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Auf der Suche nach einer neuen Friedens- und Sicherheitsordnung

Friedensfeindliche Tendenzen breiten sich heutzutage wieder aus, wenn wie im Weimarer Nationalprotestantismus Kirche und nationales Interesse gleichgesetzt werden. (1) Kyrill II., Patriarch der russisch-orthodoxen Kirche,  bezeichnete die Regentschaft Putins im Zuge der Präsidentschaftswahl in Russland 2012 als „Wunder Gottes“ und kritisierte die Opposition. Zudem rief Kyrill offen zur Wahl Putins auf. ((Wikipedia, s.v. Kyrill II) Wie Präsident Putin bezieht Kyrill II die Worte Jesu „Niemand hat größere Liebe als die, dass er sein Leben lässt für seine Freunde.“ (Joh,15,13) auf Soldaten und ihren „Heldentod“. Die militaristische Umdeutung der Bibel wie in der Weimarer Zeit lebt in Kriegszeiten heute oft wieder auf. (2)

     Nach dem Ende des Kalten Krieges zwischen den kapitalistischen Staaten im Westen und den ehemals kommunistischen Staaten Osteuropas ist eine Friedensdi­vidende nicht spürbar. Eine Finanzmarkt- und Bankenkrise infolge trick­reicher un­seriöser Finanzprodukte und die dadurch ausgelöste Krise der Realwirt­schaft in Eu­ropa und den USA wurde in eine Staatsschulden-Krise umgedeutet und mit Ausga­ben-Programmen für die „Rettung“ der Banken, d.h. der Aktionäre und Gläubiger, beantwortet, wobei die Verursacher der Krise und Profiteure geschont, die Allge­meinheit der Steuerzahler aber belastet wurde. Infolgedessen fehlen für den sozia­len Bereich, für die Friedensarbeit in Konfliktzonen sowie für Entwick­lungshilfe finanzielle Mittel. Dass durch Besteuerung hoher Einkommen Investiti­onen in die­sen Bereichen möglich werden, war bisher nicht durch politische Mehr­heiten orga­nisierbar.

Neue Gefahren

     Neue Gefahren entstehen weniger durch Staaten, die diktatorisch regiert sind und auf Eroberung fremder Länder sinnen, sondern eher durch schwache, zerfal­lende Staaten, die ihr Gewaltmonopol nicht mehr durchsetzen können und hilflos sind gegenüber der Privatisierung und der Kommerzialisierung der Gewalt Einzel­ner und einzelner Gruppen. Eine zusätzliche Gefahr stellt der Terrorismus islamis­tischer Gruppen, aber auch nationalistischer Extremisten dar. Nach der Ar­beitsge­meinschaft Kriegsursachenforschung fanden im Jahr 2020 insgesamt 29 Kriege und bewaffnete Konflikte statt.

     Im Jahr 2014 hielt der Zerfall des syrischen Staates, ebenso die Kämpfe zwi­schen Regierung und Oppositionsgruppen sowie die Kämpfe zwischen Kurden und dem so genannten Islamischen Staat die Welt in Atem. Die Notwendigkeit, viele Flüchtlinge vor den Kämpfen unterzubringen und zu integrieren, stellt die Staaten vor schwer lös­bare Aufgaben.
     Der Zerfall der ehemaligen Sowjetunion in bisher 14 unabhängige Nachfolge­staaten neben Russland seit 1991 hat Spannungen zwischen den Nationen deutlich werden lassen. Im Kaukasus-Krieg 2008 standen sich Georgien auf der einen Seite, Russland und die international nicht anerkannten Republiken Südossetien und Ab­chasien auf der anderen Seite in einem 5 Tage dauernden Krieg  gegenüber. Südossetien hatte sich 1991 für unabhängig erklärt. Seither kam es mehrfach zu Kämpfen mit Georgien. 2006 stimmte die Bevölkerung in einem Referendum fast geschlossen für die Unabhängigkeit. Dies wurde weder von der internationalen Gemeinschaft noch von Georgien anerkannt. Abchasien errang 1992 seine Abspaltung von Georgien in einem blutigen Sezessionskrieg, der zwischen 1992 und 1993 zehntausende Menschen das Leben kostete und 250.000 georgische Flüchtlinge zur Folge hatte. 1994 wurde unter Vermittlung der Vereinten Nationen ein Waffenstillstand vereinbart. Bislang sorgen 1.500 russische Soldaten als Friedenstruppe der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS) für die Einhaltung des 1994 geschlossenen Waffenstillstandes zwischen Georgiern und Abchasen. Im Kaukasus-Krieg 2008 demonstrierte der russische Staat seinen Macht-Anspruch in der kaukasischen Region und verhinderte einen Eintritt Georgiens in die Nato. (vgl. Wikipedia, s.v. Abchasien, Südossetien)

Kämpfe in der ehemaligen Sowjetunion

Moldawien, während der Auflösung der Sowjetunion seit 1991 unabhängig, wurde in seiner politischen Entwicklung durch den Transnistrien – Krieg wesentlich behindert. Nach einem Krieg von März bis August 1992 erreichte Transnistrien eine De-facto-Unabhängigkeit. Die nationalistische Führung Moldawiens hatte 1989 Russisch als zweite Amtssprache abgeschafft, was zur Entrüstung der russischsprachigen Minderheiten im Land führte. Die Kämpfe zwischen transnistrischen und moldauischen Einheiten dauerten vom 1. März 1992 bis zum 25. Juli 1992 und konnten unter Vermittlung Russlands und dessen dort stationierter 14. Armee unter General Alexander Lebed schließlich beendet werden Moldau verlor im Laufe des Konflikts endgültig die Kontrolle über Transnistrien.

Bei der durch Russland unterstützten Se­paration der Krim und ihrer Aufnahme in die Russische Föderation im März 2014 sowie durch Abspaltung separatistischer Regionen im Osten der Ukraine verschärf­ten sich die Spannungen, begleitet von wechselseitigen Sanktionen zwischen Russ­land auf der einen Seite und den USA und der Europäischen Union auf der anderen Seite. Der Russisch-Ukrainische Krieg begann Ende Februar 2014 in Form einer verdeckten Intervention von Streitkräften der russischen Förderation auf der ukrainischen Halbinsel Krim. Nach Besetzung des Parlamentsgebäudes von Simferopol, erklärte das Parlament  der Autonomen Republik Krim die Unabhängigkeit der Krim von der Ukraine, wenn die Bevölkerung bei einem Referendum am 16. März zustimme. Die Vertretung des Krimtatarischen Volkes hatte das Referendum für illegal erklärt und zum Boykott aufgerufen. Auch die Regierung in Kiew sah einen Widerspruch zur ukrainischen Verfassung. Am 11. März 2014 wurde vom Parlament der Krim die dem Referendum vorgreifende Unabhängigkeitserklärung der Autonomen Republik Krim und der Stadt Sewastopol verabschiedet. Das Referendum vom 16. März  sah eine Zustimmungsquote von 96,77 % der Teilnehmenden bei 83,1% Wahlbeteiligung. Der russische Menschenrechtsrat bestritt das Ergebnis und sah für die Stadt Sewastopol nur eine Zustimmungsquote von 50-60% bei einer Wahlbeteiligung von 30-50%.  Am 17. März stellte die Republik Krim einen Beitrittsantrag an die Russische Föderation. Mit der Ratifizierung des Beitrittsvertrags durch den russischen Förderationsrat am 21. März 2014 war die Eingliederung als Republik Krim in die russische Föderation aus russischer Sicht gültig. Seither sieht die Russische Föderation die Republik Krim und Sewastopol als Teil Russlands an. Die Ukraine erkennt dies nicht an, sondern betrachtet die gesamte Krim weiterhin als ukrainisches Staatsgebiet. Der UN-Sicherheitsrat erklärt das Referendum auf der Krim gegen die Stimme Russlands und bei Enthaltung Chinas am 15. März 2014 als ungesetzlich. Die UN-Vollversammlung erklärte das Referendum und die Sezession der Krim  am 19. Dezember 2016 für ungültig. Die Entscheidung wurde mit einer Mehrheit von 100 Stimmen gegen 11 Gegenstimmen bei 58 Enthaltungen getroffen. Nach UN-Angaben wurden von Beginn der Krimkrise bis Mai 2014 rund 10.000 Menschen vertrieben. Die Vertriebenen sind hauptsächlich Krimtataren, Ukrainer und Russen.(vgl. Wikipedia, s.v. Annexion der Krim 2014)

Demokratiebewegung

In Belarus (Weißrussland) beanspruchte die Demokratiebewegung den Sieg der Präsidentenwahl vom 9. August 2020 für die Bürgerrechtlerin Swetlana Tichan­owskaja. Eine sehr starke, von Frauen dominierte Opposition protestierte gegen of­fensichtliche Fälschungen der Wahl und forderte den Rücktritt von Diktator Ale­xan­der Lukaschenko, Neuwahlen und Demokratie sowie die Freilassung der massen­weise verhafteten Demonstrant(inn)en. Die instabile Lage erhöht die Abhän­gigkeit des diktatorischen Regimes von Russland. Die Europäische Union hat Sank­tionen gegen die weißrussische Führung verhängt. Auch die Wahlbeobachtungsor­ganisa­tion der OSZE (Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa) hat „massive“ Rechtsverletzungen und Folter in Belarus verurteilt und eine Wie­derho­lung der Präsidentschaftswahlen gefordert. Etwa 6700 Demonstrant(inn)en sollen festgenommen worden sein. Am 7. September 2020 wurde Maria Kalesnikava, eine der drei Kandidatinnen und am 9. September der Rechtsanwalt Maksim Snak, beide führende Mitglieder im Koordinierungsrat der Proteste, von Maskierten ohne Kennzeichen auf offener Straße entführt und kamen in Untersuchungshaft. Als Kalesnikava in die Ukraine abgeschoben werden soll, wehrte sie sich erfolgreich dagegen, indem sie ihren Ausweis zerstörte. Fast ein Jahr nach ihrer Festnahme wurde sie laut belarusischen Staatsmedien  zu elf Jahren Haft verurteilt. Ihr ebenfalls angeklagter Anwalt Maxim Snak wurde zu zehn Jahren Haft verurteilt. Beide sollen die Haft im Straflager verbüßen, Snak in einem mit verschärften Haftbedingungen. Es gibt gegen die Haft der Oppositionellen auch diplomatische Proteste der EU-Staaten. Die Oppositionskandidatin Swjatlana Zichanouskaja floh nach Litauen. Eine Verfassungsänderung wurde schließlich von Präsident Lukaschenko ins Spiel gebracht, um den Protesten zu begegnen. Internationales Aufsehen erregte die Entführung einer Passagiermaschine der irischen Fluggesellschaft Ryanair auf dem Weg von Athen nach Vilnius. Am Flughafen wurde der belarussische Oppositionelle Raman Pratassewitsch mit seine Freundin Sofia Sapega als angebliche Terroristen festgenommen. Das Staatsfernsehen strahlte ein „Geständnisvideo“ aus; die Eltern des Journalisten halten es für erzwungen.

     Im September 2020 war ein Krieg zwischen Aserbaidschan und Armenien aus­gebrochen. Bergkarabach, das völkerrechtlich zu Aserbaidschan gehört – 85 % der Bevölkerung Aserbaidschans sind schiitische Muslime – und mehrheitlich von christlichen Armeniern bewohnt wird, wurde bisher von armenischen Truppen kon­trolliert und hatte faktisch einen autonomen Status. Die armenischen Truppen wur­den von aserbaidschanischem Militär angegriffen. Auch die Türkei griff auf der Seite Aserbaidschans in die Kämpfe ein und entsandte von ihr bezahlte nahöstliche Milizen. Die Kriegsparteien hatten mehrere Waffenruhen gebrochen. Anfang No­vember 2020 haben sich Aserbaidschan und Armenien auf einen von Russland ver­mittelten, fünf Jahre gültigen Waffenstillstand geeinigt. Laut Abkommen sind rus­sische Truppen für die Kontrolle der Waffenruhe zuständig. Zwischen Bergka­rab­ach und Armenien soll der Verkehr auf dem ebenfalls vom russischen Militär kontrollierten (Latschin-) Korridor überwacht werden. Weiterhin sieht das Abkommen einen Gefangenenaustausch und eine Rückkehr Geflüchteter vor. Zu­dem werden mehrere Gebiete an Aserbaidschan übergeben, was früher geflüchteten aserbaid­schanischen Bewohnern die Rückkehr ermöglichen wird, was aber in Armenien für intensive Proteste gesorgt hat. Das Abkommen erweitert den russi­schen Einfluss durch militärische Präsenz in der Region. Aber am 13. September 2022 wurden aserbaidschanische Angriffe auf Armenien gemeldet, während Armeniens Schutzmacht Russland auf den Krieg in der Ukraine konzentriert ist, so die Frankfurter Rundschau, (FR.) 14. September 2022, Nr. 214. Unklar ist ob ein erneuter Waffenstillstand hält. – Die Gefahr neuer Kriege zwischen den verfeindeten Nachbarstaaten könnte verhindert werden durch Dialoge z.B. im Be­reich des Umweltschutzes, durch Austausch von Kulturangeboten usw. Ein Beispiel für Versöhnung und Kooperation war bisher die Aktion von zwei Dorf­gemeinschaf­ten aus Armenien und Aserbaidschan, ihre Dörfer mit unangetasteten Häusern zu tauschen.
     Am 7. April 2014 wurde in Teilen der ukrainischen Oblast die Volksrepublik Donezk ausgerufen. In Teilen des Gebiets fand eine Volksbefragung über „staatliche Unabhängigkeit“ statt. Nach Angaben der „Wahlkommission“ hätten sich  bei 81 % Wahlbeteiligung eine Mehrheit von 96 % für die Unabhängigkeit von der Ukraine ausgesprochen. Ukraine, EU und USA bezeichneten das Referendum, das nach der Unabhängigkeitserklärung der Separatisten am 12. Mai erfolgte, als illegal. (vgl. Wikipedia, s.v. Volksrepublik Lugansk). Am 21. Februar 2022 verkündete Präsident Wladimir Putin die Anerkennung der Volksrepublik Lugansk und der Volksrepublik Donezk als eigenständige Staaten und ordnete eine Entsendung von Truppen in die von Separatisten kontrollierten Gebiete an. Es folgten Maßnahmen weiterer Eskalation durch Russland insbesondere mit dem Aufbau prorussischer bewaffneter Milizen in den ostukrainischen Oblasten Donezk und Luhansk, die dort gemeinsam mit regulären Truppen gegen die ukrainischen Streitkräfte und Freiwilligenmilizen kämpften. Die mit internationaler Hilfe zustande gekommenen Minsker Abkommen von September 2014 und Februar 2015 sahen für den Krieg in der Ostukraine einen dauerhaften Waffenstillstand vor; tatsächlich erreicht wurde nur eine Stabilisierung des lokalen Konflikts zeitweise. Ab Sommer 2021 zog Russland massiv Truppen an der ukrainischen Grenze zusammen. Seit dem 24. Februar 2022 folgte eine groß angelegte Invasion durch die russische Armee aus mehreren Richtungen. Die NATO verweigerte ein direktes Eingreifen, um Kämpfe zwischen dem Bündnis und Russland zu vermeiden. Zahlreiche Bündnisländer, sowie die Europäische Union und auch die neutralen Staaten Schweden und Finnland, unterstützten die Ukraine aber mit Geld und Waffen. Bis zum 30. März flohen über vier Millionen Ukrainer vor den Kämpfen und vor russischem Bombardement ins Ausland.(vgl. Wikipedia s.v. russisch-ukrainischer  Krieg)  Seit April ist ein Teil großer und kleinerer ukrainischer Städte und ihre Infrastruktur zerstört, fast völlig Mariupol.
     Russland, bisher noch Mitglied im Menschenrechtsrat, (HRC, Human Rights Council, zwischenstaatliches Gremium von 47 Staaten  innerhalb der Vereinten Nationen, gegründet von der UN-Generalversammlung 2006, steht international unter Anklage schwerster Verletzung der Menschenrechte seit zuerst dokumentierter Gräueltaten in Butscha, einem Vorort von Kiew. Die ukrainische Armee behauptet ihre Gebiete, z.T. noch mit gelieferten Waffen von Nato-Staaten, die aber wegen der Gefahr eines Atomkrieges nicht direkt eingreifen.
     Der Krieg hat sich zum Stellungskrieg entwickelt. Große Gefahren gehen  von dem von russischen Truppen besetzten und zurzeit umkämpften AKW Saporischschja aus. Fachleute der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) waren auf dem Weg, um „die Sicherheit der größten Nuklearanlage der Ukraine und Europas (zu schützen“. (Fr. Nr. 201, 30. August 2022) Die IAEA verlangt eine Sicherheitszone um das AKW. Aus der Oblast Charkiw, teilweise auch aus der Oblast Luhansk,  haben sich russische Truppen nach einer ukrainischen Gegenoffensive zurückgezogen. (FR., 12. 09. 2022, Nr. 212)  In den heftig umkämpften separatistischen Republiken Luhansk, Donezk und Cherson fanden Volksabstimmungen  über den Beitritt zur Russischen Föderation statt. (FR., 21.09.2022) Am 21.09.2021 rief Präsident Putin eine Teilmobilmachung aus und drohte westlichen Staaten mit einem Atomkrieg. (FR. 22.09.2022, Nr. 221. Bei Protesten gegen die angeordnete Teilmobilmachung seien in Russland mehr als 1300 Menschen festgenommen worden. So die Nicht-Regierungsorganisation OVD-Info am 21.9.2022. Festnahmen habe es neben Moskau und St. Petersburg auch in 36 anderen Städten gegeben. Menschen riefen immer „Net Wojne-Nein zum Krieg“. (ww. Tagesschau.de) Nach den international nicht anerkannten Referenden in russisch besetzten Gebieten der Ukraine hat  der Kreml eine rasche Annexion vorbereitet. Als Mindestziel wirddie komplette Eroberung des Gebiets Donezk genannt. ZdF 30.9.2022) Beobachter (innen) rechnen mit einer langen Dauer des Krieges.      Die deutsche Friedensbewegung ist zurückgedrängt durch die Mehrheitsmeinung, dass eine militärische Unterstützung westlicher Staaten noch lange Zeit nötig sein wird und dass  zusätzlich zu den bisherigen 49 Milliarden Rüstungs­ausgaben im Haushalt 2022 noch in diesem Jahr 100 Milliarden als Sondervermögen eingestellt werden sollen, das der Bundeswehr über mehrere Jahre zur Verfügung stehen soll. Der Appell „Nein zum Krieg. Demokratie und Sozialstaat bewahren – Keine Hochrüstung ins Grundgesetz!“ hat jedoch immerhin mehr als 50 000 Unterschriften bekommen. Auch der BRSD hatte den Aufruf unterstützt. Damit steht Europa zwischen Krieg und Frieden. Eine neue Ordnung für Sicherheit und Frieden wird gesucht.
     Versäumnisse der Nato-Staaten bisher waren: Mangel an Sensibilität für Spannungen zwischen Ukraine und Russland in der Vergangenheit. Der Druck seit 2013, die Ukraine müsse sich entscheiden zwischen Beitritt zur EU oder zur Eurasischen Wirtschaftsunion mit Russland – vorher gab es einen einheitlichen Wirtschaftsraum ohne Zollgrenzen – hat Spannungen zusätzlich erhöht. Beim Istanbuler OSZE-Gipfeltreffen 1999 unterzeichneten dann die KSE-Vertragsstaaten das KSE-Anpassungsabkommen (AKSE [zur Begrenzung konventioneller Streitkräfte in Europa]). Das KSE-Anpassungsabkommen ist nicht in Kraft getreten, obwohl Russland es 2004 ratifiziert hat. In der NATO blockierten die USA die Ratifizierung des AKSE-Vertrags, nachdem George W. Bush 2001 sein Amt als Präsident angetreten hatte. Die Nicht-Ausweitung der NATO gab es als mündliche – allerdings nicht schriftliche – Zusagen gegenüber Präsident Gorbatschow (USSR), Bundeskanzler Kohl (Deutschland) sowie den Außenministern Genscher (Deutschland) und Baker (USA). Präsident Putin (Russland) beklagte seitdem Bedrohung der Sicherheitsinteressen Russlands, auch wenn der Beitritt zur Nato das Recht der Staaten des ehemaligen Warschauer Pakts (Polen, Tschechien, Ungarn, Bulgarien, Estland, Litauen, Rumänien, Slowakei und Slowenien) war. Deeskalierende Maßnahmen sind deshalb notwendig, z.B. Internationale Sicherheitsgarantie der Neutralität der Ukraine.
     Beispiele zivilen Widerstands gab es sogar im Krieg; Marina Owsjannikowa unterbrach mit lautem Rufen und einem Plakat gegen den Krieg  am 14.03.2022 die Haupt-Nachrichtensendung des russischen Staatsfernsehens. In der Ukraine stellten sich unbewaffnete Menschen Panzern und Militärfahrzeugen  entgegen und verdrehten Richtung weisende Schilder. Eine Umfrage des Kiewer Internationalen Instituts für Soziologie 2015 zeigte, dass gewaltloser Widerstand im Falle einer Besetzung des Landes beliebt wäre. Die ermutigende Einsicht ist: Ein Land zu besetzen, bedeutet noch nicht, es zu kontrollieren.

     Zu erinnern ist auch an Beispiele gewaltlosen Widerstands und Verweigerung der Kooperation mit Besatzern, wie sie von Martin Luther King und Mahatma Ghandi vorgelebt worden sind. (vgl. Artikel Gewaltfreie Aktion, wikipedia, ebenso die Zeitschrift „Gewaltfreie Aktion“, ebenso  „Versöhnung“, die Zeitschrift des Versöhnungsbundes.)

     Die bekanntesten Beispiele gewaltfreien Widerstandes – außer der friedlichen Revolution in der DDR 1989 – waren die aus der Tschechoslowakei, als am 21. August 1968 eine halbe Million Soldaten der Sowjetunion, Polens, Ungarns und Bulgariens in die Tschechoslowakei einrückten. In der Tschechoslowakei funktionierte der eigentliche Plan der Sowjetunion, eine neue Regierung zu präsentieren, aufgrund des gewaltlosen, geschlossenen Protests der Bevölkerung des okkupierten Landes nicht.(3)„So wurden Ortstafeln und Straßenschilder verdreht, übermalt, zerschlagen oder abmontiert, sodass ortsunkundige Besatzer in falsche Richtungen geschickt wurden. Tschechoslowakische Eisenbahner leiteten Nachschubzüge für die Rote Armee auf Abstellgleise. Tausende zumeist selbstgezeichnete oder selbstgedruckte Plakate, die die Besatzer verspotteten und zum passiven Widerstand aufriefen, wurden vorwiegend in Prag und Bratislava, aber auch in anderen Städten verteilt und an Häuserwände und Schaufenster geklebt. Auch der damalige Tschechoslowakische Rundfunk spielte eine große Rolle. So wurde unter dem damaligen Leiter Zdeněk Hejzlar eine mobile Sendestation eingesetzt, um die Bevölkerung zu informieren. Auch der ORF spielte dabei eine große Rolle, indem er die Tschechoslowaken via Kurzwelle-Sendeanlagen in Österreich informierte. Im eigenen Land wurden sie über die Ereignisse gar nicht bzw. teils falsch informiert. Daneben spielten auch Piratensender eine wichtige Rolle, die von den sowjetischen Besatzungstruppen ebenfalls nicht völlig ausgeschaltet werden konnten.“ (Wikipedia, Artikel Prager Frühling) Zwar musste die Führung (Staatspräsident Ludvik Svoboda und Erster Sekretär der Kommunistischen Partei Alexander Dubček) kapitulieren, aber nach einer Phase  der Resignation bildete sich eine Bürgerrechtsbewegung. In den neu gebildeten  zwei Staaten Tschechien und Slowakei konnte  die staatliche Souveränität erhalten bleiben.

     Verhandlungen zur Beendigung des Krieges sollten nicht aufgegeben werden. Die Ukraine und Russland haben sich auf separate Abkommen zur Getreideausfuhr geeinigt. Damit könnte die Seeblockade, mit der Russland die Ausfuhr von Getreide aus der Ukraine verhindert, vorerst überwunden sein. Die Ukraine ist einer der größten Getreideexporteure der Welt, Rund 20 Millionen Tonnen Getreide warten in Silos der ukrainischen Hafenstadt Odessa auf die Verschiffung. (ZdF, 22.07.2022,17.15 h)

     Reparationszahlungen nach einem Krieg, Bestrafung von Kriegsverbrechen nach einem Krieg, Hilfe für Menschen mit traumatischen Belastungen gehören ebenso zu einer Friedensordnung. Aufnahme von Flüchtlingen, Städte-Partnerschaften, persönliche Kontakte zwischen Menschen verfeindeter Nationen sind Schritte zum Frieden. Bei Haushaltsplanungen ist zu berücksichtigen: Zivile Krisenprävention und -intervention, Ziviler Friedensdienst, Mediation, Internationale Entwicklungszusammenarbeit, humanitäre Hilfe, Diplomatie und Zivile Verteidigung). Dazu gehören zudem Mittel- und Beitragssteigerungen für die OSZE und die UNO sowie der Aufbau ständig verfügbarer inter-kulturell und in Entwicklung von Organisationen erfahrener Kräfte für Internationale Polizeimissionen. Eine nachhaltige Sicherheitspolitik beruht auf Pfeilern:

1. Gerechter Wirtschafts- und Lebensstil

2. Nachhaltige Entwicklung der EU-Anrainerstaaten
3. Entwicklung einer globalen zivilen Sicherheitsarchitektur

Ein Beitrag von Reinhard Gaede, erschienen in der Zeitung Christ und Sozialist

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