Die Ausstellung „1948“ leugnet die Vertreibung des palästinensischen Volkes

In Bonn wurde vor kurzem die Ausstellung 1948 eröffnet, die sich mit der israelischen Staatsgründung beschäftigt. Die Ausstellung sorgt unter Palästinenserinnen und Palästinensern für Empörung. Wir wollen an dieser Stelle den offenen Brief der palästinensischen Gemeinde Bonn dokumentieren:

Die ‚Palästinensische Gemeinde Bonn e.V.‘ protestiert hiermit auf das Schärfste gegen die von Rassismus und dreisten Fälschungen geprägte Ausstellung „1948“, die am 7. August 2023 im Bonner Stadthaus von der Oberbürgermeisterin Katja Dörner eröffnet wurde und verlangt deren umgehende Korrektur.

Die Biografien vieler in Bonn lebender Palästinenser sind durch Krieg, Vertreibung und Flüchtlingslager-Erfahrungen geprägt. Was uns aber über alle Unterschiede und Generationen hinweg verbindet, ist das Trauma der Nakba – die Vertreibung, Entrechtung und Beraubung unseres Volkes durch Israel im Jahr 1948.
Nun müssen wir erleben, daß im Foyer des Bonner Stadthauses eine „Ausstellung“ gezeigt wird; tatsächlich eine bösartige Collage aus Auslassungen, dreisten Fälschungen und Verleumdungen, die ohne seriöse Belege daher kommt, um uns Palästinenser öffentlich verächtlich zu machen. Eine die Geschichte und die Gegenwart verleugnende Ausstellung, die das 1948 von Israel an den Palästinensern begangene Vertreibungsverbrechen, die Nakba leugnet. Die das Existenzrecht der Palästinenser in deren eigenen Heimat leugnet. Die das Recht der Palästinenser leugnet gegen ihre Unterdrückung und Vertreibung durch Israel zu protestieren oder Widerstand zu leisten. Eine Ausstellung, die nicht nur unsere Würde leugnet sondern am Ende auch unsere Identität als Palästinenser.
(Einstieg in die Ausstellung: https://www.1948-web.de/tafel-01-einfuehrung.)

Die rassistischen Botschaften der Ausstellung

Die Auffälligkeiten der Ausstellung beginnen damit, dass die Palästinenser auf 30 der 32Tafeln nicht als „Palästinenser“ bezeichnet werden. Für die Aussteller scheinen wir gar nichtzu existieren und konnten von daher wohl auch weder vertrieben noch zu Flüchtlingen werden.Bereits auf den ersten Tafeln der Ausstellung, denen zufolge aus der dauerhaften Präsenz vonJuden ein Amspruch auf die Errichtung eines jüdischen Staates im Mandatsgebiet resultiert, istvon uns Palästinensern nichts zu sehen oder zu lesen. Die Botschaft: Palästina ist die Heimatder Juden, aber nicht auch die der Palästinenser.

Auf den Tafeln 9 und 11 folgen dann uralte abgedroschene rassistische Klischees kolonialer Propaganda des 19. Jahrhunderts: Palästina sei „öde“, „wüst“, „Malaria-verseucht“, „verlassen“, „verarmt“ und „verkommen“ gewesen und die palästinensischen Bewohner seien vornehmlich gesetzlose Viehdiebe gewesen. Die Botschaft: Palästinenser sind faul und diebisch. Sie haben alles verkommen lassen. Sie haben kein Recht auf Palästina.

Dazu stützt sich die Ausstellung auch auf Fälschungen. Zwischen 1922 und 1948 seien eine halbe Millionen Araber in das Land eingewandert. Tatsache ist, dass die Zahl rund zehnmalkleiner war, wie man dem britischen ‚Survey of Palestine‘ von 1945 entnehmen kann – und –daß die zeitgleiche jüdische Zuwanderung zehnmal größer war. Die Botschaft: DiePalästinenser sind Betrüger, eigentlich sind sie Syrer oder Ägypter … . Sie können gar kein Recht auf Palästina haben.

Darüber warum und wie die Spannungen zwischen Juden und Palästinensern eskalierten erfährt das Publikum nichts. Allein schuldig sei der Mufti El-Husseini (Tafel 17) gewesen, der nachdem Aufstand von 1936 floh und mit Hitler gegen die Briten und die Juden paktierte. AlleProbleme seien auf den Mufti sowie auf den Fanatismus und Terrorismus der Palästinenserzurückzuführen. Jüdische Terroristen werden dagegen als „Untergrundkämpfer“ tituliert, dieimmer nur Vergeltung geübt hätten (Tafel 18). Die Botschaft: Die Palästinenser waren imwesentlichen Marionetten Hitlers, antisemitische Fanatiker und Terroristen, denen keineRechte zuzubilligen sind.

Bei der Annäherung an den Zeitpunkt der Ausrufung des israelischen Staats im Mai 48 (Tafel18), greifen die Aussteller zu weiteren Fälschungen, sie sich ohne weiteres per wikipedia.en widerlegen lassen. Die erste besteht im Verschweigen der Tatsache, dass jüdische Milizen undTerrorgruppen zu dem Zeitpunkt bereits rund 300.000 Palästinenser vertrieben hatten, noch vorder Intervention der arabischen Nachbarstaaten. Die zweite besteht in der Leugnung desberüchtigten Massakers von Deir Yassin, bei dem eine jüdische Terrormiliz über einhundertwehrlose Palästinenser massakrierte. Das Massaker, ohne das es – so der spätereMinisterpräsident Begin – keinen jüdischen Staat gegeben hätte, gab es zufolge der Ausstellernicht. Anstelle des Massakers habe es nur ein „Gefecht“ gegeben, das überdies von den Dorfbewohnern begonnen worden sei. Die Botschaft: Es gab keine Vertreibung und natürlich auch keine Massaker, um Palästinenser zu vertreiben.

Auf Tafel 21, die sich Ausrufung des israelischen Staates widmet, folgt eine weitereFälschung. Die Behauptung, dass Israel mit der Unabhängigkeitserklärung all seinen Bewohnern die gleichen Rechte eingeräumt habe. Tatsache ist, dass diese Passage in der Unabhängigkeitserklärung rechtlich ohne Bedeutung ist. Nach der Staatsgründung standen die Palästinenser in Israel bis 1966 unter Militärrecht. Palästinenser können und werden in Israel bis zum heutigen Tag legal diskriminiert. Das ist auch das Urteil der drei bedeutendste nenglischen, us-amerikanischen und israelischen Menschenrechtsorganisationen, die Israel daher als Apartheidsregime bezeichnen. Die Botschaft: Palästinenser wurden und werden vonIsrael nicht diskriminiert. Sie hatten und haben überhaupt keinen Grund zu Protest oder Widerstand – weder heute noch 1948 und daher auch keine von Israel zu vertretenden Gründe zur Flucht.

Den Gipfel aller Fälschungen bildet Tafel 25, die sich mit den Motiven der Vertreibung derPalästinenser befasst. Die Gründe der Flucht seien gewesen: „1. Generelle Angst vorKriegsgefahren“, „2. Aufrufe zur Flucht durch arabische Führer“, „3. Angstpropaganda durchden Mufti“, „4. Soziokulturelle Aversion“, „5. Rückkehr in die arabischen Heimatländer“.

Mit dem fünften Punkt recycled die Ausstellung ihre Fälschung auf Tafel 10, derzufolgezwischen 1922 und 1948 eine halbe Million Araber eingewandert seien. Aus einer Vertreibung wird so eine Repatriierung. Bedeutender ist jedoch, dass die ersten drei Gründe allein der Absicht der Aussteller geschuldet sind, die Vertreibung der Palästinenser zu verschleiern. Ein Dokument des israelischen Militärgeheimdienstes aus dem Jahr 1948 („The Emigration of the Arabs of Palestine in thePeriod 1/12/1947 – 1/6/1948″) das 1985 zutage trat (siehe wikipedia.en), gibt elf Fluchtgründea n. An der Spitze stehen: „1. Direkte Angriffe der Haganah“, „2. Angriffe der Haganah auf benachbarte Dörfer oder Städte“ und 3. „Angriffe von israelischen Milizen bzw.Terrorgruppen“. Das deckt sich mit den Berichten der Palästinenser, die vor Massakern und Militär-Operationen flohen. Entscheidend ist jedoch, was die Aussteller dabei verschweigen. Dass die Palästinenser ein im Völkerrecht verankertes Recht auf die Rückkehr in ihre Heimathaben, so wie das die von Israel im Jahr 1949 akzeptierte UN-Resolution 194 besagt. Auch das eine Fälschung der Aussteller durch Auslassung.

Unsere Botschaft an die Stadt Bonn

Angesichts der rassistischen Beleidigungen und dreisten Fälschungen der Ausstellung, fordert die ‚Palästinensische Gemeinde Bonn e.V‘. im Namen der palästinensischen Bonnerinnen und Bonner von der Stadt Bonn umgehend eine Begehung der Ausstellung mit Vertretern der Gemeinde und palästinensischen Betroffenen sowie Vertretern oder Vertreterinnen der Stadt Bonn, um die gravierendsten Fälschungen zu korrigieren.
Ausserdem fordern wir die Oberbürgermeisen zu einem persönlichen Gespräch auf, um zu klären, was die Stadt in Zukunft zu unternehmen gedenkt, um Kooperationen mit Organisationen zu verhindern, die weithin dafür bekannt sind, die Rechte der Palästinenser zu leugnen und sie zu verleumden.

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