Vor einigen Tagen gelangte ein interner Referentenentwurf des Wirtschaftsministeriums an die Öffentlichkeit. Demnach dürften ab 2024 keine neuen Öl- und Gasheizungen mehr eingebaut werden. Die FDP und der Eigentümer-Verband Haus und Grund zeigten sich empört. FDP-Energiepolitiker Michael Kruse erklärte, dass seine Partei auf Seiten der Mieter und Eigentümer stehen würde, „die nicht mit unverhältnismäßigen Kosten belastet werden dürfen“. Tatsächlich können aber die Klimaziele ohne ein schnelles Umsteuern des Wärmesektors nicht erreicht werden. So werden rund 20 Prozent aller deutschen Treibhausgasemissionen durch den Wärmeverbrauch der Gebäude verursacht. Das ist ungefähr so viel, wie der Verkehrssektor ausstößt.
Aber es stellen sich Fragen: Was ist von Habecks Wärmepumpenoffensive zu halten? Wie können wir die Städte ökologisch heizen? Wie schnell kann der Umbau gehen und wie hoch sind die Kosten?
Habecks Wärmepolitik führt in die Sackgasse
Dem „grünen“ Wirtschaftsminister Habeck ist sicherlich zu glauben, dass er klimapolitisch umsteuern will. Doch die ständigen Kompromisse, die er dabei eingeht, haben nicht nur zu überdimensionierten LNG-Terminals und äußerst langfristigen Flüssigerdgaslieferverträgen geführt. Die grün getünchte Wärmewende hat vor allem eine schwere Schlagseite: Sie orientiert vornehmlich auf Besserverdienende, die in Einfamilienhäusern wohnen. Sie können sich Wärmepumpen und Haussanierungen leisten und erhalten obendrein noch einen Großteil der staatlichen Fördermittel. Der ärmere Teil der Bevölkerung, der sich all das nicht leisten kann, muss de facto weiter auf fossile Gas- und Ölheizungen setzen und lebt zudem noch in den schlechter gedämmten Wohnungen mit höheren Heizkosten.
Habecks Politik beinhaltet aber nicht nur ein Gerechtigkeitsproblem, sondern mit dieser Ausrichtung gerät die Wärmewende auch in eine politische Sackgasse. Das gilt besonders für die verdichteten urbanen Räume, wo der Großteil der Bevölkerung nunmal wohnt. Wo liegt hier das Problem? Tatsächlich kann unter den beengten Platzverhältnissen in den Städten nur dann ausreichend Heizenergie bereitgestellt werden, wenn man industrielle Abwärme, saisonale Wärmespeicher oder Tiefengeothermie nutzt. Das ist aber nur im großen Maßstab möglich. Wärmepumpen in privaten Kellern können das nicht leisten. Es gibt allerdings eine Alternative – und das ist der Ausbau der Fernwärmenetze. Nur damit ist eine ökologische Wärmewende schnell umsetzbar.
Fern- und Nahwärmesysteme haben mehrere Vorteile: Eine zusätzliche Heizungsanlage im Keller eines Wohnhauses ist nicht mehr erforderlich. Denn die Wärmebereitstellung erfolgt durch den Anschluss an ein bestehendes Netz. Und wenn die Fernwärmetemperatur ausreichend hoch ist, ist auch keine vorherige thermische Sanierung der Häuser erforderlich. Problematisch ist allerdings, dass in Deutschland erst 14 Prozent der Wohnungen an Fernwärmenetze angeschlossen sind.
In den Norden schauen und von Dänemark lernen
Ein positives Beispiel für Fernwärmesysteme ist unser nördliches Nachbarland Dänemark. 63 Prozent der dänischen Haushalte werden heute mit Fernwärme versorgt, in Kopenhagen sind es sogar 98 Prozent. Diese Entwicklung war nur möglich, weil der Staat die Wärmeversorgung in die Hände der Kommunen gelegt hat und sie dazu verpflichtete, eine Wärmeplanung für die Stadtquartiere durchzuführen. Nachteilig ist allerdings, dass die dänischen Wärmenetze in der Vergangenheit mit fossilem Erdgas betrieben wurden. Doch die zentralisierte Wärmeversorgung bietet für eine Dekarbonisierung einen großen Vorteil: Statt die Heizungen in zehntausenden Kellern umzustellen, müssen nur die Heizzentralen mit erneuerbaren Energien versorgt werden.
So kann eine Wärmewende in Dänemark, anders als in Deutschland, bedeutend schneller umgesetzt werden. Tatsächlich wurden in unserem nördlichen Nachbarland bereits 50 Prozent der Fernwärmenetze dekarbonisiert. Die Wärmeversorgung von Kopenhagen soll sogar schon 2025 CO2-neutral sein. Davon kann Berlin noch nicht einmal träumen. Für die Umstellung wird zum Beispiel Umweltwärme aus der Ostsee und industrielle Abwärme mit Hilfe von Großwärmepumpen genutzt. Dazu fangen ausgedehnte Solarthermieanlagen im Sommer große Wärmemengen ein, die in saisonalen Wärmespeichern eingelagert und im Winter in die Fernwärmenetze eingespeist werden. Neben den technischen Maßnahmen setzt Dänemark für die Umstellung auf erneuerbare Wärme auch auf das Ordnungsrecht: Bereits 2013 wurden Öl- und Gasheizungen im Neubau verboten. Seit 2016 gilt ein Verbot des Austauschs alter fossiler Heizkessel gegen neue fossile Heizungen. Darüber hinaus werden fossile Energieträger deutlich höher besteuert als in Deutschland.
Fernwärme in Deutschland ausbauen
Immerhin besitzt auch in Deutschland rund ein Viertel der Städte und Gemeinden bereits eine Fernwärmeinfrastruktur. Dies gilt besonders für viele östliche Bundesländer, denn in der ehemaligen DDR hatte die Versorgung mit Fernwärme einen hohen Stellenwert. Stadtteile, in denen heute bereits Leitungen liegen, können als Brücke dienen für die Ausweitung der bestehenden Wärmenetze. Eine ausreichende finanzielle Förderung vorausgesetzt, ließe sich das Netz sehr schnell ausbauen. Nach Ansicht des Energieeffizienzverbandes AGFW könnte der Fernwärmeanteil in Deutschland bis 2030 auf 30 Prozent verdreifacht werden. In den großen Städten mit über 100.000 Einwohner*innen könnte damit rund die Hälfte des Wärmeverbrauchs gedeckt werden. In den mittelgroßen Städten mit mehr als 20.000 Einwohner*innen wären es dann 20 Prozent und in den Kleinstädten immerhin zehn Prozent. Das wäre ein Anfang.
Die Kühlung der Wohnungen im Sommer miteinplanen
Das wird nicht allein mit klassischen Fernwärmenetzen erreichbar sei. Die hohe Wassertemperatur von 80 bis über 100 Grad Celsius behindert die Integration von erneuerbaren Wärmequellen, die meist auf einem niedrigeren Temperaturniveau vorliegen. Neue Niedrigtemperaturnetze haben deswegen nur Vorlauftemperaturen von rund 50 Grad. Dadurch sind die Verluste beim Wärmetransport niedriger und auch die Kosten der Netze sinken. Die Frage stellt sich, wie man mit diesen eher kalten Netzen ausreichend Wärme in die Wohnungen bekommt.
Hier kommen dann Wärmepumpen ins Spiel. Sie sind den einzelnen Wohnungen und Häusern vorgeschaltet und heben die niedrigen Netztemperaturen auf das benötigte Wärmeniveau. Diese kühleren Wärmenetze können, wenn sie mit saisonalen Wärmespeichern verbunden sind, im Sommer die Wohnungen auch kühlen. Für die zu erwartenden künftigen Hitzesommer wäre das ein wesentlicher Vorteil, besonders in den Städten.
Wärme für Wohnungen aus der Tiefe der Erde holen
Eine weitere Möglichkeit, die Wärmeversorgung in den urbanen Regionen zu sichern, ist die Tiefengeothermie. Aktuelle Forschungen zeigen, dass damit etwa die Hälfte der gesamten Wärmeversorgung für Wohnungen und andere Gebäude abgedeckt werden könnte. Ein Hotspot für Tiefenwärme befindet sich in Süddeutschland zwischen der Donau und den Alpen. Hier liegt in großer Tiefe eine 600 Meter dicke Kalksteinformation, die zerklüftet und mit heißem Thermalwasser gefüllt ist.
Für die Wärmegewinnung wird das kochend heiße Wasser aus rund 3.000 Meter Tiefe hochgepumpt, die Wärme wird entnommen und das Wasser wird an anderer Stelle wieder in die Tiefe injiziert, wo es sich erneut aufheizt – ein geschlossener Kreislauf. Ein Nutzungsbeispiel ist Unterhaching im Landkreis München, wo seit 2007 die Tiefengeothermie für ein geothermisches Heizkraftwerk genutzt wird. Das dortige Wasser stammt aus 3.500 Metern Tiefe und ist 133 Grad heiß. Über 60 Prozent der in Unterhaching benötigten Wärme wird mittlerweile aus dem angezapften Thermalwasser unter der Stadt geholt und in das Fernwärmenetz der Stadt eingespeist. Auch im Oberrheingraben, in verschiedenen Regionen von NRW und in ganz Norddeutschland ist die Gewinnung von Tiefenwärme möglich. Bereits die DDR begann angesichts ihres chronischen Ressourcenmangels damit, tiefengeothermische Quellen für die Heizversorgung anzuzapfen. Ein Beispiel ist Waren an der Müritz, wo 1984 Tiefbohrungen erfolgten und das so gewonnene heiße Wasser für das lokale Fernwärmenetz genutzt wurde.
Wärmewende eng mit der lokalen Ebene verbunden
Wie kann nun die Wärmewende praktisch erreicht werden? Die bisherigen Bundes- und Landesregierungen haben dabei völlig versagt. Der Wärmeumbau wurde als ein Aufgabe in der Verantwortung der Wohnungseigentümer gesehen, die Regierungen hat es nicht gekümmert. Real passierte dann fast nichts. Tatsächlich ist aber die Transformation der Wärmeversorgung eine hochpolitische und strategische Aufgabe, in die sich auch Die Linke lokal und bundesweit einmischen sollte. Die Absicht des Bundeswirtschaftsministeriums, eine verpflichtende Wärmeplanung für Kommunen einzuführen, könnte dazu genutzt werden. Dafür müssen lokal und regional Flächen bereitgestellt werden: Für neue Leitungstrassen, saisonale Wärmespeicher, Tiefengeothermie, die Erschließung von Umweltquellen oder Flächen für solarthermische Großanlagen. Linke Kräfte sollten hier intervenieren und frühzeitig eigene Pläne entwickeln und diese der lokalen Öffentlichkeit vorstellen. Sie sollten dabei zusätzlich Vorschläge zur Demokratisierung und zur gesellschaftlichen Kontrolle der Stadtwerke in die Diskussion einbringen.
Die Kosten einer Wärmewende
Die Kosten für den Aufbau einer Infrastruktur für die Wärmewende sind aber nicht unerheblich. Das Wuppertal-Institut hat in einer aktuellen Studie berechnet, dass sich die Wärmewende einschließlich einer großangelegten Wohnungssanierung bis 2035 komplett umsetzen ließe. Bis dahin müsste der Staat aber jedes Jahr zusätzliche 50 Milliarden Euro zum Aufbau der Infrastruktur bereitstellen. Also eine zentrale Aufgabe der Regierung. Das Geld wäre da, wenn man bedenkt, dass die Bundeswehr jedes Jahr Gelder von über 50 Milliarden Euro sinnfrei verschlingt und dass der Bundestag im letzten Jahr irrwitzigerweise 100 Milliarden Euro extra für die Aufrüstung des deutschen Militärs bewilligt hat.
Dazu ließen sich auch in anderen Sektoren Gelder für den ökologischen Umbau abschöpfen: So werden allein die 40 DAX-Konzerne dieses Jahr wieder über 50 Milliarden Euro als Dividenden an ihre Aktionäre ausschütten.
Klaus Meier ist im Netzwerk-Ökosozialismus aktiv.
Veranstaltungshinweis mit dem Autor:
Ökologisch Einheizen
Keine neuen Öl- und Gasheizkessel mehr ab 2024? Neuer Ampelstreit.
Referent: Klaus Meier (Ingenieur, Hochschuldozent)
7. März 2023, 19:00 Uhr
Zum Inhalt: Unser Referent diskutiert, wie eine ökologische Wärmewende in den urbanen Räumen umgesetzt werden kann: Warum sind Wärmenetze ein zentrales Element? Wofür brauchen wir dann Wärmepumpen? Was ist mit Solarthermie, Tiefengeothermie und Wohnungssanierungen? Wie hoch sind die Umbaukosten? Wie schnell lässt sich eine Wärmewende umsetzen?
Zoom-Einwahldaten:
Meeting-ID: 760 632 6079 Kenncode: 230696
oder:
https://us02web.zoom.us/j/7606326079?pwd=Z0VQUUdPQWNNeHdjblZZRDRpRzNndz09