Bundeswehr, garantiert ungefaked

Nach dem Beitrag „Operettenarmee“ in der Ausgabe 8/2018 will Leser Olaf W. aus Hinterzarten – als 18-Jähriger kurz vor Kriegsende noch U-Boot-Fahrer auf einem von Hitlers Abtauchsärgen (nur jeder Vierte der Mannschaften kehrte von See zurück) – wissen, wieso von den U-Booten der Bundeswehr nicht eines einsatzbereit ist.
Zum Ende des Kalten Krieges hatte die Bundesmarine noch über 24 U-Boote verfügt, heute sind es sechs der Hightech-Klasse 212 – zusammengefasst im „1. Ubootgeschwader“, das allerdings schon an sich ein Etikettenschwindel ist, weil es ein zweites nicht gibt.
Während man den Rückgang in der bloßen Zahl durchaus als Friedensdividende gutschreiben darf, muss eine Parallelentwicklung allerdings bereits als Missmanagement eingestuft werden: Beim Ordern der vier seit Mitte der 1990er Jahre neu eingeführten Schiffe wurde auf die Zubuchung der bis dato üblichen Ersatzteilpakete à etwa 250 bis 300 Millionen Mark verzichtet. Heute sind die Bestände längst aufgebraucht. Die Hersteller halten dergleichen unaufgefordert und vor allem unbezahlt ebenfalls nicht vor. Jedes fehlende Teil muss daher marineintern angefordert, haushalterisch eingepasst und genehmigt werden. Das dauert bürokratiebedingt Wochen, wenn nicht Monate. Erst danach kann bestellt werden, und die Produktion dauert wiederum, denn deutsche U-Boote sind Exportschlager und die Hersteller daher gut ausgelastet. Das gilt aus denselben Gründen nicht minder für die Werften, die Reparaturen ausführen. Da muss die Bundesmarine sich inzwischen ganz hinten anstellen. Doch auch wenn es soweit ist, kann noch manches dazwischenkommen. In einer vertraulichen Präsentation der Kieler Werft TKSM heißt es: „Teile, die bestellt werden sollen, kommen verspätet, defekt oder gar nicht.“ Und da man nur sechs Schiffe untereinander längst nicht mehr so kannibalisieren kann wie weiland 24, um wenigstens einen Teil des Bestandes einsatzfähig zu halten, hat sich die Bundesmarine schon vor Jahren von der bei allen Seestreitkräften seit Nelsons Zeiten geltenden Drittelregelung verabschieden müssen: Ein Drittel der Schiffe in der Werft, ein Drittel für die Ausbildung und eines im Einsatz.
Der Unklarstand des „1. Ubootgeschwaders“ ist gegenwärtig dieser:

U31 – geriet im November 2017 beim Anmarsch zu einem Manöver am Eingang zum Ärmelkanal in einen Hurrikan der Windstärke Zwölf und nahm Schäden, von denen es sich bis heute nicht „erholt“ hat.
U32 – darf nicht mehr auslaufen, weil die Batterie kaputt ist. Die Beschaffung einer neuen scheiterte monatelang an einem Kartellverfahren. Ein Werftplatz steht für April 2019 in Aussicht. Reparaturdauer: mindestens ein Jahr.
U33 – ging im März 2017 planmäßig in die Inspektion und soll ab Oktober wieder fahren. Dann folgen zunächst monatelange Tests. Das Schiff hat im Übrigen ebenfalls Batterieprobleme…
U34 – liegt zur Routineinstandsetzung in der Werft und soll diese 2019 wieder verlassen.
U35 – demolierte sich im Herbst 2017 das Ruderblatt an einem Felsen vor Norwegen. Wenn’s mit der Werft klappt, könnte das Boot im Frühjahr nächsten Jahres wieder Fahrt aufnehmen.
U36 – ist seit Juli 2017 zur Inspektion; soll ab Juni wieder in Einsatz gehen.

Da es im BMVg im vergangenen Sommer Zweifel gab, ob der deutsche Hersteller MBDA das zur Beschaffung vorgesehene, auf Raketenabwehr ausgelegte System Meads (Medium Extended Air Defence System) – das Großprojekt ist auf etwa fünf Milliarden Euro veranschlagt – überhaupt stemmen könnte, ist alternativ noch das weiterentwickelte System Patriot des US-Herstellers Raytheon in der Debatte, dessen ältere Variante auch die Bundeswehr seit Jahren zur Luftabwehr im Einsatz hat.
Dieses System wurde in jüngerer Zeit in den Medien für den Abschuss von sieben ballistischen Raketen durch Saudi-Arabien gelobt, die jemenitische Rebellen gegen die saudische Hauptstadt Riad abgefeuert hatten.
Dazu gab es am 28. März auf der Homepage des US-Magazins Foreign Policy einen aufschlussreichen Beitrag von Jeffrey Lewis, Programmdirektor am Middlebury Institute of International Studies im kalifornischen Monterey. Unter der Überschrift „Patriot Raketen werden in den USA hergestellt und versagen überall“ schreibt der Experte: „Der Punkt ist, dass es keinerlei Beweis gibt, dass Saudi-Arabien […] überhaupt Houthi Raketen abgefangen hat. Und das wirft eine beunruhigende Überlegung auf: Besteht irgendein Grund anzunehmen, dass das Patriot System selbst funktioniert?“ In sozialen Medien gäbe es Videos, die den Abschuss saudischer Patriot Abfangraketen zeigten, aber was die zeigten „sind keine Erfolge: Eine Abfangrakete explodiert katastrophal direkt nach dem Start, während eine andere in mittlerer Höhe eine Kehre macht und aufheulend zurück nach Riad kommt, wo sie am Boden explodiert.“
Bereits während des ersten Golf-Krieges 1991, so Lewis weiter, hatte man „die Öffentlichkeit glauben lassen, dass das Patriot System über eine nahezu perfekte Leistungsfähigkeit verfügte und 45 von 47 Scud Raketen (des Irak – S.) abgefangen hatte“. Später habe die U.S. Armee die Rate erst auf 50 Prozent und schließlich auf rund ein Viertel reduziert. Eine Untersuchung des Repräsentantenhauses sei jedoch zu dem Fazit gelangt: „Es gibt kaum Anhaltspunkte, die beweisen, dass das Patriot System mehr als ein paar Scud Raketen […] getroffen hat.“
Allerdings käme eine Beschaffung des weiterentwickelten Patriot-Systems anstelle von Meads den bundesdeutschen Steuerzahler deutlich billiger. Und da die Tauglichkeit von Meads zur Raketenabwehr bisher ja bloß erklärte Absicht und nicht Realität ist, wäre das doch schon mal ein schönes Ergebnis.

Aber sonst alles in Butter bei der Bundeswehr? Schön wärs. Aber der gerade im Verteidigungsausschuss des Bundestages vorgestellte aktuelle Rüstungsbericht des BMVg besagt etwas anderes: So verzögert sich die Auslieferung weiterer Eurofighter wegen fehlender Bauteile nochmals um 13 Monate und wird damit insgesamt mehr als zwölf Jahre später als geplant erfolgen. Das letzte Wort muss das aber längst noch nicht sein. Wie auch bei anderen Großwaffensystemen. Der Lufttransporter A400M liegt 139 Monate über Plan, der Hubschrauber NH 90 134 Monate und die Fregatte 125 45 Monate…

Dieser Beitrag ist eine Übernahme aus der soeben erschienenen neuesten Ausgabe von „Das Blättchen – Zweiwochenschrift für Politik, Kunst und Wirtschaft“. Die komplette Ausgabe kann auf der Website www.das-blaettchen.de kostenfrei eingesehen werden. Allerdings haben auch nicht-kommerzielle Projekte Kosten. Daher helfen Soli-Abos zum Bezug als PDF (hier klicken) oder in einem eBook-Format (hier klicken) dem Redaktionsteam bei der Lösung dieser Frage. Ein Beitrag von Sarcasticus

Photo by Tobi NDH

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