DIE LINKE wird gebraucht – Im Gespräch mit Bundesgeschäftsführerin Caren Lay

Caren Lay - Bild von B. Dietl

In der Linken gibt es immer mehr Vorschläge, mit denen die Partei aus der Krise geführt werden soll. Besondere Hoffnungen weckt dabei die Idee einer weiblichen Doppelspitze, die von Katharina Schwabedissen und Katja Kipping geführt werden soll. Großen Anteil an der Idee hat die Bundesgeschäftsführerin Caren Lay, die auch Mitglied des Vorstandes der Linken bleiben soll. Wir haben ein Gespräch mit Caren Lay geführt, um mehr über ihre Wünsche und Hoffnungen zu erfahren.

Die Freiheitsliebe: Du warst bisher Bundesgeschäftsführerin und sollst auch dem neuen Vorstand der Linken angehören, zumindest wenn es nach Anhängern des „dritten Wegs“ geht. Wofür stehst du als Bundesgeschäftsführerin?

Caren Lay: Ich bin sehr überraschend vor zweieinhalb Jahren als Bundesgeschäftsführerin vorgeschlagen worden und habe – nach dem ersten Schreck – kandidiert und das Amt gemeinsam mit Werner Dreibus in einer schwierigen Situation übernommen. Gemeinsam haben wir viele Dinge in Angriff genommen wie zum Beispiel die Verbesserung unserer Kampagnenfähigkeit und die Unterstützung der Landesverbände. Ich habe mit dem Clara-Zetkin-Frauenpreis und dem Mentoringprogramm die Frauen- und Nachwuchsförderung vorangebracht. Insgesamt stehe ich für einen moderierenden Stil der Integration der verschiedenen Spektren in unserer Partei und im Vorstand – damit macht man sich allerdings nicht nur Freunde.

Die Freiheitsliebe: Was hat dich bewogen trotz der Streitigkeiten wieder zu kandidieren?

Caren Lay: Ich glaube einfach, dass DIE LINKE gebraucht wird. Wir sind im Bundestag die einzigen, die die soziale Frage stellen oder die konsequent gegen Kriegseinsätze sind. Eine moderne linke Partei für soziale Gerechtigkeit, Frieden und Emanzipation ist einfach mal notwendig. Dazu brauchen wir einen neuen Aufbruch. Daran möchte ich mitwirken und dafür streite ich auch gerne. Und deshalb möchte ich meine Arbeit im geschäftsführenden Vorstand gerne fortsetzen. Ich hoffe, dass es im nächsten Vorstand eher Streit in der Sache geben wird und weniger unproduktive Querelen.

Die Freiheitsliebe: Du unterstützt eine Lösung mit zwei weiblichen Vorsitzenden. Was würden diese anders machen, als mögliche männliche Kandidaten?

Caren Lay: Was spricht gegen zwei weibliche Vorsitzende? Zwei Männer an der Spitze hatten wir doch auch schon! Die Personaldebatte war doch lange geprägt vom Kampf zwischen zwei Männern und es wurde auf Sieg gespielt. Aber dabei konnte es nur Sieger und Besiegte geben, um den Preis einer möglichen Spaltung der Partei. In dieser Situation haben wir uns mit mehreren Frauen hingesetzt und einen Ausweg aus der Block-Konfrontation gesucht. Ich freue mich, dass sich inzwischen auch Männer unserer Initiative angeschlossen haben. Der Ausweg liegt unserer Ansicht nach in der Suche nach Gemeinsamkeiten und in der Zusammenarbeit. Wir wollen Integration statt Konfrontation.

Die Freiheitsliebe: Mit Katharina Schwabedissen und Katja Kipping stehen zwei Kandidatinnen für den Parteivorsitz an, die aus sehr unterschiedlichen Strömungen kommen. Können die beiden die Streitigkeiten in der Linken beenden?

Caren Lay: Es ist doch schon mal ein guter Anfang, dass zwei antreten und sagen: wir kommen aus unterschiedlichen Lagern in der Partei, aber wir können es uns trotzdem miteinander gut vorstellen, weil wir kompromissfähig sind und aufeinander zugehen können. Das war ja auch in der Vergangenheit das Erfolgsrezept der LINKEN. Wir sind bewusst als offenes Team angetreten und werden Katharina und Katja dabei unterstützen, eine moderne, vorwärts gerichtete linke Politik und eine solidarische Debattenkultur in unserer Partei voranzubringen. Man muss doch verschiedene inhaltliche oder strategische Auffassungen nicht immer gleich als Gegensatz sehen. Man kann Widersprüche auch produktiv machen und gemeinsam Lösungen suchen und finden. Wir brauchen doch beides: radikale und über in die Zukunft weisende Forderungen nach einer gerechten Welt und einer wirklich demokratischen Gesellschaft auf der Straße und in den Parlamenten UND konkrete linke Arbeit vor Ort an den Problemen der Menschen im Hier und Jetzt. Dafür steht unser Team. Und wir hoffen und wollen dazu beitragen, dass sich dieses Denken in der Partei durchsetzt.

Was waren deine Aufgaben

Die Freiheitsliebe:Als Bundesgeschäftsführerin bist du mit zuständig für die Wahrnehmung der Partei. Woher kommt das

Caren Lay im Gespräch - Bild von B. Dietl

schlechte Bild, das viele Menschen von der Linken haben?

Caren Lay: Wenn das so einfach wäre. Eine Partei ist kein Konzern, in dem die Geschäftsführung die PR-Arbeit bestimmt. Wir haben knapp 70.000 Mitglieder und alle haben das Recht, sich in der Öffentlichkeit zu äußern. Und das ist auch gut so. Ich nehme für mich in Anspruch, nie über Genossinnen und Genossen öffentlich hergefahren zu sein. Ich habe mich immer nur zu unseren Inhalten geäußert. Wenn das alle so gehandhabt hätten dann wären wir schon einen Schritt weiter. Stattdessen geht es seit Monaten medial und auch parteiintern im Wesentlichen um die Personaldebatte. Ich habe ja nicht umsonst unsere Mieten- und Wohnungspolitische Offensive angestoßen. Es geht darum, endlich einmal ein neues Thema auf die Tagesordnung zu bringen. Die Mieten steigen rapide und da muss DIE LINKE ran!

Aber man muss auch mal unterscheiden zwischen der medialen Wahrnehmung und dem Bild einer anderen Öffentlichkeit. Ich denke nämlich schon, dass DIE LINKE in Aktion bei vielen einen guten Eindruck hinterlassen hat. Unsere „Street Credibility“ ist deutlich gewachsen durch unsere tatkräftige und deutlich sichtbare Beteiligung an Aktionen und Kampagnen wie Dresden Nazifrei, den Anti-Atom- und Anti-Castor-Protesten oder zuletzt bei blockupy. Hier war DIE LINKE präsent und kaum übersehbar und darauf bin ich als Bundesgeschäftsführerin auch ein bisschen stolz.

Die Freiheitsliebe:  Wird die negative Wahrnehmung der Linken durch die Berichterstattung der bürgerlichen Medien nicht noch verschlimmert?

Caren Lay: Na klar. Ein Interesse DIE LINKE hochzuschreiben hat leider niemand. Und für einige Medien ist selbst die 25. Auflage von „Oskar oder Dietmar?“ spannender und berichtenswerter als zum Beispiel unsere arbeitsmarkt- oder wohnungspolitischen Forderungen. Erfahrungsgemäß können linke und kritische Positionen nicht unbedingt auf eine faire Berichterstattung hoffen. Das geht ja nicht nur uns so. Davon können viele linke und zivilgesellschaftliche Organisationen und Kampagnen ein Lied singen. Trotzdem haben wir als LINKE eben auch nicht immer die beste Performance abgeliefert. Wir machen es uns zu einfach, alles nur den Medien zuzuschieben.

Die Freiheitsliebe:  Was kann der neue Vorstand und was kannst du machen um die Darstellung der Linken zu verbessern?

Caren Lay: In erster Linie müssen wir unsere Themen konsequent setzen und unsere Inhalte stark vertreten. Und intern müssen wir zu einem solidarischen Miteinander kommen, so dass es Leuten auch Lust macht mitzuarbeiten und sich einzubringen. Und ich will vor allem über die Themen reden die mir wichtig sind: Anti-Atom, Mietenpolitik, Frauenpolitik. Das alles gehört zu einer modernen LINKEN.

Die Freiheitsliebe:  Wird die Linke in Zukunft stärker auf eigene und alternative Medien setzen um junge Menschen zurückzugewinnen?

Caren Lay: Junge Menschen gewinnt man vermutlich vor allem darüber, dass man sie ernst nimmt und einbindet und dass man die Themen, die sie beschäftigen und die sie betreffen, aufgreift. Dazu muss man alle Kanäle nutzen: den direkten Kontakt vor Ort und selbstverständlich auch im Netz. Das heißt für mich z. B. in meiner Wahlkreisarbeit unseren Jugendverband zu unterstützen, mein Wahlkreisbüro zur Verfügung zu stellen und auch ein inhaltliches Angebot für junge Menschen zu machen. Viele von uns jüngeren Abgeordneten zum Beispiel, aber auch gestandene GenossInnen jeden Alters sind in den sozialen Netzwerken sehr aktiv (Caren auf Facebook). Die Web 2.0-Performance der Gesamtpartei muss ausgebaut und weiter verbessert werden. Das neue Mitgliedermagazin wird es auch digital geben. Dazu wird es einen Blog geben.

Die Freiheitsliebe: Abschließend die Frage, welche Fehler hast du in deiner Zeit im Vorstand gemacht und womit bist du zufrieden?

Caren Lay:Ein entscheidender Fehler war aus meiner Sicht, dass wir keinen Mitgliederentscheid gemacht haben über die Frage, wer die Partei führen soll. Ich war dafür, die Mitglieder in diese Debatte einzubinden, habe es aber nicht geschafft, dafür eine Mehrheit im Vorstand zu gewinnen. Das hätte uns einiges erspart in den letzten Monaten.
Vielleicht habe ich mich über die ganze inhaltliche und Sacharbeit auch zu wenig um das Knüpfen von Netzwerken gekümmert. Dazu hatten andere mehr Zeit.
Zufrieden und erfreut bin ich darüber, dass wir zum Parteitag in Göttingen die Pilot-Ausgabe unseres neuen Mitgliedermagazins vorstellen und verteilen können. Da steckte eine Menge Arbeit dahinter. Und was mich immer noch freut: Dass wir mit Beate Klarsfeld eine hervorragende Kandidatin für die Wahl des Bundespräsidenten gewinnen konnten. Damit haben wir politisch und medial in schwierigen Zeiten endlich mal wieder gepunktet. Und die Begegnung mit dieser aufrechten Antifaschistin, mit dieser kämpferischen Frau und ihre Begleitung in der Phase ihrer Kandidatur waren für mich persönlich sehr eindrucksvoll.
Die Freiheitsliebe: Wir danken dir für dieses Interview und wünschen viel Erfolg.

Mehr Informationen zu Caren Lay gibt es auf ihrer Webseite

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