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(K)ein Recht auf Ehegattennachzug

Was schon vor der Pandemie für viele Menschen im Rahmen einer Familienzusammenführung eine Zerreißprobe war, wird unter Corona noch verschärft. Die Botschaften arbeiten aufgrund der Pandemie in geringerem Umfang, worunter besonders der Familiennachzug leidet. Riesige Herausforderung bleiben dabei auch die Voraussetzungen, wie etwa die Anforderungen an Spracherfordernisse.

Seit dem Ausbruch der Pandemie mussten zahlreiche Menschen weltweit erleben, was es bedeutet, von der Familie oder den geliebten Menschen getrennt zu sein. Flüge werden gestrichen, Ländergrenzen geschlossen und die Bearbeitung von Visaanträgen verlängert sich erheblich. Dabei trifft es natürlich nicht nur geflüchtete Menschen, sondern auch jene unverheirateten, binationalen Paare, auf die seit März der Hashtag #LoveisNotTourism aufmerksam macht. Sie haben in der Gesellschaft bereits eine breite Unterstützung erlangt und somit eine Lobby, die den Menschen auf der Flucht oft fehlt.

Jeder Einzelfall zählt

In meiner Funktion als Bundestagsabgeordnete kontaktieren mich seit einigen Jahren immer wieder Menschen, die Rat und Unterstützung bei den behördlichen Maßgaben einer Familienzusammenführung oder des Ehegattennachzugs benötigen. Mit zahlreichen parlamentarischen Nachfragen haben wir in unserer Fraktion Missstände aufdecken können, die die Bundesregierung ignoriert und Familien an einer Zusammenführung hindert! Unzählige Familien auf der Flucht, die versuchen, ihre Ehepartnerinnen oder Kinder zu sich zu holen, müssen erleben, wie Behörden mit ihren ablehnenden Entscheidungen und Auslegungen des Gesetzes ihrem Glück im Wege stehen, manchmal, so scheint es mir, wird das Ermessen bewusst zum Nachteil der Antragsteller*innen genutzt.

So ist es im Regelfall für die Beantragung eines Visums (zum Ehegattennachzug) erforderlich, Deutschkenntnisse nachzuweisen. Ungeachtet der Tatsache, dass dies für viele Menschen schon vor der Pandemie eine riesige Hürde darstellte, wird trotz der Pandemie nicht von dieser Erfordernis abgesehen.

Jede Fluchtbewegung hat ihre Hintergründe Foto: Jimmy Bulanik

Das Sprachkursangebot in den meisten Ländern ist ohnehin sehr gering und örtlich nur begrenzt verfügbar. Aktuell gibt es aufgrund der Corona-Pandemie und der damit verbunden Einschränkung der Bewegungsfreiheit oft gar keine Möglichkeit, die vorgesehenen Sprachtests abzulegen. Die Antwort der Bundesregierung auf meine Nachfrage dazu bestätigt, dass es Ende Oktober in insgesamt 81 Drittstaaten (darunter die Hauptherkunftsstaaten Ägypten, Albanien, Iran, Libanon und Mexiko) nicht möglich war, „ein Sprachzertifikat über einfache deutsche Sprachkenntnisse, wie im Rahmen der Regelung zum Ehegattennachzug nach § 30 Absatz 1 Nummer 2 Aufenthaltsgesetz verlangt, zu erlangen, das von den deutschen Visastellen akzeptiert wird“. (Fehlende Möglichkeit für Sprachtest)

Rückgang der Zahlen des Ehegattennachzugs wegen unzureichender Anwendung der Härtefallprüfung

Das Problem liegt also nach wie vor darin, dass Sprachnachweise gefordert werden, die aktuell aus offensichtlichen Gründen jedoch nicht ohne weiteres erbracht werden können. Dabei gibt es für diese Fälle eine Härtefallregelung, wenn nachgewiesen werden kann, dass trotz Bemühungen der Antragstellenden diese Forderungen nicht erbracht werden können. Aus meiner Sicht müssten gerade jetzt während der Pandemie mindestens in allen Fällen, in denen der Zugang zu Sprachkursen nicht möglich ist, diese Härtefallregelung angewendet werden. Denn es ist inakzeptabel und unzumutbar, von Eheleuten einen Sprachnachweis zu verlangen, den sie unverschuldet gar nicht vorlegen können.

Unsere Nachfragen bei der Bundesregierung haben ergeben, dass es insgesamt einen Rückgang bei den Zahlen des Ehegattennachzugs gibt. Auch wenn es nachvollziehbar ist, dass es coronabedingte Verzögerungen bei der Visumsbearbeitung gibt, so darf das nicht dazu führen, dass die Forderung von Sprachnachweisen im Ausland und eine diesbezüglich unzureichende Härtefallprüfung eigentlich die maßgeblichen Gründe für den Rückgang der Zahlen des Ehegattennachzugs sind.

Das Recht auf Familieneinheit besteht auch während der Pandemie fort und muss gewährleistet werden. Darum muss die Bundesregierung handeln und sich unter anderem als eine Maßnahme für die Vergabe von mehr Visa einsetzen.

Weitere Berichterstattung:

Monateslanges Warten auf einen Visums-Termin

Fehlende Möglichkeit für Sprachtest

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