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Arbeitsplatzvernichtung in der Autobranche: Ökologische Produktionsumstellung als Alternative

Die Automobilbranche war viele Jahre ein tragender Pfeiler der deutschen Wirtschaft und sie stand für eine hohe Beschäftigungswirkung. Wer dort arbeitete, hatte fast schon einen Beamtenstatus.

Doch diese Zeiten sind vorbei. Stattdessen rollt eine Arbeitsplatzvernichtungswelle quer durch die Autoindustrie, die immer mehr Bereiche erfasst. Schlagzeilen machte in den letzten Wochen besonders der Ford-Konzern.

Ford: Technologisches Herzstück wird zerschlagen

Anfang 2023 erklärten die Konzern-Chefs, dass im Kölner Ford-Werk rund 3.200 Arbeitsplätze wegfallen werden – knapp ein Viertel der Belegschaft. Ein massiver Einschnitt. Ein wichtiger Grund ist, dass die Produktion für den bisher in Köln gefertigten Ford Fiesta, ein Verbrenner, noch dieses Jahr eingestellt und durch die Produktion eines E-Autos ersetzt werden soll. Doch es droht weiteres Ungemach: Der Stellenabbau soll vor allem das Kölner Entwicklungszentrum treffen. Der Grund: Die bisher in Europa durchgeführten Entwicklungsarbeiten werden zukünftig in die USA verlagert. Damit wird das technologische Herzstück der europäischen Ford-Marke zerschlagen und der Produktionsstandort Köln wird zu einer beliebig austauschbaren europäischen Werkbank degradiert. Das lässt Böses für die Zukunft ahnen.

Bereits in den letzten Jahren wurden bei Ford in mehreren Wellen tausende Arbeitsplätze vernichtet. Die Betriebsräte haben diesem Stellenabbau immer wieder zugestimmt. Die vergebliche Hoffnung war, dass damit die Fabriken dauerhaft gesichert würden. Anfang 2022 ließen die Ford-Chefs die europäischen Produktionsstätten Saarlouis und Valencia in einem Bieterwettbewerb gegeneinander antreten. Das profitablere Werk sollte überleben und als Gewinn winkte die Produktion eines neuen E-Autos. Ein unglaublich zynisches Verfahren. Verloren hat das deutsche Werk in Saarlouis, denn es hat höhere Produktionskosten (Löhne). Die Folge: Bis 2025 soll am saarländischen Standort noch der Ford Focus produziert werden. Danach ist Schluss. Damit wird den rund 4.600 Beschäftigten im saarländischen Werk und den 2.000 Lohnabhängigen in den Zulieferunternehmen der Teppich unter den Füßen weggezogen.

Kapitalistische Wolfsgesetze

Um alle Hoffnungen zu dämpfen, erklärte der Ford-Europe-Chef Martin Sander gegenüber dem Handelsblatt, dass das Unternehmen nicht „zu den Stückzahlen aus den Vorkrisenjahren von 2016 oder 2017 zurückkehren“ werde. Und weiter: „Wir haben einfach zu viel Kapazität.“ Das Vorgehen des Konzerns: Ausdünnen der Modellpalette, Verlagerung der Entwicklungsabteilungen in die USA und Ausstieg aus der Verbrennertechnologie. Statt Kleinwagen sollen größere Modelle aus dem Kompaktsegment gefertigt werden. Das ist aber auch die Strategie, die die Konkurrenz fährt. Das Motto: Je größer das Fahrzeug, desto größer der Profit.

Gleichzeitig soll Ford aber laut Sander eine Marke mit erschwinglichen Autos bleiben. Das hört sich alles wie die Quadratur des Kreises an und nicht nach einer tragfähigen Strategie. Die Wahrheit ist, dass Ford in Europa im Vergleich zur Konkurrenz einen zu kleinen Marktanteil hat. Die kapitalistischen Wolfsgesetze verlangen aber, dass die Kleinen zuerst gefressen werden. Daher dürfte dem Rest von Ford Europe in nicht allzu ferner Zukunft ein ähnliches Schicksal blühen wie Opel: Erst kommt das Zerfleddern und dann werden die einzelnen Teile nach Salamiart aufgeteilt und an den Meistbietenden verschleudert.

Automobiljobs auf der Kippe

Die schleichende Vernichtung der Arbeitsplätze bei Ford steht nicht allein. Auch in anderen Autounternehmen stehen tausende Jobs auf der Kippe. Dafür gibt es mehrere Gründe: Erstens verschiebt sich der Schwerpunkt der Weltautoproduktion zunehmend nach Ost- und Südostasien. Es ist aber so, dass damit auch die Produktion zukünftig in die Nähe der größten Automärkte abwandern wird. Und das ist nicht mehr Europa, sondern Ost- und Südostasien.

Zweitens versuchen die Autohersteller Europas, durch eine immer weitergehende Verlagerung ihrer Produktion in die Niedriglohnländer Osteuropas ihre Profitmarge zu optimieren. Die Konsequenz dieser ersten beiden Entwicklungen ist, dass die Zahl der in Deutschland produzierten Autos merklich abnimmt. Während in den 2010er Jahren die hiesige Inlandsautoproduktion immer im Bereich von fünf bis sechs Millionen Pkws lag, ist sie in 2021 auf nur noch 3,1 Millionen abgesackt.

Der dritte Grund für den Verlust von Arbeitsplätzen im Automobilsektor ist die Umstellung auf Elektroautos. Während ein Verbrennungsmotor sehr kompliziert ist und aus rund 1.000 Einzelteilen besteht, ist ein Elektromotor sehr einfach aufgebaut und besteht maximal nur noch aus etwa 200 Einzelteilen. Es gibt verschiedene Studien, die als Folge einen Verlust von bis zu 400.000 Jobs prognostizieren. Wie dramatisch sich die Abkehr vom Verbrennungsmotor entwickelt, zeigt sich aktuell am Automobilzulieferer Eberspächer. Bisher verdiente das Esslinger Familienunternehmen zwei Drittel seines Umsatzes mit Komponenten für die Abgastechnologie. Diese Sparte soll nun verkauft werden. Vor acht Jahren hatten die Esslinger das schon einmal angedacht. Ein US-Konkurrent bot damals rund eine Milliarde Euro, was Eberspächer aber zu wenig war. Jetzt soll ein neuer Verkaufsversuch stattfinden, aber schon in einem deutlich schlechteren Umfeld. Das Handelsblatt zitiert Experten, die schätzen, dass die Abgassparte des Familienunternehmens heute bestenfalls nur noch die Hälfte wert ist. Wobei es schwer sei, überhaupt noch Käufer für ein Relikt aus den Verbrennerzeiten zu finden.

In der Folge dieses Entwicklungsszenarios gibt es im Automobilsektor zunehmende Ängste um die Arbeitsplätze. Sie werden zukünftig eine Konstante sein, mit der man politisch rechnen muss. Wie lautet darauf die Antwort der Politik und der IG Metall? Das Beispiel von Ford Saarlouis ist erhellend. Die saarländische Landesregierung hofft, dass auf dem Betriebsgelände von Ford ab 2025 neue Unternehmen angesiedelt werden können, die dann die Ford-Belegschaft übernehmen. Wo die hergezaubert werden sollen, ist aber völlig nebulös. Bereits bei der Schließung des Opel-Werkes in Bochum wurden ähnliche Hoffnungen verbreitet, die aber alle scheiterten. Doch auch die IG Metall hat keine Antwort. Sie hat zwar nach einer Perspektive für die Beschäftigten gerufen, hat sie aber leider selbst nicht geliefert. Eine einfache Fortsetzung der Autoproduktion ist angesichts der massiven Konkurrenz und der Überproduktion auf dem Automarkt nicht mehr vorstellbar. Das wäre auch ökologisch äußerst problematisch. Was aber dann?

9-Euro-Ticket: Eisenbahnen von Nachfrage überrannt

Eine Mobilitätsalternative kann heute eigentlich nur noch im Einklang mit der tiefen Klima- und Umweltkrise entwickelt werden. Autos, egal ob mit Elektro- oder Verbrennermotor, gehören mit zu den Haupttreibern der Umweltzerstörung. Deswegen brauchen wir auch keinen 1-zu-1-Ersatz der Verbrenner durch Elektrofahrzeuge, wie es die Grünen herbeisehnen. Dafür existieren auch gar nicht die materiellen Grundlagen: Weder Platz in den Städten noch Rohstoffe oder ausreichend erneuerbare Energien. Es existiert aber ein hoher Bedarf, die öffentlichen Verkehrsmittel auszubauen.

Das hat auch das kurzfristige 9-Euro-Ticket gezeigt. Insbesondere die Eisenbahnen wurden von der Nachfrage förmlich überrannt. Die Bundesregierung hat versprochen, dass sie bis 2030 die Nutzerzahlen im öffentlichen Personenverkehr verdoppeln will. Das würde aber eine massive Steigerung der im Einsatz befindlichen Eisenbahnen erfordern. Wollte man den gesamten anachronistischen Autoindividualverkehr durch öffentliche Verkehrsmittel ersetzen, müsste man die Zahl der Züge und Busse sogar verdreifachen. Wie man dies in den verbleibenden Jahren bis 2035 erreichen will, ist völlig unklar. Dafür existieren vor allem keine Kapazitäten in der kleinen deutschen Bahnindustrie, die nur aus Siemens Mobility und Alstom besteht und gerade einmal 24.000 Beschäftigte zählt.

Das heißt aber auch, dass allein mit diesen wenigen Beschäftigten kein schneller Umbau zu einem ökologischen Verkehrssystem erreicht werden kann. Allerdings könnte ein großer Teil der heutigen Autoindustrie auf die Schienenfahrzeugproduktion umgestellt werden. Statt großer Elektro-SUVs und spritfressender Verbrenner könnten dann bei BMW, Porsche, Ford und ihren Zulieferern Komponenten für öffentliche Verkehrsmittel wie Eisenbahnen oder Busse produziert werden. Die dort arbeitenden Ingenieur*innen und Arbeiter*innen haben eine hohe Kompetenz in der Blechumformung, der allgemeinen Metallbearbeitung, der Maschinennutzung, der Montage und der Steuerungstechnik, die sie dazu befähigen.

Vergesellschaftete Gigafactories für den ÖPNV

Nicht zuletzt aus diesem Grund sollte sich die Klimabewegung gegen die Zerstörung der Produktionskapazitäten bei Ford oder auch den Automobilzulieferern wenden. In den Köpfen der Automobilbeschäftigten sollte unzweideutig verankert werden, dass die Klimabewegung für die Verteidigung dieser Industriearbeitsplätze steht. Auch die IG Metall könnte den Beschäftigten bei Ford so eine realistische Perspektive vermitteln: Die Fertigung öffentlicher Verkehrsmittel in vergesellschafteten Gigafactories in Saarlouis und Köln. Der britische Gewerkschafter und Ingenieur Mike Cooley, der für das Rüstungsunternehmen Lucas Aerospace in den 70er Jahren einen Konversionsplan entwickelte, formulierte einen wichtigen Grundsatz: „Die Kampfmoral eines Beschäftigten [nimmt] sehr schnell ab, wenn er bemerkt, dass die Gesellschaft die Produkte, die er herstellt, nicht haben will.“

Das könnte sich aber schnell ändern, wenn Klimaschützer*innen vor den Fabriktoren von Opel oder Ford auftauchen, sich mit den Lohnabhängigen solidarisieren und eine Fortsetzung der Produktion für Eisenbahnprodukte und eine Vergesellschaftung der Mobilitätsunternehmen fordern. Das gesellschaftliche Kräfteverhältnis könnte sich dann für beide Seiten deutlich verbessern.

Von Klaus Meier (Netzwerk-Ökosozialismus).

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