Jamaika oder Scholz als nützlicher Idiot?

Ein Blick auf die riesigen Parteispenden legt ganz klar die Wunschkonstellation der deutschen Wirtschaft offen: Jamaika. Dennoch liegt mit Olaf Scholz ein SPDler vorne. Wie kann das sein? Haben die Wirtschaftseliten in Deutschland nicht ihren Wunschkanzler?

Jamaika ganz klar?

Dass die Wirtschaft CDU und FDP unterstützt, überrascht kaum. Die Großunternehmen wollen Steuersenkungen für Reiche und weniger lästige Arbeitnehmerrechte, um so mehr Geld machen zu können. So machte auch der wichtigste neoliberale Thinktank in Deutschland, die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM), eine mediale Kampagne gegen die Grünen. Alles wie immer? Nicht ganz.

Mit dem Klimawandel, aber auch dem Aufstieg Chinas und der veränderten Politik der USA verändern sich die Anforderungen an die deutsche Wirtschaft massiv. Die chinesische Industrie macht der deutschen mehr und mehr Konkurrenz. Der Trend zu einer eigenen Industriepolitik der USA lässt die Globalisierung verlangsamen. Das muss erstmal nicht schlecht sein. Nur ist Deutschland weltweit das Land mit einer der höchsten Exportquoten: Kaum ein Land ist so abhängig vom Export wie Deutschland.

Den Klimawandel haben weite Teile der deutschen Wirtschaft verpennt. Statt auf energie- und ressourcenschonende Produktion zu setzen, wurden hierzulande einfach weiter SUVs produziert. „Nach mir die Sintflut“ war anscheinend das Motto der deutschen Konzernlenker. Der politische Ausdruck dieser blockierenden Kapitaleliten ist augenblicklich die FDP. Die weitsichtigeren Teile des Kapitals setzen jedoch offenbar auf eine Reformregierung von Grünen oder sogar SPD. Das ist nicht ungewöhnlich. Die einzigen SPD-Regierungen in Deutschland sind nach realen oder vermeintlichen Krisen an die Macht gekommen: 1969, in den Krisenjahren ab Mitte der 1970er und 1998.

Nun erleben wir die größte Wirtschaftskrise seit langem und der Problemstau der Merkel-Ära wird immer offensichtlicher: kaputte Infrastruktur, veraltete Industrie und Exportabhängigkeit. Da CDU und FDP ideologisch noch zu sehr in neoliberaler Wirtschaftslogik verhaftet sind, braucht es eine Erneuerung.

Vom Kaiser lernen?

Naheliegend wäre daher, an alte deutsche Traditionen anzuknüpfen. Deutschland ist traditionell ein Land mit starker wirtschaftlicher Steuerung. Den Sprung an die Weltspitze schaffte das damalige Deutsche Reich durch eine massive staatliche Stimulierung der Wirtschaft, die bis heute anhält. So wird die Forschung in Deutschland massiv staatlich unterstützt, die Forschungsergebnisse aber privatisiert – von den Max-Planck- bis zu den Fraunhofer-Instituten. Statt auf Massengüter wie damals Großbritannien und später die USA, setzte Deutschland auf Qualitätsproduktion. Selbst in den letzten 30 neoliberalen Jahren sank die Staatsquote kaum. Der Staat wurde entgegen aller liberaler Propaganda von Schröder bis FDP nur mehr an die Interessen der Wirtschaft angepasst – auf Kosten des Sozialstaats.

Wie schon 1998–2005 kann eine Scholz-Regierung wieder stärker auf staatliche Investitionen setzen und eine Modernisierung der Industrie vorantreiben, wie es CDU und FDP kaum könnten. Ein so massiver Einsatz für die Wirtschaft ist ganz gegen die Ideologie vom ach so „freien Markt“. Klar ist aber, es braucht eine Modernisierung und die Wirtschaft will dafür nicht zahlen.

Damit dieser Umbau der Wirtschaft nicht so teuer wird, werden ihn die Beschäftigten mit Entlassungen und die Bürgerinnen und Bürger über Steuererhöhungen und Gebühren sehr wahrscheinlich zahlen müssen. Eine Regierung, die das durchsetzt, dürfte nicht besonders beliebt sein. In dieser Zeit hätte die CDU nach ihrem eigenen Wahldebakel die Chance, die eigenen Wunden zu lecken und sich selbst zu erneuern, um sich nach der Krise wieder bequem ins gemachte Nest zu setzen – auf weitere 16 Jahre. Ein Kanzler Scholz wäre dann nicht mehr als ein nützlicher Idiot des Kapitals.

Und die Alternative?

Die Alternative wäre ein sozialökologischer Umbau, manche nennen ihn Green New Deal. Dieser würde die Arbeitsplätze sichern und die Reichen und Unternehmen müssten für die Modernisierung der Wirtschaft aufkommen. Das könnte das Projekt einer rot-rot-grünen Regierung sein, aber das wollen weder SPD noch Grüne, denn dann müssten sie ihre Programme tatsächlich umsetzen. Das wollen Scholz und Baerbock nicht riskieren. Statt einer linken Reformregierung für die Mehrheit bauen SPD und Grüne schon vorsorglich den Popanz der Außenpolitik auf. Dabei geht die Tendenz außenpolitisch nach dem Afghanistandebakel eher nicht zu weiteren kostspieligen und sinnlosen Kriegseinsätzen. Wer eine linke Erneuerung will, muss also links wählen. Wer die Opposition zum unsozialen Umbau der Wirtschaft nicht der AfD und CDU überlassen will, muss es auch tun. Gerade in Krisenzeiten ist eine LINKE im Parlament wichtiger denn je. Manchmal passiert politisch ein ganzes Jahrzehnt nichts und dann passiert in Monaten mehr als in mehreren Jahrzehnten. Entscheidend ist dann, wer in diesen Monaten bereit ist und auf dem Platz steht.

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