Deals auf dem Rücken der Menschenrechte – Was das EU-Libanon-Abkommen für syrische Flüchtlinge bedeutet

Am 2. Mai besuchte EU-Kommissions-Präsidentin Ursula von der Leyen Beirut, die Hauptstadt des Libanon, und kündigt ein milliardenschweres Abkommen an. In der Pressemitteilung der Europäischen Kommission heißt es, das unter anderem durch eine Wirtschaftskrise gebeutelte Land und besonders schutzbedürftige Menschen, zum Beispiel Flüchtlinge, sollen mit einer Milliarde Euro unterstützt werden.

Was gut klingt, könnte in Wahrheit verheerende Auswirkungen auf die laut UNHCR etwa 1,5 Millionen geflüchteten syrischen Menschen, die vor dem nach wie vor stattfindendem Bürgerkrieg, damit einhergehender wirtschaftlicher Aussichtlosigkeit und einem unterdrückenden Regime geflohen sind. Ein großer Teil des Geldes soll nämlich, neben der Stabilisierung des Bankensektors und der Investition in lebenswichtige Infrastruktur, für das libanesische Militär und insbesondere die Grenzsicherung des kleinen Staates genutzt werden, um illegale Schleuser und die sogenannte irreguläre Migration abzuwenden. Auch von einer Erleichterung der freiwilligen Rückkehr von Flüchtlingen ist die Rede.

Politik der Abschottung

Der Besuch EU-Kommissionsvorsitzenden und das Abkommen reihen sich ein in eine seit Jahren vorangetriebene Politik der Abschottung der Europäischen Union und kommt direkt nach Beschluss des GEAS-Abkommen, was Menschenrechte und das Recht auf Asyl faktisch aushebelt und es erlaubt, Menschen ohne vollständiges Asylverfahren an den EU-Außengrenzen festzusetzen und in Drittstaaten abzuschieben. Im Zuge der Verhandlungen zum GEAS-Abkommen gab es ebenfalls Abkommen mit Staaten wie Tunesien und Albanien zu einer möglichen Deportation an den EU-Außengrenzen abgefangenen Flüchtlingen in von der EU-finanzierte Lager. Das neue Abkommen zwischen der EU und dem Libanon und somit die Erneuerung der finanziellen Unterstützung sollen dem Libanon die Mittel geben, um die Menschen auch noch vor dem Erreichen der EU-Außengrenzen in Drittstaaten, in diesem Fall dem Libanon, zu halten. Ein ähnliches Abkommen gab es bereits 2016 mit der Türkei.
Auch der zypriotische Präsident Nikos Christodoulidis war bei dem Treffen in Beirut dabei. Zypern als nächstes EU-Mitgliedsland in Reichweite des Libanon habe laut eigenen Angaben keine Kapazitäten mehr, die über den Libanon geflohenen Menschen aufzunehmen.

Der Ansatz ist also, dass die Menschen gar nicht erst in der EU ankommen sollen, sondern mithilfe der EU-Gelder in Drittstaaten gehalten werden. Die Problematik bei dieser Herangehensweise ist, dass der Libanon weder in der Vergangenheit noch in der näheren Zukunft eine sichere und menschenwürdige Unterbringung für die vor Krieg geflohenen Menschen bieten kann. Im Gegenteil, es ist wahrscheinlich, dass sich die Situation der im Libanon lebenden Flüchtlinge weiterhin verschlechtern wird, so wie es in den letzten Jahren schon zu beobachten war.

Menschenunwürdige Lebensbedingungen

Die Annahmen, dass mit dem Geld der EU zukünftig Menschenrechtsverletzungen begangen werden, ist nicht weit hergeholt. Seit Jahren gibt es Berichte von Menschenrechtsorganisationen im Libanon, in denen von gewaltvoller Zurückdrängung von syrischen Geflüchteten durch die libanesischen Sicherheitsorgane die Rede ist. Zum einen kam es im Grenzgebiet zwischen Libanon und Syrien, was teilweise aus riesigen Gebirgsketten besteht, in der Vergangenheit zu Todesfällen, weil Menschen buchstäblich festsitzen und so bei dem Versuch in Sicherheit zu gelangen, ihr Leben lassen müssen, weil sie zum Beispiel erfrieren. Dies ist nur möglich, weil der Libanon die, dann zukünftig auch weiterhin von der EU-Finanzierte, Grenzabschottung vorantreibt. Zum anderen werden immer wieder ganze Gruppen von Menschen unter Androhung von Gewalt in Busse geladen und über die Grenze nach Syrien gefahren. Von freiwilliger Rückkehr kann hier definitiv nicht die Rede sein.

Des Weiteren gab es erst im April Vorschläge der libanesischen Politik, die syrischen Geflüchteten einer Prüfung zu unterziehen, um festzustellen, wer tatsächlich die Kriterien einer vertriebenen Person erfüllt. Menschenrechtsorganisationen befürchten, dass dies ein Mittel sein soll, tausenden Menschen den Flüchtlingsstatus abzuerkennen, um sie dann auszuweisen. Seit Jahren hetzen Politiker*innen im Libanon gezielt gegen Flüchtlinge und speziell gegen die für das kleine Land zugegebenermaßen überwältigende Zahl an syrischen Flüchtlingen. Immer wieder wird ihnen die Schuld an den Krisen gegeben, die das Land in den letzten Jahren durchlebt hat.

Dabei sind es vor allem die syrischen Flüchtlinge, die am allermeisten unter den Krisen und sozialen Missständen im Libanon leiden.

Keine Perspektive, nur Ausgrenzung und Überlebenskampf

Neben katastrophalen Wohnbedingungen, wie jahrelanges Leben in Zeltlagern ohne Zugang zu ausreichend sanitären Anlagen und keinem Zugang zu Bildung und Arbeit, sind syrische Flüchtlinge im Libanon einer starken strukturellen und gesellschaftlichen Diskriminierung ausgesetzt. Die negative Stimmung der Gesellschaft gegenüber syrischen Menschen wird befeuert von Politiker*innen, die permanent Narrative wiedergeben, in denen syrische Geflüchtete Schuld an den wirtschaftlichen, politischen und gesellschaftlichen Problemen des Libanon seien. Verbale und auch körperliche Übergriffe kommen regelmäßig vor.

Zusätzlich dazu kommt, dass Arbeitslosigkeit und Armut auch unter libanesischen Staatsbürger*innen in den letzten Jahren drastisch angestiegen sind, unter anderem eine Folge der nicht lange zurückliegenden schweren Wirtschaftskrise. Es gibt generell wenig Perspektive in dem kleinen Mittelmeerland, viele libanesische junge Menschen haben das Land längst verlassen. Eine Möglichkeit, die für syrische Geflüchteten schon jetzt nur durch Riskieren ihres Lebens in Sichtweite gerät. Viele junge syrische Männer versuchen, sich und ihre Familien mit illegalen Aushilfsjob auf der Baustelle zu unterstützen, offiziell arbeiten dürfen sie nicht. Eine Teilhabe am Leben der libanesischen Gesellschaft wird ihn damit komplett verwehrt und unmöglich gemacht. Die Löhne der Schwarzarbeit sind katastrophal und reichen oftmals nicht einmal, um die nötigsten Lebensmittel zu kaufen. Davon abgesehen sind die Arbeitsbedingungen potentiell lebensgefährlich und die Männer stehen teilweise Stunden an der Straße, um einen Job zu bekommen. Sie riskieren auch von Sicherheitskräften aufgegriffen, verurteilt und abgeschoben zu werden. Auch Kinder sind von dieser Situation betroffen, weil das Arbeitsverbot nur für erwachsene Männer gilt. Die Familien sehen sich oft gewzungen, ihre Kinder arbeiten zu schicken.

Die allermeisten Flüchtlinge sind auf die Hilfsgüter und Unterbringung in Zeltlagern des UNHCR angewiesen. Nur teilweise gibt es Strukturen für Bildung für Kinder, alles ist provisorisch und auf vorübergehende Hilfe ausgelegt. Diese vorübergehende Hilfe läuft nun schon seit fast 15 Jahren. Es sind menschenunwürdige, unsichere und aussichtlose Lebensbedingungen. Lebensbedingungen, in denen die EU die geflüchteten Menschen um jeden Preis halten will, damit sie nicht nach Europa kommen.

Eine Maßnahme von vielen

Die katastrophale Situation der syrischen Flüchtlinge im Libanon und die Menschenrechtsverletzungen sind seit Jahren bekannt, die EU nimmt sie in Kauf und finanziert sie mit. Das Abkommen ist nur eines von vielen. Die EU hat in den letzten Jahren viel in die Abschottung der Grenzen und in Drittstaaten investiert, die für viel Geld die unter berichteten Verletzungen der Menschenrechte Flüchtlinge im eigenen Land halten oder gewaltvolle Push-Backs durchführen. Als nur ein Beispiel sei hier die Ausstattung und Finanzierung der lybischen Küstenwache, deren unzählige, oftmals tödliche Pull-Backs zuhauf dokumentiert sind. Die Liste könnte noch weitergehen und scheint nun mit dem erneuten Abkommen und der damit einhergehenden Geldgabe an den Libanon ein logischer weiterer Schritt der Abschottungspolitik der EU zu sein.

Ein Beitrag von Hanna Fach 

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Eine Antwort

  1. Der Artikel strotzt nur so von Fehlern. Keineswegs ist Syrien unsicher. Selbst Freunde von mir fliegen mehrmals im Jahr in ihre Heimat. Die Beiruter shoppingmalls sind gefüllt mit Syrern, die am abend wieder zurück fahren. Und bezüglich Hetze: Ein Blick auf die Kriminalität im Libanon zeigt, dass die Vergewaltigungs- und Mordrate extrem gestiegen ist. Die islamofaschiste Kultur der fakerefugees, deren Kinder auch das Schulsystem der Autochtonen belastet, passt einfach nicht mit dem liberalen, weltoffenen Partyvolk der Libanesen überein. Deshalb ist die Forderung der LF nach einer Deportation ins sichere Syrien nichts entgegenzustellen.

    LG aus Beirut

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