Ende November veröffentlichte CNN eine Dokumentation, die zeigt, wie afrikanische Flüchtlinge in Libyen als Sklaven verkauft werden. Stunden nach Veröffentlichung der Dokumentation waren sich alle EU-Politiker einig: Die Bilder sind untragbar! Diese Empörung ist Zynismus der ekelhaftesten Art, blockiert die EU doch seit Jahren alle legalen Wege, nach Europa zu gelangen.
Die Bilder der Dokumentation sind erschreckend und erinnern eher an die Kolonialzeit, als an das 21. Jahrhundert. Zwei Flüchtlinge stehen in einem dunklen Raum, eine Stimme ruft: „Braucht jemand einen Gräber? Die Männer sind stark, sie können arbeiten“, dann geht das Wettbieten los. 400 Dollar, das ist der Wert eines Menschenlebens.
Schon im April veröffentlichte die Internationale Organisation für Migration (IOM) einen Bericht über den Sklavenhandel in Libyen. Die IOM schätzt in ihrem im September veröffentlichten Bericht, dass zwischen 700.000 und eine Million Flüchtlinge in Konzentrationslagern in Libyen eingesperrt sind.
Keine Einzelfälle
Saleh, ein Flüchtling, der selbst Opfer des Sklavenhandels wurde, schätzt, dass alleine in der Stadt Sabha wöchentlich hunderte Menschen verkauft werden – allesamt Flüchtlinge aus den Regionen südlich der Sahara.
Auf ihrem Weg nach Europa werden sie in Lagern, die von der EU und der UN mitfinanziert werden, interniert und direkt aus diesen Lagern in die Sklaverei verkauft. Das genaue Ausmaß des Sklavenhandels ist momentan nicht abzuschätzen, doch es geht vermutlich um zehntausende Menschen, keinesfalls nur um Einzelfälle.
Der Fotojournalist Narciso Contreras dokumentierte die Zustände in Libyen: „Der Sklavenhandel ist ein regelrechter Industriezweig. Doch die Welt schaut zu.“ Nach Schätzungen der IOM werden in Afrika etwa 9 Millionen Menschen als Sklaven gehalten. Die meisten von ihnen arbeiten sich in Kobalt-Minen (Metall, das zur Herstellung von Smartphones benötigt wird) zu Tode.
Verratene Revolution
2011 bemächtigten sich imperialistische Mächte, Frankreich an der Spitze, der gerechtfertigten Revolution gegen den Diktator Gaddafi. Der westliche Bombenterror stürzte das Land ins Chaos. Die Regierung in Tripolis hat aktuell, trotz westlicher Unterstützung, keine Kontrolle über das Land. Weite Teile werden von Warlords oder kriminellen Banden kontrolliert.
Der Sprecher der IOM Leonard Doyle stellt gegenüber Al Jazeera fest: „Selbst wir wissen manchmal nicht, wer die Flüchtlingslager kontrolliert, in die wir Hilfsgüter bringen. Manche Wachen arbeiten für das Militär oder die Polizei, aber gleichzeitig auch für Warlords oder kriminelle Banden.
Manche Flüchtlingslager werden auch direkt von Schleppern und sonstigen Kriminellen kontrolliert.“ Mord, Vergewaltigung und Sklaverei ist der alltägliche Horror in diesen Lagern. Das Geld für den Bau der Lager stammt aus der EU.
Geld für Lager
Zwischen der libyschen Küste und der italienischen Insel Sizilien liegen etwas mehr als 800 Kilometer. Neben Marokko und Tunesien ist die Mittelmeerroute über Libyen der Hauptweg nach Europa.
2008 unterzeichneten die italienische Regierung und Gaddafi einen Freundschaftsvertrag, angeblich um die Kolonialisierung Afrikas wieder gut zu machen. Kostenpunkt: 5 Milliarden Dollar. In Wahrheit sollte es in den Bau von Flüchtlingslagern in der Wüste fließen.
Genau aus diesen Lagern werden heute Menschen in die Sklaverei verkauft. Zwischen 2008 und 2010 sank die Zahl der Flüchtlinge, die über Libyen nach Italien kamen von 40.000 auf 5.000.
Nächster Weg versperrt
Während Italien Deals mit Libyen einging, verhandelte Spanien mit Marokko und Tunesien. Seit 1993 (erneuert 2007) gibt es ein Flüchtlingsabkommen zwischen Marokko und Spanien das jenem zwischen Libyen und Italien ähnelt. Auch über Marokko kommen kaum mehr Flüchtlinge nach Europa.
Nachdem das Gaddafi-Regime gestürzt war, wagten tausende Flüchtlinge den lebensbedrohlichen Weg nach Europa. Seit 2014 starben jedes Jahr mindestens 3.000 Flüchtlinge bei dem Versuch, über die Mittelmeerroute nach Europa zu gelangen.
EU-Deal mit Libyen
Seit August 2017 sinkt die Zahl ankommender Flüchtlinge aus Libyen massiv. (August 2016 rund 18.000, dieses Jahr nur noch 2.500 Flüchtlinge). Ähnlich wie mit der Türkei (diese erhält von der EU bis zu drei Milliarden Euro, im Gegentausch soll sie Flüchtlinge abhalten) versucht die EU auch mit Libyen einen Deal abzuschließen.
Im Juli dieses Jahres erhielt Libyen 50 Millionen Euro für den Grenzschutz. Nebenher wurde ein Programm zur Ausbildung der libyschen Küstenwache gestartet. Die libysche Küstenwache bedankte sich im August indem sie auf ein Boot der NGO-Hilfsorganisation Proactiva Open Arms mit scharfer Munition schoss und das Boot beschlagnahmte. Die New York Times berichtete im September dieses Jahres darüber, wie Italien nicht einmal mehr den Umweg über den libyschen Staat nimmt, sondern direkt Warlords, Drogendealer, Sklavenhändler, Waffenhändler und sonstige kriminelle Banden finanziert, um Flüchtlinge abzuhalten. So lud der italienische Innenminister Marco Minniti im April den aufständischen General, Warlord und Kriegsverbrecher Khalifa Haftar zum feinen Essen nach Rom ein.
Über Gegenleistungen der italienischen Regierung ist offiziell noch nichts bekannt, aber aus Liebe zu Italien werden libysche Verbrecherbanden die Flüchtlinge wohl nicht aufhalten. Sowohl Khalifa Haftar als auch die libyschen Stämme haben enormen Einfluss auf Flüchtlingslager, in denen Menschen als Sklaven verkauft werden.
Die jüngsten Ereignisse zeigen die unfassbare Bestialität der europäischen Flüchtlingspolitik. Unsere Antwort muss die Forderung nach einer Welt ohne Grenzen sein!
Ein Beitrag von David Reisinger der in der Linkswende erschien.
Eine Antwort
Wer den arabisch-sozialistischen Revolutionsführer Muammar al-Gaddafi als Diktator diffamiert, müsste dies auch mit Fidel Castro tun. Der ist aber so populär, dass sich dies kein Linker trauen würde. Ich empfinde das als anti-arabischen Rassismus.