Fabio De Masi ist Bundestagsabgeordneter der Fraktion DIE LINKE. und war im Europäischen Parlament stellv. Vorsitzender des Untersuchungsausschuss zu den Panama Papers. - Foto: Karin Desmarowitz/DIE LINKE Hamburg

Legale Steueroasen sind kriminell – Im Gespräch mit Fabio de Masi

Wieder einmal gibt es einen Skandal um Steuervermeidung der Reichsten und der großen Unternehmen, die bürgerliche Politik zeigte sich kurz empört um dann nichts zu ändern. Wir sprachen mit Fabio de Masi, Finanzexperten der Linken im Bundestag, über Steuerhinterziehung und linke Antworten.

Die Freiheitsliebe: Ein Steuerskandal jagt den nächsten, zuletzt der Leak der Paradise Papers im November. Was steht darin?

Fabio de Masi: Die Paradise Papers zeigen, wie Super-Reiche und Konzerne ihre Steuern auf fast null Prozent drücken. Im Zentrum der Enthüllungen steht eine große Kanzlei namens Appleby, die im britischen Überseegebiet Bermuda sitzt und Dienstleistungen an Konzerne und Reiche verkauft. Dabei werden Briefkastenfirmen gegründet, die wahren Identitäten der Eigentümer verschleiert und die besten Steuertricks weltweit angeboten.

Die Freiheitsliebe: Geld fließt in Briefkastenfirmen im Ausland, ist das legal?

Fabio de Masi: Ja, das ist der Unterschied zwischen illegaler Steuerhinterziehung und legaler Steuervermeidung. Konzerne verschieben Gewinne über Ländergrenzen wie Amazon-Pakete. Etwa indem sie an eine Briefkastenfirma mit nur einem Anrufbeantworter Lizenzgebühren oder Zinsen für fiktive Kredite bezahlen. Die Gewinne fließen dann zum Beispiel in die Niederlande, werden aber in Deutschland als Zinskosten abgesetzt. Konzerne sind jedoch sogar gegenüber ihren Aktionären verpflichtet, legale Schlupflöcher zu nutzen, die ihnen die Regierungen bieten. Dabei wird die große Mehrheit der Bevölkerung doppelt enteignet.

Die Freiheitsliebe: Wieso doppelt?

Fabio de Masi: Weil die Konzentration von Vermögen und die wachsenden Unternehmensgewinne dadurch erzielt wurden, dass die Löhne in den letzten Jahren hinter dem Wachstum der Wirtschaft zurück blieben. Und nun machen sich die Oligarchen auch noch einen schlanken Fuß. Die ungleiche Verteilung fördert Beschaffungskriminalität der Finanzelite und zerstört die Demokratie. Denn Geld schafft auch Einfluss auf Gesetze. Man denke nur an die Parteispenden von Unternehmen.

Die Freiheitsliebe: Den EU-Staaten entgehen durch Steuertricks jährlich hunderte Milliarden Euro. Geld, das auch für Investitionen in Bildung, Infrastruktur oder Sozialstaat verwendet werden könnte. Warum tut niemand etwas gegen diese Abzocke?

Fabio de Masi: Die Steuerdiplomatie im Rahmen der OECD und der EU ist gescheitert, da Steueroasen wie Luxemburg, Niederlande und Großbritannien stets Fortschritte blockieren. Auch Deutschland – laut dem Präsidenten des Bundeskriminalamtes ein Paradies für Geldwäsche – mauert. Etwa bei Gesetzen zur Offenlegung von gezahlten Unternehmensgewinnen und Steuern für jedes Land oder öffentlichen Registern der wahren Eigentümern von Briefkastenfirmen. Zudem fordern Kriminalbeamte ein zentrales Immobilienregister für Deutschland.

Die Freiheitsliebe: Können wir nicht einfach in Deutschland die Gesetze ändern?

Fabio de Masi: Ja, wir müssen nicht warten, bis sich 28 EU-Staaten oder die 35 der OECD einig sind. Es sind auch unilaterale Maßnahmen gegen Steueroasen und Schattenfinanzplätze möglich. Die USA – selbst eine Steueroase – haben das gegenüber der Schweiz und Lichtenstein erfolgreich vorgemacht: Nach der Drohung mit Strafsteuern lieferten die Zwergstaaten Bankdaten. Alle abfließenden Gewinne bzw. Zahlungen wie Zinsen, Lizenzen, Dividenden und Versicherungsprämien sollten daher zukünftig in Deutschland mit einer Quellensteuer belegt werden.

Die Freiheitsliebe: Was wird sich mit der nächsten Bundesregierung ändern?

Fabio de Masi: Die Jamaika-Parteien waren sich schnell einig: Eine Vermögenssteuer oder eine realistische Erbschaftssteuer für Reiche sowie Maßnahmen gegen die Steuertricks der Konzerne wird es mit ihnen nicht geben. Noch ist nicht klar, wer in der nächsten Regierung sitzt. Es bleibt daher zu hoffen, dass Journalisten und Öffentlichkeit weiter Druck machen, um den Raubzug der Reichen und Konzerne zu
stoppen. Damit dieses Land irgendwann eine Regierung bekommt, die der Mehrheit und nicht den Superreichen dient.

Die Freiheitsliebe: Danke dir für das Gespräch.

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