Ist die AfD die neue soziale Arbeiterpartei im Osten?

Wieder hat die AfD bei Landtagswahlen unter Arbeitern stark abgeschnitten. Die besonders rechten AfD-Landesverbände Brandenburg und Sachsen werben selber damit sozial zu sein und kokettieren oft mit ihrem Arbeiterimage. Was ist dran?

Wird die AfD besonders von Arbeiterinnen und Arbeitern gewählt?

 Ja. Guckt man sich die Wahlergebnisse an, stimmt das. In Sachsen und Brandenburg haben über ein Drittel der Arbeiterinnen und Arbeiter AfD gewählt. Auch unter männlichen Gewerkschaftsmitgliedern war die AfD mit 27% in Brandenburg und 34% in Sachsen besonders stark. Damit hat die AfD ihre Ergebnisse in den Gewerkschaften fast verdoppeln können (von 12% auf 23% in Brandenburg und 15% auf 27% in Sachsen).[i] Aber nicht alle Gewerkschafter wählen rechts. Vor allem Gewerkschafterinnen wählen viel weniger rechts als ihre männlichen Kollegen (in Sachsen 16% der Frauen gegenüber 34% bei den Männern).

Wie viele Mitglieder der AfD sind Arbeiter?

Unklar. Über die AfD-Mitglieder weiß man wenig. Die AfD hat im Vergleich zu anderen Parteien relativ wenige aktive Mitglieder und 85% davon sind Männer. Beides ist europaweit typisch für rechtspopulistische Parteien.

Ist die AfD im Parlament eine Arbeiterpartei?

Berufe d. Abgeordneten Anzahl
Meister/Kleinunternehmer 16
Ingenieure 9
Juristen 5
Betriebs- u. Volkswirt 5
Polizisten 4
Angestellte 4
Buchhalter/Steuerprüfer 3
Soldaten  
Arbeiter 3
Kaufmann 2
Verwaltungswirt 2
Sonstige 5
Gesamt 61

Nein. Zwar hat die AfD in Sachsen und Brandenburg deutlich weniger Akademiker als in ihrer Bundestagsfraktion – im Bundestag ist sie Partei mit dem höchsten Akademikeranteil. Ein Großteil der Abgeordneten in beiden Bundesländern hat studiert, aber oft erst nach einer Ausbildung. Bemerkenswert: Fast alle AfD-Abgeordneten waren schon mal selbstständig tätig. Viele Abgeordnete vor allem in Sachsen sind mittelständische oder Kleinunternehmer und fast alle Männer. Nur ein einziger Abgeordneter arbeitet in der Industrie – als Abteilungsleiter. Diese Berufsübersicht würde man eher bei der FDP vermuten. Und noch etwas fällt auf: Die AfD-Abgeordneten sind so alt wie ihre WählerInnen. Fast alle sind zwischen 40-55. Die Älteren und die Jüngeren wählen viel weniger AfD. Gerade diese Nachwendegeneration ist am härtesten mit der großen Unsicherheit in den 90ern konfrontiert worden.

Soziales Programm?

Eher nein. Wenig überraschend wettert die AfD fleißig gegen Ausländer und die Wahlprogramme sind durchweg nationalistisch. Was aber auf den ersten Blick überrascht, dass die AfD Sachsen schon im zweiten Absatz ihres Wahlprogramms gegen einen überregulierten Mittelstand wettert und das zieht sich so durch. Die AfD ist gegen Grundsteuern, die Vermögensteuern und natürlich für eine massive Absenkung der Gewerbesteuern für die Unternehmen vor Ort. Auch das AfD-Steuerprogramm liest sich wie ein radikales FDP-Papier. Vor allem in Brandenburg wettert die AfD fleißig gegen die „Sozialindustrie“ und eine Sozialpolitik, die Almosen verteilt. Politik für Mieter lehnt die AfD genauso ab wie sozialen Wohnungsbau. Nur für vermeintliche „Sicherheit“ soll es mehr Geld geben.

Trotzdem finden sich Passagen zu Arbeit, Pflegenotstand und Rente, die durchaus für soziale Verbesserungen sorgen würden. Zum Thema Umwelt- und Klima – wovon ja besonders die Ärmeren betroffen sind – lehnt die AfD alles ab. Die AfD hat schon ein paar Forderungen für fleißige Arbeitnehmer in petto. Die Gewichtung des Programms ist trotzdem eindeutig: Von einer besonders nationalsozialen Partei kann nicht die Rede sein.

Fazit: Die AfD ist eine Partei der Kleinunternehmer

Die AfD ist eine Partei der Kleinunternehmer und Selbstständigen, die aber von vielen ArbeitnehmerInnen gewählt wird. Ostdeutschland wurde in den 90ern zum neoliberalen Versuchslabor Deutschlands. Unsicherheit, Existenzangst machten sich breit. Die Biografien der AfDlerInnen zeigen durch viele Berufswechsel, dass viele sich durch diese Zeit allein durchgekämpft haben. Das scheinen sie nun auch von anderen zu erwarten. Das Programm der AfD richtet sich daher an die, die sich ohne den Sozialstaat durch harte Arbeit und Entbehrung durchkämpfen.[i] Mit dieser Ellenbogenmentalität in alle Richtungen scheinen sie – das zeigen die Wahlergebnisse – einen Nerv zu treffen. Für Solidarität und Umverteilung hat die AfD jedenfalls nicht viel übrig. Trotzdem hat der Wechsel von der neoliberalen Professorenpartei 2014 zur scheinbar nationalsozialen Partei der AfD Stimmen gebracht.

In der Regierung wird die AfD jedenfalls sozial jedoch nicht liefern. Zumindest sozial dürfte sie ihre vielen Arbeitnehmerwähler verprellen. Ob die Klammer des Nationalismus ihre Wähler dann noch beisammen hält, ist fraglich. Das kann für linke Parteien eine Chance sein.


[i] In Sachsen wählten 2014 knapp 5% der Gewerkschafter NPD. Die AfD und NPD-Ergebnisse sind hier zusammengezählt.

[ii] Fast die Hälfte der deutschen ArbeiterInnen stand auch historisch sozialliberal, katholisch oder protestantisch-rechts und war weder sozialdemokratisch oder kommunistisch. Wen das interessiert, dem sei Helga Grebing: Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung empfohlen. Es ist sehr billig antiquarisch zu bekommen.


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