Die Verhandlungen auf dem EU-Gipfeltreffen in Brüssel sind beendet. Das Ergebnis lässt sich kurz zusammenfassen: Die europäischen Staaten wollen die Grenzschutzagentur Frontex weiter stärken, die Ressourcen noch einmal deutlich erhöhen und ein erweitertes Mandat installieren. Außerdem soll geprüft werden, ob auf dem Mittelmeer gerettete Geflüchtete auf dem afrikanischen Festland anlanden können. Wie genau das aussehen soll, das ist noch unklar.
Den Höhepunkt der Verhandlungen stellen die sogenannten „kontrollierten Zentren“ (KZ) dar, die innerhalb Europas aufgebaut werden sollen. Hier sollen die Geflüchteten, die es nach Europa geschafft haben, nun „weggesperrt“ werden. In den kontrollierten Zentren wird dann anschließend zwischen solchen unterschieden, die internationalen Schutz bekommen und solchen, die wieder zurückgeschickt werden können.
Was bedeuten diese Ergebnisse nun für die, die Schutz suchen?
Das italienische Innenministerium, die Europäische Union und die Grenzschutzagentur Frontex haben bereits im Februar ein Abkommen geschlossen, welches die Seenotrettung im Mittelmeer weiter einschränken wird. Die ausgerufene Operation Themis ersetzt seit Februar 2018 die seit 2014 laufende Operation Triton. Als im November 2014 Mare Nostrum zur Seenotrettung der italienischen Regierung durch Triton ersetzt worden ist, nahm die Anzahl an tödlichen Unglücken im Mittelmeer deutlich zu. Beide Operationen, sowohl Triton als auch Themis, streben vordergründig eine Grenzkontrolle an. Es ist zwar bekannt gegeben worden, dass die Such- und Rettungseinsätze unter der Koordination der zuständigen Seenotrettungszentrale in Rom (MRCC) fortgesetzt werden, jedoch wurde das Einsatzgebiet von Themis weiter reduziert. Bereits bei der Einführung der Operation Triton wurde das Einsatzgebiet auf 30 Seemeilen vor der italienischen Küste reduziert. Nun wurde das Einsatzgebiet von Themis weiter reduziert und soll nur noch 24 Seemeilen vor der Küste Italiens betragen. Keines der Boote mit den Geflüchteten erreicht jemals diese Grenze.
Nun soll Frontex noch weiter ausgebaut und finanziert werden. Wofür? Wenn die libysche Küstenwache bereits jetzt schon eine Vielzahl an Geflüchteten im Mittelmeer aufnimmt und diese dabei Völkerrechtswidrig zurück nach Libyen bringt. Dort, wo sie zurück in Lager kommen, in denen sie misshandelt, missbraucht und versklavt werden.
Ausgerüstet, ausgebildet und finanziert wird die libysche Küstenwache dabei übrigens von den europäischen Mitgliedsstaaten. Diese haben bereits 200 Millionen Euro in die libysche Küstenwache investiert. Die Zahl der Menschen die in Europa ankommen – gesunken.
Außerdem sollen die Rettungseinsätze im Mittelmeer künftig nicht mehr durch die Rettungsleitstelle in Rom koordiniert werden, sondern durch die libysche Küstenwache, die eine eigene Rettungsleitstelle erhalten soll.
Und die zivilen Seenotretter, die werden auch weiterhin diffamiert und kriminalisiert.
Wie bereits die libysche Küstenwache bei ihren Rückführungen der Geretteten nach Libyen gegen die Genfer Flüchtlingskonventionen und das Völkerrecht verstoßen, reiht sich hier nun auch die EU offiziell ein. Die Anlandezentren auf dem afrikanischen Festland nehmen den Geflüchteten die letzte Chance, auf europäischem Boden Asyl zu beantragen.
Welches nordafrikanische Land kann als nächstgelegener, sicherer Hafen angefahren werden? Libyen? Ein Land ohne funktionierende Regierung, beherrscht von zahllosen Milizen, zerstört durch Europa.
Die kontrollierten Zentren, die innerhalb Europas installiert werden sollen, sind laut Pro Asyl „…der Gipfel der Inhumanität“. Hier werden Gefolterte und Verletzte nach einer lebensgefährlichen Flucht untergebracht. Besser gesagt inhaftiert.
Dort erwartet ihnen dann eine endlose Perspektivlosigkeit, Frustration und Hoffnungslosigkeit, bis sie anschließend in Staaten ohne ein funktionierendes Schutz- und Rechtssystem abgeschoben werden. Ein Skandal stellt die Namensgebung der kontrollierten Zentren dar. Kontrollierte Zentren, kurz KZ, sind wahrscheinlich jetzt die konzentrierte Version der Anker-Zentren Seehofers. Europa schottet sich auch weiterhin ab und das Mittelmeer bleibt ein Massengrab. Über ein staatliches Programm zur Seenotrettung wurde nicht gesprochen und ist somit auch weiterhin nicht in Sicht.
Demnach war der EU-Gipfel ein nächster Schritt, in dem sich Europa weiter von jeglichen Menschenrechten entfernt hat.
Ein Artikel von Niklas Rokahr