist moralisch, politisch und strategisch am Ende. Sie weigert sich nur noch, dies einzugestehen.
Donald Trump erweist sich am Ende womöglich weniger als irrationaler Scharfmacher denn als geschickter Vertreter der wirtschaftlichen Interessen seines Landes, das aufgrund schwacher Produktivität und mangelnder Innovationskraft ökonomisch längst nicht mehr mit den EU-Staaten und China mithalten kann. Gegen beide Konkurrenzräume versucht er es mit denselben Mitteln in unterschiedlicher Abstufung: Protektionismus und Hochrüstung. Während er den US-Markt gegen die Waren der Konkurrenz mit Zöllen abzuschotten versucht, ohne dabei zu berücksichtigen, dass die erwartbaren Gegenreaktionen sein Land als das exportschwächere vermutlich schwerer treffen werden, setzt er gleichzeitig darauf, nach dem Vorbild von Ronald Reagan, die konkurrierenden Volkswirtschaften durch Aufrüstung in Bedrängnis zu bringen: die chinesische Regierung soll durch einen Ausbau der US-Militärpräsenz im Pazifikraum in einen Rüstungswettlauf gedrängt werden. Die europäischen NATO-Partner werden durch immer dreistere Aufrüstungsforderungen zu höheren Militärausgaben genötigt, die mit treuer Unterstützung von Angela Merkel, Heiko Maas und Ursula von der Leyen im NATO-Bündnis in strategische Beschlüsse gefasst werden. Dabei bleibt es wichtig darauf hinzuweisen, dass diese Beschlüsse weder formal bindend noch im Interesse der europäischen NATO-Staaten sind. Noch immer sind die Folgen der Bankenkrise für die Staatsfinanzen der am schwersten getroffenen EU-Länder nicht überstanden, da droht durch eine Erhöhung der Rüstungsausgaben auch ökonomisches Ungemach. Rüstungsausgaben sind nämlich keineswegs gesellschaftlich nützliche Ausgaben, die Arbeitsplätze sichern und damit die Binnenkonjunktur stärken. Es ist erwiesen, das mit demselben Ausgabevolumen in anderen Bereichen erheblich mehr Arbeitsplätze geschaffen und gesichert werden können. Und unter der Prämisse einer begrenzten Neuverschuldung kostet jeder Euro, der in Panzer, Drohnen und Kasernenbau gesteckt wird, Geld, das im Sozial- und Gesundheitswesen, bei der Bildung oder für die Energie- und Verkehrswende fehlen wird.
Donald Trump, der Selfmade-Millardär, weiß das. Er kennt sich aus damit, wie man Konkurrenten ausmanövriert. Warum ihm Merkel, Maas und von der Leyen nach dem Munde reden, kann – neben eigenem Großmachtstreben und Interessenpolitik für die Rüstungskonzerne – nur mit mangelndem Verständnis für ökonomische Zusammenhänge erklärt werden. Sinnvoll ist das alles nicht. Abrüsten, nicht aufrüsten ist das Gebot der Stunde!