Die Medienkrise in Deutschland und die Darstellung Russlands

Um die Berichterstattung über Russland zu verstehen, muss man sich mit Arbeitsbedingungen im Journalismus beschäftigen. Ein Kommentar von Benni R.

Am 1. Februar diesen Jahres kündigten die USA die INF-Verträge auf, welche sie 1987 mit der Sowjetunion geschlossen hatten, um atomare Kurz- und Mittelstreckenraketen zu ächten. Im SPIEGEL begann die Berichterstattung hierüber mit den Worten: „Die Verhandlungen mit Russland sind erfolglos geblieben“ und stellte damit die US-Vorwürfe des russischen Vertragsbruches in den Vordergrund (SPON, 1.2.19). Nicht erwähnt wurde zum Beispiel, dass die Rüstungsausgaben in den USA ums neunfache höher liegen als in Russland (2017). Die Taz titelte „Putin will den Längsten“ (3.2.19) und die ZEIT nannte die Aufrüstung gar „Ein Geschenk aus Washington“ (6.2.19).

Medienkritik ist hierzulande umstritten, nicht erst seit Pegida-Demonstrierenden „Lügenpresse“ rufen. Linke tun gut daran, sich von rechter Medienkritik zu distanzieren. Aber Kritik ist nötig.

Russland, der Dämon

Die russisch-westlichen Beziehungen sind seit 1991 von Kooperation in Zeiten der Schwäche Russlands und von westlicher Konfrontation in Zeiten russischer Stärke geprägt, wie Jörg Kronauer darlegt (2018). So gab die BRD dem russischen Präsidenten Jelzin einen Milliardenkredit, als er 1996 die Wahlen gegen den Kommunisten Sjuganow zu verlieren drohte. Auch vom Petersburger Außenhandelsreferent der 90er, Wladimir Putin, erhoffte man sich weitere wirtschaftliche Vorteile. Mit der innenpolitischen Konsolidierung Russlands und dem eigenständigen außenpolitischen Auftreten seit dem Jahr 2000 verschlechterten sich die Beziehungen allerdings merklich. Das Russlandbild in den deutschen Medien ist einseitig – das schilderte auch Daria Gordeeva 2017. Sie analysierte hierfür Ausschnitte der Tagesschau analysiert. Seit 2015 habe die Berichterstattung eine neue Qualität erreicht: Mit der Ukraine-Krise werde Russland verstärkt dämonisiert und Putin als Personifizierung einer aggressiven russischen Großmachtpolitik präsentiert. Es würden vor allem negative Ereignisse wie die Repression gegen Oppositionelle in den Mittelpunkt gestellt und positive Aspekte wie die teilweise Wiederherstellung des Sozialsystems ausgeblendet.

Fehler des Systems

Für einseitige Berichterstattung gibt es Ursachen, die (fast) nichts mit Verschwörung zu tun haben. Gabriele Krone-Schmalz, ehemalige Moskau-Korrespondentin der ARD, nennt den Konformitätsdruck unter Journalistinnen und Journalisten und die aktivistische Gesinnung vieler Kolleginnen und Kollegen(2017). Michael Meyen, Kommunikationswissenschaftler aus München, spricht von „Medialisierung der Politik“ als wichtigem Moment (2018): Die groß-en PR-Abteilungen politischer Institutionen sind den durch Stellenkürzung geschwächten Nachrichtenagenturen und Redaktionen überlegen. Während letztere sich täglich bemühen, ihre Seiten zu füllen, liefern erstere ihnen mundgerechte Nachrichten. Das zeigt sich in der ähnlichen oder sogar gleichen Wortwahl vieler großer Redaktionen. Kernproblem ist die beschleunigte Monopolisierung der Medienlandschaft, gerade in Zeiten, die von Auflagenrückgang und Kürzungswellen in Redaktionen geprägt sind. Journalistinnen und Journalisten haben heute nicht nur weniger Zeit, sondern sind auch verstärkt von Arbeitslosigkeit bedroht, was kritisches Nachdenken erschwert und Meinungsverschiedenheiten mit der Chefredaktion riskanter macht.

Auch politische Manöver, wie z.B. massive Preiserhöhungen der Deutschen Post für die Zustellung, beschleunigen den Niedergang oder die Übernahme kleiner Zeitungen. Insofern ist die Vereinheitlichung der Medienlandschaft vielmehr durch strukturelle Vorgänge, als durch persönliche Absichten geprägt. Doch auch sie spielen eine Rolle, wie der Medienwissenschaftler Uwe Krüger in einer Studie (2013) nachweist. Die Redaktionsleitungen der groß-en Zeitungen in Deutschland sind eng verbunden mit politischen und wirtschaftlichen Eliten. So ist etwa Stefan Kornelius, außenpolitischer Ressortchef der Süddeutschen Zeitung, Mitglied der Atlantikbrücke und der Münchner Sicherheitskonferenz.

Stattdessen?

Aus dieser Einschätzung ergeben sich außen-, aber auch medienpolitische Schlussfolgerungen: Zum einen, dass Deeskalation und Dialog dem Frieden mehr zugutekommen als Konfrontation und Druck. Die Grundlage dafür ist eine sachlichere, pluralere mediale Darstellung Russlands. Für mehr Meinungsvielfalt und tiefere Reflexion sind aber bessere Arbeitsbedingungen für Journalistinnen und Journalisten essentiell. Diese müssen durchgesetzt werden für eine analysierende und vor allem kritische Medienlandschaft.

Der Artikel erschien in der neuen Ausgabe unseres Medienpartners Critica.


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