Die inzwischen gebetsmühlenartig wiederholte Forderung der USA, Deutschland möge gefälligst zwei Prozent seines Bruttoinlandsprodukts fürs Militär verpulvern, wird auf einen jährlichen Wehretat von mehr als 60 Milliarden Euro hinauslaufen. Also fast auf eine Verdoppelung des derzeitigen Rüstungshaushalts. Und das wird wohl auch so kommen, wenn die Wehr-Ursel, die mit der Attitüde eines Musterschülers vorgeprescht ist, dem Washingtoner Ansinnen nur ja unverzüglich Folge zu leisten – O-Ton von der Leyen an die Adresse der Trump-Regierung: „Wir haben verstanden“ – nicht bald an die kurze Leine gelegt wird.
Nur einen, wenn auch gewichtigen Grund, dies tunlichst zu unterlassen, brachte Sigmar Gabriel vor, als er kürzlich äußerte: „Derzeit haben wir eher damit zu tun, dass das Geld liegen bleibt, oder das die Gerätschaften, die dafür angeschafft werden, nicht fliegen, nicht schwimmen oder nicht fahren.“
Die Liste desaströser Beispiele, die Gabriel dabei auf seiner Seite wusste, ist Blättchen-Lesern wohl vertraut. Sie enthält so klangvolle Namen wie Eurofighter, Kampfhubschrauber Tiger, Militärairbus A400, Drohne Global Hawk, Korvette K 130, U-Boot-Klasse 212 A und Fregatte 125 – allesamt Prestigeprojekte, die in diesem Magazin bereits zur Debatte standen. Unter anderem weil sich das Prestige jeweils darin niederschlug, dass Hunderte von Millionen oder gar Milliarden Euro an Steuergeldern über die ursprünglichen Ansätze hinaus verballert wurden und dass die der Bundeswehr häufig mit jahrelanger Verspätung zugeführte Hardware die in sie gesetzten militärischen Erwartungen schließlich dennoch nicht erfüllte.
Und dabei ist manches letale Großspielzeug hier bisher noch gar nicht ausreichend gewürdigt worden. Dem Heer etwa laufen seit April 2015 die Serienmodelle eines neuen Schützenpanzers (zum Transport von bis zu neun Soldaten) zu, dessen Name, so viel traditionspflegerischen Rückgriff auf die Nazi-Wehrmacht gestattet man sich, wieder dem Spektrum der Raubtiere entlehnt wurde – Puma. Laut Selbstbeweihräucherung der Hersteller Krauss-Maffei Wegmann und Rheinmetall-Landsysteme der „leistungsfähigste und modernste Schützenpanzer der Welt“.
Die Zugehörigkeit des Puma zur Liste desaströser Beispiele ist schon durch die Kostenentwicklung des Projekts zweifelsfrei sichergestellt: Sollte der Puma in der Konzeptphase noch auf einen Stückpreis von 7,7 Millionen Euro (nach anderen Quellen sogar nur 5,4 Millionen) kommen, so kostet er heute voll ausgerüstet 14 Millionen Euro und dürfte damit auf Jahre hinaus zumindest der teuerste Schützenpanzer der Welt sein. Und obwohl die Beschaffungsplanung inzwischen von 1000 auf nur noch 350 Exemplare eingedampft wurde, haben sich die zu erwartenden Gesamtkosten auf knapp fünf Milliarden Euro mehr als verdoppelt.
Dafür sind aber maßgebliche andere Aspekte ebenfalls auf der Stecke geblieben. So sollte das Fahrzeuggewicht eigentlich 32 Tonnen nicht übersteigen, damit eine Verlegung per Lufttransport mit dem neuen Militärairbus A400 möglich wäre, für den eine solche Last das Limit darstellt. In voller Montur, also mit Bewaffnung und in der sogenannten Stufe C – mit Spezialschutz gegen Minen, Streumunition und Panzerabwehrgeschosse – bringt der Puma nun aber bis zu 43 Tonnen auf die Waage. Daher muss er für den A400 auf die Schutzstufe A (31,4 Tonnen; ohne Waffen, Motorraumabdeckung, Schutz vor Streubomben, Zusatzpanzerung und Ausrüstung) abgespeckt werden. Um die entsprechenden Module für drei Pumas in ferne Einsatzgebiete mitzuliefern, erfordert es einen weiteren A400-Flug, was allein den Transportaufwand um ein Drittel erhöht. Vom De- und Montageaufwand ganz zu schweigen. Den NATO-„Feuerwehr“-Verbänden für besonders rasche Einsatzszenarien sollte der Puma also wohl besser nicht attachiert werden. Wer gern das Gute im Schlechten sieht, mag sich damit trösten, dass das auch ein Weg ist sich rauszuhalten.
Einsatzbereit sein sollte der Puma im Jahre 2008. Heute wird davon ausgegangen, dass die Bundeswehr-Bataillone, die das Fahrzeug erhalten, nicht vor 2025 voll einsatzbereit sein werden. Das hat damit zu tun, dass dieses Projekt, Kenner der Materie werden es schon ahnen, ein weiteres schier endloses Potpourri aus Pleiten, Pech und Pannen ist. So konnte der Puma zunächst sein eigenes Gewicht nicht tragen, unter Beschuss neigte die Panzerung zu Schwelbränden und ausgerechnet die Sichtverhältnisse für den Fahrer waren unter aller Kanone. Im Februar 2012 war bei Tests eine ganze Laufrolle samt Arm abgebrochen. Zudem kam es seit 2007 wiederholt zum „Ausspuren der Gleiskette“. Eine Störung mit möglicherweise fatalen Folgen: Wenn diese Kette sich während der Fahrt völlig löst, ist der Panzer nicht mehr lenkbar. Da nützte selbst die über 1000 PS starke Motorisierung nur noch zu flottem Torkeln.
Die Behebung all dieser und weiterer Mängel vor Beginn der Serienproduktion kostete viel Zeit und viel Geld.
Ähnliches gilt für die Umsetzung penibler gesetzlicher Vorgaben, die der gesunde Menschenverstand mit einem Kriegsgerät, das unter Polarbedingungen ebenso funktionieren soll wie in Wüstengebieten, vielleicht nicht so ohne weiteres in Verbindung brächte. Etwa die Bestimmungen der heimischen Arbeitsstättenverordnung. Die fordern beispielsweise, dass im Innenraum des Puma auch unter Gefechtsbedingungen ein Raumklima zu herrschen habe, dass davon selbst für hochschwangere Soldatinnen keine Gefährdung ausginge. Dementsprechend wurde der Grenzwert für die Schussgasbelastung im Fahrgastraum des Schützenpanzers durch die Beschaffungsbehörde in Koblenz so verschärft, dass eine Fruchtwasserschädigung bei weiblichen Crew-Mitgliedern strikt ausgeschlossen ist. Und wer das jetzt bloß für kurios oder gar für hanebüchenen Nonsens hält, der hat offenbar das System Bundeswehrbeschaffung immer noch nicht verstanden. Die läuft bekanntlich nach dem shakespeareschen Motto „Ist dies schon Wahnsinn, so hat es doch Methode.“
Einwandfrei laufen die Serienmodelle des Puma aber deswegen heute natürlich trotzdem nicht. Das liegt zum einen an der hochgezüchteten Hightech-Ausstattung des Gefährts. Soldaten, die praktische Erfahrung damit haben, sprechen von einem „Computer auf Panzerketten“, und der sei kompliziert und störanfällig. Und zum anderen verärgern auch vergleichsweise kleine Schlampereien der Hersteller die Nutzer. Dass der Puma als solcher überhaupt nicht wasserscheu ist, liefert vielleicht die Erklärung dafür, dass die Serienmodelle 1 bis 63 mit unzulänglicher Dichtung für die Zwei-Mann-Luke im hinteren Kampfraum ausgeliefert wurden, wodurch – wenn der Himmel seine Schleusen öffnet – Wasser ins Fahrzeuginnere dringt. Dieser Mangel ist dem Vernehmen nach bis dato noch nicht einmal bei allen betroffenen Fahrzeugen abgestellt worden …
Ob des bisherigen Verlaufs darf man auch auf die nächsten Kapitel in der Erfolgsgeschichte des Puma wirklich gespannt sein.
Ein Artikel von
Sarcasticus
Dieser Beitrag ist eine Übernahme aus der heute erschienenen neuesten Ausgabe von „Das Blättchen – Zweiwochenschrift für Politik, Kunst und Wirtschaft“. Die komplette Ausgabe kann auf der Website www.das-blaettchen.de kostenfrei eingesehen werden.
Allerdings haben auch nicht-kommerzielle Projekte Kosten. Daher helfen Soli-Abos zum Bezug als PDF (hier klicken) oder in einem eBook-Format (hier klicken) dem Redaktionsteam bei der Lösung dieser Frage
Eine Antwort
Vollkommen richtig dargestellt !