Claus Weselsky - Quelle: Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer

Durch Betteln lässt sich die Deutsche Bahn nicht beeindrucken – Im Gespräch mit Claus Weselsky

Der Streik der Gewerkschaft der Lokomotivführer (GDL) ist die wohl meist diskutierte Tarifauseinandersetzung der vergangenen Jahre. Wir haben mit ihrem Vorsitzenden Claus Weselsky ein Gespräch über die Forderungen der GDL, die Ursachen der Medienhetze und Solidarität gesprochen.

Die Freiheitsliebe: Herr Weselsky nach 43 Stunden Streik im Personen- und 66 Stunden im Güterverkehr: Wie ist der aktuelle Stand?

Claus Weselsky: Unsere Mitglieder haben beim Arbeitskampf deutlich gezeigt, dass sie von der Hinhaltetaktik der Deutschen Bahn genug haben. Ihre Überstunden müssen begrenzt, ihre Wochenarbeitszeit reduziert und die Schichten deutlich verbessert werden. Außerdem fordern wir fünf Prozent mehr Lohn. Jetzt ist die DB am Zug!

Die Freiheitsliebe: An welchen Stellen unterscheiden sich Ihre Forderungen am deutlichsten im Vergleich zur Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft?

Claus Weselsky: Wir fordern eine Entlastung unserer Kollegen. Sie können Beruf und Familie fast nicht mehr in Einklang bringen. Jeder Lokomotivführer und jeder Zugbegleiter weiß, dass er im unregelmäßigen Schichtdienst arbeiten muss, aber dass er drei Wochenenden hintereinander zum Dienst eingeteilt wird und er Schichten bis zu 13 Stunden leisten muss, damit musste keiner rechnen. Durch Überbelastung werden die Kollegen häufiger krank, was zusätzlichen Personalmangel bringt. Und mittelfristig ist auch kein Nachwuchs zu finden, wenn Zugpersonal verheizt wird.

Für die EVG ist hingegen ein Sockelbetrag bei der Lohnerhöhung wichtig. Außerdem fordert sie sechs Prozent mehr Lohn.

Die Freiheitsliebe: Warum weigert sich die DB mit der GDL ernsthaft über die Situation der Zugbegleiter zu verhandeln?

Claus Weselsky: Lange versuchte uns die DB weißzumachen, dass die Zugbegleiter in der EVG organisiert sind. Erst als wir deutlich gemacht haben, dass 30 Prozent der Zugbegleiter bei uns Mitglied sind und viele Zugbegleiter auch in keiner Gewerkschaft sind, verhandelt sie überhaupt über diese Berufsgruppe mit uns. Der Arbeitgeber will aber seine bisherige Tarifstruktur aufrecht erhalten, damit er zum einen seiner EVG nicht das Wasser abgräbt. Zum anderen sollen die fundieren Entgelt- und Arbeitszeitregelungen aus unserem Flächentarifvertrag nicht auch noch auf die Zugbegleiter ausgedehnt werden.

Die Freiheitsliebe: Konnten die Streiks, bei denen die Streikfähigkeit der GDL deutlich wurde, die Situation für ihre Gewerkschaft verbessern oder wurden sie sogar erschwert?

Claus Weselsky: Ohne die Solidarität unserer Mitglieder könnten wir überhaupt nichts bewirken und die ist großartig. Durch kollektives Betteln lässt sich die DB nämlich nicht beeindrucken. Bei den Fahrgästen und Transportkunden können wir nur um Verständnis bitten. Aber letztendlich ist allen gedient, wenn unsere Kollegen, die tagtäglich dafür sorgen, dass die Züge mit zufriedenen Kunden pünktlich von A nach B kommen gute Arbeitsbedingungen bekommen.

Die Freiheitsliebe: In den Medien wurde sowohl die GDL als auch Sie als Person massiv angegriffen, können Sie sich erklären woran das liegt?

Claus Weselsky: Das Tarifgeschäft ist kompliziert, da ist es oft einfacher Personen anzugreifen. Das Interessante ist aber, wenn ich mit Bahnkunden über den Streik spreche – und ich spreche viel mit ihnen – dann bringen sie viel Verständnis entgegen.

Die Freiheitsliebe: Welche Auswirkungen hatten die Berichte auf ihre KollegInnen, gab es auch Solidarisierungen und positive Erfahrungen während des Streiks?

Claus Weselsky: Wir bekommen sehr viele Solidaritätserklärungen und Unterstützung von Gewerkschaften, Organisationen und auch Privatpersonen zu unserem Streik. Klar, tut uns das gut. Das Wichtige ist aber die Zustimmung und Solidarität unserer Mitglieder. Dagegen kommt kein Bahnvorstand an.

Die Freiheitsliebe: Wir danken Ihnen für das Interview

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